Der Wunsch, die Wasserkraft des Andelshofer Weihers irgendwann wieder zu nutzen, beschäftigt nach wie vor Gemeinderat und Bürger. Mehrfach war im Vorjahr intensiv eine Verfüllung der beschädigten Druckrohrleitung des Stadtwerks am See zum Turbinenhaus diskutiert worden, mit einer Technik, die gegebenenfalls rückgängig gemacht werden könnte.
Interfraktionelle Anfrage an Oberbürgermeister
In einer interfraktionellen Anfrage an Oberbürgermeister Jan Zeitler, die Marga Lenski (LBU/Grüne) vortrug, fordert der Gemeinderat erneut, die Option zu erhalten. Außerdem fordern die Räte von Zeitler als stellvertretendem Aufsichtsratsvorsitzendem klare Aussagen über die Besitzverhältnisse und weitere Pläne. Ernüchternd für den Rest der Ratsrunde war ein Einwurf von Stadtrat Ingo Woerner (FDP), der auf eine aktuelle Ausschreibung der Arbeiten hinwies. Diese mache Vorgaben, die nur bei einer Verfüllung der Leitung mit Beton erreicht würden.
Option zur Inbetriebnahme der Anlage
„Auch wenn eine Ertüchtigung oder Inbetriebnahme der Anlage mittelfristig wenig wahrscheinlich ist, so ist es doch zum Nutzen für die Stadt Überlingen, wenn diese Option der Daseinsvorsorge langfristig erhalten bleibt“, heißt es in der Anfrage der Ratsfraktionen. „Das gilt zum einen in Anbetracht der wenig vorhersehbaren Entwicklung auf dem Energiesektor und der zunehmenden Bedeutung einer flexiblen, regionalen Energieversorgung. Zum anderen kann eine Betrachtung der Wirtschaftlichkeit in Zukunft zu anderen Ergebnissen als heute kommen. Daher wäre es zum Schaden für die Stadt Überlingen, wenn die Gesamtanlage durch Rückbau oder Verkauf einzelner Bestandteile irreversibel zerstört würde.“ Die Stadt sei über ihre Anteile am Stadtwerk am See nach wie vor zu einem Viertel Eigentümer der Anlage.
Rat will auch Auskunft über Besitzverhältnisse
„Ist rechtlich gesichert, dass die Druckrohrleitung im Zuge von Baumaßnahmen nicht irreversibel zerstört wird?“, heißt es in der Anfrage. Auskunft will der Rat auch über die Besitzverhältnisse der zur Gesamtanlage gehörenden Teile (Andelshofer Weiher, Zuleitung zum Weiher, Druckrohrleitung, Wasserkraftwerk-Gebäude, Turbinen), welche Pläne das Stadtwerk verfolge und ob die Stadt ein Vorkaufsrecht habe. Zu guter Letzt: „Welche Maßnahmen sind möglich, damit die Stadt wieder vollständig in den Besitz der Gesamtanlage kommen kann?“
Gesamtanlage steht unter Denkmalschutz
Den Weiher selbst hätte die Stadt längst kaufen können, wie Geschäftsführer Alexander-Florian Bürkle im Mai 2018 im Ratssaal betont hatte. Die Stadt habe abgelehnt. Dass die Gesamtanlage unter Denkmalschutz stehe, die Leitung nur reversibel überbaut und nicht „zerstückelt“ werden dürfe, hatte Bürgermeister Matthias Längin zuletzt im Ausschuss für Bau, Technik und Verkehr betont. Überbaut ist die Leitung derzeit noch nirgends. Der Musentrakt des Gymnasiums war beim Bau im Jahr 2003 umgeplant worden, um die Leitung nicht zu blockieren. Für den Bau der Kreissporthalle zwei Jahre später war die Leitung sogar verlegt worden.
