Ihm geht es viel zu langsam. „Das Tempo muss sich ändern, wir müssen die Dinge einfach machen“, sagt Leon Beck. So kompliziert sollte der kommunale Klimaschutz nicht sein. „Aber wenn man sieht, dass es eine Verwaltung nicht schafft, innerhalb eines Jahres einen Förderantrag zu stellen, fragt man sich schon: ‚Wohin soll das noch führen?‘“
„Das wird dem Klimawandel nicht gerecht“
Es geht um seine Heimatstadt Markdorf. Vor mehr als einem Jahr hat der dortige Gemeinderat den Beschluss gefasst, dass ein Klimaplan entworfen werden soll. Doch bisher ist noch nicht einmal die Erstellung dieses Konzepts offiziell ausgeschrieben. Durchschnittlich ein Jahr dauere es, bis ein Konzept ausgearbeitet sei, so Beck. „Das ist ein Tempo, das dem Klimawandel nicht gerecht wird.“

Und jetzt? Kopf in den Sand? Auf die Straße kleben? Er habe großes Verständnis für Aktivisten der Letzten Generation, sagt Beck. „Aber nein, noch bin ich nicht an diesem Punkt angekommen.“
Wie kam er zum Klimaschutz?
Leon Beck ist 26 Jahre alt und hat in den vergangenen zwei Jahren die Gruppe Klimaplan Markdorf, die German-Zero-Gruppe in Friedrichshafen und die Local-Zero-Gruppe in Überlingen mitgegründet. Nur wenige im Bodenseekreis waren zuletzt beim Thema Klimaschutz so präsent wie er. Das Ziel der Gruppen lautet: Klimaneutralität in den jeweiligen Städten im Jahr 2035. Das sollen Kommunen in Form von Klimaschutzkonzepten erreichen. Auf Druck der Bürger sollen Kommunen einen konkreten Plan mit Zwischenschritten entwerfen, den sie langfristig einhalten.
Beck hat in Überlingen Abitur gemacht und anschließend an der ETH Zürich Architektur studiert. „Dort hatte ich erstmals Kontakt mit dem Thema Klimaschutz“, erinnert er. Als Teil einer Nachhaltigkeitskommission setzte für Mehrwegbecher oder gegen die Verschwendung von Kopierpapier ein. Mit anderen Studentinnen forderte er auch von der Hochschule, dass sie Finanzanlagen aus Unternehmen mit fossilen Energien zurückziehe. Im Jahr 2020 kehrte er zurück nach Markdorf und arbeitet seitdem als selbstständiger Produktdesigner und Architekt.
„Es braucht Provokation und Zusammenarbeit“
Seit seiner Rückkehr an den Bodensee opfert er einen großen Teil seiner Freizeit für den lokalen Klimaschutz. Als Aktivist sehe er sich aber nicht, vielmehr als „Klima-Engagierter“, sagt er. Anstatt Van-Gogh-Gemälde mit Suppe zu bewerfen, bevorzugt er die Zusammenarbeit mit den Rathäusern. Doch er sagt: „Ich denke, es braucht beides: Provokation und die pragmatische Zusammenarbeit mit den Kommunalverwaltungen – so erschreckend das auch ist.“

Bei seinem Engagement hat er bislang Hoch- und Tiefpunkte erlebt. Als größten Erfolg sieht er noch immer den einstimmigen Beschluss für den Markdorfer Klimaplan, obwohl dieser noch nicht in die Wege geleitet ist. Es gebe aber auch kleine Glücksmomente. „Wenn man von Klimaschützern aus anderen Städten hört, welche Maßnahmen dort umgesetzt wurden“, sagt er. „“Das auf die Kommunen im Bodenseeraum zu übertragen – das gibt Kraft.“
Schönes Leben in kaputter Welt
Dennoch stellt er sich oft die Frage: Ist es das alles Wert? „Es wäre eine verpasste Möglichkeit, wenn ich mich nicht einbringe“, sagt er. „Es reicht mir nicht, alles als gegeben hinzunehmen.“ Die Frage sei für ihn nämlich auch: Hilft es, ein vermeintlich schönes Leben in einer kaputten Welt zu haben?

„Wir werden alle in eine bestimmte Realität hineingeboren und wachsen in dieser auf.“ Das präge das Bild davon, was Menschen als möglich erscheine und dass es schwer falle, sich eine andere Welt vorzustellen, sagt er. „Daraus könnte folgen, dass wir nicht mehr nur Vorbilder, sondern auch Pilotprojekte brauchen, die eine zukünftige Realität zeigen.“
Begeisterung nach Gründung nutzen
Nachdem Beck mit nun mehrere Gruppen mitgegründet hat, sei es wichtig, dass alle Beteiligten diese Gründungseuphorie in konkrete Klimaschutzkonzepte umwandeln. Nach Gründung der Local-Zero-Gruppe in Überlingen könnte das beispielsweise in dem integrierten Klimaschutzkonzept münden, das im Nachgang der Klimawerkstatt erarbeitet wird. Die Klimawerkstatt fand Beck als Einstieg in den Prozess „grundsätzlich gut“, sagt er.
„Die Frage ist aber auch, in welchen Sektoren man noch spezifischer werden kann.“ Ob konkretere Formulierungen in dem Klimakonzept auftauchen werden oder ob dafür der Nachdruck der Klimaschützer notwendig sei, bleibt abzuwarten. Doch Beck will mit seinen Kollegen der Überlinger Local-Zero-Gruppe diese Entwicklung weiter kritisch verfolgen.
Und wo sehen Sie sich in fünf Jahren?
Beck hat noch sein ganzes Leben vor sich. Wo er sich in fünf Jahren sehe, könne er noch nicht sagen. „Ich hoffe aber, dass ich mich dann nicht in einem politischen Amt wiederfinde.“ Er habe das Gefühl, dass Amtsträger zu oft Kompromisse eingehen, mit denen er in der Rolle nicht leben könnte. „Dann engagiere ich mich lieber in den Bereichen, wo ich die Freiheit habe, konsequent zu handeln und es mit meinen Werten vereinbaren kann.“
Langfristig sei für ihn auch unklar, ob er dauerhaft am Bodensee bleibe. Er könne sich aber gut vorstellen, in der Zukunft wieder zurückzukommen. Das aber kein Grund, sein Engagement zu reduzieren. „Man kann bereits ziemlich viel bewirken, wenn man sich nur für ein oder zwei Jahre irgendwo einbringt“, sagt Leon Beck. „Man nimmt auch viel Erfahrung mit, die einen an anderen Orten weiterbringt.“