Ein "großzügiges Loft mit Flair in der Stadtmitte"? Oder doch lieber eine "idylische Ferienwohnung, eine Minute zum See im Herzen Überlingens"? Mit diesen Inseraten preisen Vermieter von Ferienwohnung auf dem Online-Buchungsportal "Airbnb" einen Urlaub in Überlingen an. Durch die Internetportale hat sich der Druck auf den Wohnungsmarkt am Bodensee noch einmal verschärft – angespannt war er aber zuvor schon.

Um die Lage zumindest ein wenig zu entspannen, hat der Geimenderat nun eine "Satzung über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum" beschlossen. Diese soll verhindern, dass dringend benötigter Wohnraum für gewerbliche Zwecke verwendet wird. In Überlingen gilt der Blick vor allem Ferienwohnungen. Ohne Genehmigung darf eine Wohnung nicht länger als sechs Wochen im Jahr als Ferienwohnung vermietet werden, und bei einer selbst genutzten Wohnung dürfen maximal die Hälfte der Flächen gewerblichen Zwecken dienen. Auch Leerstand von mehr als sechs Monaten ohne besonderen Grund ist untersagt. Wer gegen die Vorschriften verstößt, muss mit einem Bußgeld von bis zu 50 000 Euro rechnen. Die Satzung gilt befristet auf fünf Jahre und nicht für bestehende Ferienwohnungen.

Bis zu 1300 fehlende Wohnungen bis 2035

Andere Städte haben eine derartige Satzung schon länger: München, Berlin, Freiburg, Konstanz – und seit kurzem auch Überlingens kleine Nachbargemeinde Sipplingen. Beim Bürgerempfang Mitte Januar verkündete dann auch OB Jan Zeitler, dass er sich dieses Instrument für Überlingen wünsche. "Machen wir jetzt ernst oder nicht?", fragte er nun provokativ den Gemeinderat. Die Antwort lautete "Ja" – allerdings fiel die Entscheidung mit zehn zu acht Stimmen denkbar knapp aus. Vorausgegangen war dem Beschluss eine hitzig geführte Diskussion, die selbst innerhalb der Fraktionen zu Meinungsverschiedenheiten geführt hatte.

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Doch von vorne: Stadtplaner Thomas Kölschbach machte anhand mehrerer Modelle deutlich, wo es auf dem Überlinger Wohnungsmarkt drückt. Zwar liege die Mietsteigerung nur knapp über dem Bundesschnitt, allerdings fehle es an Wohnungen. Geht man vom maximal vorhersehbaren Bevölkerungswachstum aus, gibt es in Überlingen bis im Jahr 2035 rund 1320 Wohnungen zu wenig. Da zudem recht wenig neue Wohnungen entstünden, müsste verhindert werden, dass diese nicht als Wohnraum für die Bevölkerung genutzt werden. Kölschbach: "Die Satzung begreife ich als kleines Hilfsmittel, um Empathiepunkte bei der Bevölkerung hervorzurufen." Man könne den Menschen zeigen, dass Verwaltung und Geimenderat das Problem des angespannten Wohnungsmarktes erkannt haben und nach Lösungen suchen.

Andere Städte zeigen: Nur geringe Erfolgsaussichten

Kölschbach machte aber auch klar, dass das Zweckentfremdungsverbot nur eine von vielen Maßnahmen sein könne, da die Erfolgaussichten, tatsächlich eine Beruhigung auf dem Wohnungsmarkt zu erreichen, recht gering seien. Zum Vergleich nannte er Zahlen aus Konstanz, wo seit 2015 eine ähnliche Satzung gilt. Hier wurden in vier Jahren nur 44 anderweitig genutzte Wohnungen in Wohnraum umgewandelt. Durch die schwierige Kontrolle sei zudem der Verwaltungsaufwand verhältnismäßig hoch. Kölschbach: "Entscheidend ist es, die Satzung auch zu leben."

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Eben diesen schwachen Erfolgaussichten und den hohen Personalaufwand führten die Kritiker im Rat ins Feld. Im Gegenzug greife man aber sehr stark in die Rechte des Einzelnen ein. Bezugnehmend auf das von Kölschbach geforderte Signal in Richtung Bevölkerung fragte Ulf Janicke (LBU/Grüne): "Was kostet uns dieses Zeichen?" Er zweifle daran, dass der benötigte Wohnraum durch das Zweckentfremdungsverbot geschaffen werden könne, und forderte, zunächst die leerstehenden Wohnungen in städtischem Besitz zu vermieten: "So lange wir es nicht schaffen, unsere eigenen Wohnungen dem Markt zuzuführen, können wir nicht andere dazu zwingen." Seine Fraktionskollegin Bernadette Siemensmeyer plädierte dafür, "eher ein Konzept mit Anreizen zu entwickeln, als mit dieser Keule zu kommen".

Jurist Volker Mayer-Lay (CDU) äußerte Zweifel an der Rechtssicherheit der Satzung und Lothar Thum (LBU/ÜfA) kritisierte, dass das Papier ohne vorherige Beratung von der Stadtverwaltung zur Abstimmung gebracht wurde. Außerdem würden Denunzianten angesprochen, die ihre Nachbarn anschwärzen. Reinhard Weigelt (FDP), als Liberaler "von Natur aus gegen den Eingriff des Staates", formulierte das so: "Was wir nicht brauchen, sind noch mehr Typen der Sorte IM Blockwart". Ihm sei wichtiger zu bauen: "Wir brauchen Bauland ohne Seesicht. Dann gibt es automatisch bezahlbaren Wohnraum." Sein Kollege Raimund Wilhelmi sah durch die Satzung einen massiven Eingriff in die Grundrechte.

Befürworter setzen sich knapp durch

Dem entgegnete Udo Pursche (SPD) mit Verweis auf Artikel 14 des Grundgesetzes. Dort heißt es: "Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen." Auch wenn die Satzung nur die ein oder andere freie Wohnung schaffe, sei es wichtig endlich Maßnahmen zu ergreifen. "Wenn wir jetzt nicht damit anfangen, wann denn dann?", warb Pursche lautstark. So sah es auch Robert Dreher: "Es ist zumindest ein Einstieg und wir machen nichts kaputt."

Am Ende stimmten Jan Zeitler (SPD-Mitglied), Sylvia Kruse-Baiker und Udo Pursche (SPD), Irene Alpes und Walter Sorms (LBU/Grüne), Robert Dreher und Ralf Mittelmeyer (FW/ÜfA), Ulrich Krezdorn (CDU) und Roland Biniossek (Linke) für die Satzung. Dagegen waren Günter Hornstein, Lothar Fritz und Jörg Bohm (CDU), Ulf Janicke und Bernadette Siemensmeyer (LBU/Grüne) sowie Reinhard Weigelt und Raimund Wilhemi (FDP). Lothar Thum und Martin Längle (FW/ÜfA) enthielten sich.

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