„Summertime – and the living is easy“: George Gershwins Ohrwurm, der dem Konzertabend der Südwestdeutschen Philharmonie auf der Seebühne im Uferpark die Überschrift lieh, tauchte in höchst sinfonischer Form zwar erst unmittelbar nach der Pause auf. Doch das Easy-Living-Feeling war beim Publikum von Anfang vorhanden, nachdem Arno Nyc den Taktstock erstmals erhoben und die große Besetzung des Orchesters mit Solistin Claudia Nyc am Klavier losgelegt hatte.

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Spätestens der Hit Summertime schrie geradezu nach stimmlicher Emotion. Doch dass er auf die Mitwirkung des Chores verzichten musste, hatte der Überlinger Musiker schon zu Beginn bedauert. Gerne hätte er seinen Chor vom Gymnasium mit auf der Bühne gesehen. „Zwei Meter Abstand zwischen allen Sängern wäre die Vorschrift gewesen“, erklärte der Dirigent. Eine so große Fläche stehe einfach nicht zur Verfügung.

Kulturelle Zwangsaskese ist zu Ende

Die Abstände beim Publikum wurden auf der Tribüne und auf dem Rasen dahinter weitgehend eingehalten – unterstützt durch abgezirkelte Quadranten. Umso schwerer war es die Zahl der Zuhörer zu schätzen – zwischen 200 und 300 werden es auf jeden Fall gewesen sein, die die Serenade auf dem See nach so viel kultureller Zwangsaskese in der Abendstimmung spürbar genossen, auch wenn die Temperaturen in diesem Moment nicht gerade karibisch waren.

Eine ganz neue Erfahrung für die Musiker der Südwestdeutschen Philharmonie: Sie spielten auf einer Seebühne, die manchmal ein wenig ...
Eine ganz neue Erfahrung für die Musiker der Südwestdeutschen Philharmonie: Sie spielten auf einer Seebühne, die manchmal ein wenig schwankte. | Bild: Hanspeter Walter

Das abwechslungsreiches Programm der Philharmonie, das von Brahms und Grieg bis zu Rachmaninow und Schostakowitsch reichte, leistete seinen Beitrag dazu. Mal schwebte die Musik wie eine leichte Brise über das Wasser, mal frischten die Rhythmen geradezu böig auf, während die Sonne immer mal wieder zwischen den Wolken auf den Uferpark linste. Dazu passte perfekt der Vangelis-Hit Conquest of Paradise, denn zumindest für einige Zeit schien die Eroberung des Paradieses nicht mehr fern. Und die Instrumentalisten hatten dabei die Gelegenheit, das Volumen ihrer Instrument auszuschöpfen und in die Vollen zu gehen.

„Die Musik bei dieser tollen Atmosphäre – das öffnet regelrecht die Herzen.“ Andrea Hahn, Salem
„Die Musik bei dieser tollen Atmosphäre – das öffnet regelrecht die Herzen.“ Andrea Hahn, Salem | Bild: Hanspeter Walter

„Die Atmosphäre ist einfach grandios hier“, sagt die aus Berlin angereiste Musikstudentin Johanna Müller, „und das Wetter ist perfekt.“ Bereits den vierten Konzertabend verbrachte der Hödinger Thomas Gegg mit seiner Frau hier. „Die Abendstimmung am See ist einfach super“, sagt er. Zum ersten Mal auf der Landesgartenschau war Andrea Hahn aus Salem. „Das öffnet die Herzen“, freute sie sich über die Musik. „Das ist wie bei den Bregenzer Festspielen.“

Auch die Intendantin der Philharmonie, Insa Pijanka, zeigte sich am Ende erfreut, dass das bereits im Vorjahr geplante und inzwischen mehrfach überarbeitete Programm endlich realisiert werden konnte. „Wir sind dankbar, dass wir hier sein dürfen auf dieser tollen Seebühne“, erklärte Pijanka, „die manchmal ein wenig schwankt, aber sie ist großartig.“ Angetan zeigte sich die Intendantin auch von der großen Resonanz beim Publikum.

„Wir sind schon zum vierten Mal bei einem Konzert hier. Das Ambiente im Uferpark ist einfach toll.“ Thomas Gegg, Hödingen
„Wir sind schon zum vierten Mal bei einem Konzert hier. Das Ambiente im Uferpark ist einfach toll.“ Thomas Gegg, Hödingen | Bild: Hanspeter Walter

„Endlich, endlich wieder ein Konzert“ hatte sich Arno Nyc anfangs bereits gefreut. „Endlich – endlich wieder reisen“ formulierte er später als Einleitung eines Medleys, mit dem er die Zuhörer rund um den Globus mitnahm. Seine Musiker illustrierten dies akustisch mit Assoziationen an trompetende Elefanten in Indien, Schüsse in Texas und Schiffssirenen im Hafen von New York.

Konzert krönt Gartenschau-Besuch

Auch so erfrischend entspannt war das Open-Air-Feeling, dass die Zuhörer ohne schlechtes Gewissen mal das Handy zücken konnten, um die glitzernde Wasseroberfläche als Erinnerung einzufangen. Denn im Publikum waren auch manche Urlauber, die das Konzert als krönenden Abschluss ihrer Tageskarte für die Landesgartenschau genießen konnte.

„Die Atmosphäre ist einfach grandios hier. Und dann noch das perfekte Wetter dazu.“ Johanna Müller, Berlin
„Die Atmosphäre ist einfach grandios hier. Und dann noch das perfekte Wetter dazu.“ Johanna Müller, Berlin | Bild: Hanspeter Walter

Arno Nyc trug diesem lockeren Umgang mit anspruchsvoller Musik Rechnung, als er bei der Filmmelodie „Ghostbusters“ das Publikum mühelos aus der Reserve lockte. Auf seine Frage „Who you gonna call?“ kam die Antwort zusehends mutiger aus dem Publikum: „Ghost-busters.“ Dass es das Ensemble um Arno Nyc trotz der standing ovations bei zwei Zugaben beließ, bescherte den Besuchern die Chance, wenige Minuten später auch noch den Sonnenuntergang bei der Goldbacher Kapelle genießen zu können.

Nein, nicht Griegs Morgenstimmung, aber eindrucksvolles Abendlicht am See begleitete das Konzert.
Nein, nicht Griegs Morgenstimmung, aber eindrucksvolles Abendlicht am See begleitete das Konzert. | Bild: Hanspeter Walter