Tragsicherheit muss wiederhergestellt werden
„Die 100 Jahre alte Leitung hat schon lange ihre technische Nutzungsdauer erreicht und ist teilweise massiv beschädigt“, erklärte Geschäftsführer Bürkle auf Nachfrage. Aufgrund dieser Beschädigung sei sie teilweise einsturzgefährdet. „Wir haben daher einen Fachberater eingeschaltet, um Maßnahmen einzuleiten, die die Tragsicherheit wieder herstellen“, heißt es in der Stellungnahme. „Die Ausschreibung für die Arbeiten haben wir nach seinen Vorgaben gestaltet. Die Ausschreibung ist inzwischen abgeschlossen. Bei den Vergabegesprächen wurde ein Vorgehen gefordert, das die beim Straßen-Unterbau geforderte Tragfähigkeit herstellt.“ Ob die geforderte Tragfähigkeit auch mit einer reversiblen Verfüllung erreicht werden könnte, dazu macht Bürkle keine Aussage.
In Druckleitung können Leerrohre verlegt werden
Dass in manchen Abschnitten die Druckleitung genutzt werden könnte, um Leerrohre zu verlegen, bestätigt das Stadtwerk am See. Zudem suche man nach einer Anschlussnutzung für den Andelshofer Weiher und sei in Gesprächen. Für das Gebäude am Mantelhafen werde ein Nachnutzungskonzept entwickelt.
Freud und Leid der Leitung
- Die Wasserleitung, die vom Andelshofer Weiher zum Wasserkraftwerk am Mantelhafen führt, soll verfüllt werden. Derzeit liegen ein paar Meter dieser Leitung an der Ecke St.-Johann/St.-Ulrich-Straße offen. Hier entsteht ein neues Haus und es stellt sich die Frage, ob hier erstmals auf der alten Leitung gebaut werden darf. Für die Überlingerin Andrea Frey ist damit eine ganz andere Geschichte verbunden. Ihrem Großvater Karl Gresser gehörte ein Hektar Land, wo jetzt ein neues Haus entsteht. Er sei 1922 der letzte Grundstücksbesitzer gewesen, der dem Druck nachgab, die Leitung auf seinem Grundstück verlegen zu lassen. Er habe sich lange gewehrt, weil er nicht einsah, dass er hier nicht mehr bauen dürfe. Prompt, berichtet Andrea Frey aus Prozessunterlagen, platzte 1925 die Leitung und überflutete das Gelände ihres Großvaters.
- Viele Jahre leistete das Wasserkraftwerk, mit einigen Unterbrechungen, seit 1924 gute Dienste. In den 1990er Jahren waren die beiden Turbinen noch einmal generalsaniert worden und gingen kurz nach der Liberalisierung des Strommarkts im Jahr 2000 wieder ans Netz, vor allem auf Drängen des Gemeinderats. Stolz verkauften die Stadtwerke Überlingen ihren umweltfreundlichen „Turbistrom“. Rund 500 000 Kilowattstunden pro Jahr lieferten sie bis zur Stilllegung der Leitung vor mehr als fünf Jahren.
- Probleme mit der Leitung hatte es an verschiedenen Stellen im Stadtgebiet gegeben. 2006 musste die Fallleitung am Mantelsteig repariert werden, nachdem Nebenräume des Lebensmittelgeschäfts in der Mühlenstraße unter Wasser gesetzt worden waren. Wenige Monate später befürchteten die Stadtwerke schon einen Dammbruch am Andelshofer Weiher. Feuerwehr und THW mussten Wasser abpumpen, um die durchweichte Barriere zu entlasten. Bis 2008 wurde der Damm innen und außen mit Erdaushub massiv verstärkt.
- Unterdessen gibt es auch Überlegungen, das Energiepotenzial des Weihers auf andere Weise zu nutzen. „Ich bin dazu im Gespräch mit einem Experten für Wasserkraft“, sagt Stadtrat Ingo Woerner. Der Spezialist mache sich Gedanken, ob der Wasserspeicher in eine andere Anlage eingespeist werden könne. Mehr könne er dazu im Moment noch nicht sagen. (shi/hpw)