So war das im November 1974 nicht gedacht, als Sankt Suso geweiht wurde: Das neue Gotteshaus solle „ein Ort der Stille und Einkehr“ werden, sagte der katholische Bischof Karl Gnädinger damals. Nach 45 Jahren kehrte jedoch eine so große Stille ein, dass es für Pfarrer Bernd Walter unüberhörbar wurde. Sankt Suso wird als Gotteshaus heute kaum noch genutzt, sei „nicht mehr zukunftsfähig“, und deshalb will sich die Pfarrei davon trennen. Nun sind die Ideen der Überlinger gefragt.
Pfarrgemeinderat beantragt Entweihung
Wie der Stadtpfarrer sagte, werde Sankt Suso nur noch sporadisch für Gottesdienste genutzt, während die Heizkosten immer mehr in die Höhe schießen. Er empfinde die in massiver Betonweise gebaute Kirche als „Ballast“, der dem Gemeindeleben nicht mehr dienlich sei. Er empfahl dem Pfarrgemeinderat, sich davon zu befreien. Das Gremium stimmte dem Antrag nun nach kontroverser Diskussion zu und stellte förmlich fest, „dass die pastorale Nutzung der Kirche Sankt Suso in einem solchen Umfang abgenommen hat, dass das Verhältnis von Kosten zu Nutzen nicht mehr vertretbar ist“. Der Pfarrgemeinderat fasste den Beschluss, die Entweihung des Kirchengebäudes beim zuständigen Erzbistum in Freiburg zu beantragen. Damit wäre der Weg frei, das Gebäude und somit das Gelände für ganz neue Zwecke zu nutzen.
Neue Nutzung noch offen
Wie eine neue Nutzung aussehen könnte? Das ist laut Pfarrer Walter noch völlig offen. Auch die Frage, ob man sich nur vom Kirchengebäude trennt und andere Gebäudeteile, in denen Kindergarten und Jugendarbeit untergebracht sind, unangetastet lässt, werde ergebnisoffen diskutiert. Er betonte: „Es soll niemandem etwas genommen werden, aber jeder soll sich auf die veränderte Situation einstellen. Wir müssen verantwortungsvoll mit unseren Immobilien umgehen.“ Die Kirchensteuern sprudelten nicht mehr so wie früher, auch die Zahl der Gemeindemitglieder nehme ab. Doch betonte der Pfarrer, dass sowohl die Kindergarten- als auch die Jugendarbeit wichtige Aufgaben seien, denen man sich auch künftig widmen, und ihnen deshalb auch Räume zur Verfügung stellen werde. Laut Beschluss des Pfarrgemeinderats „muss eine Kindergarten-Nutzung bestehen bleiben“, und „weitere Nutzungen sollen dem kirchlichen Auftrag dienen“.

„Keine Tankstelle“
Sofern die Denkmalbehörde das Gebäude nicht unter ihren Schutz stellt, ist ein Abriss laut Bernd Walter grundsätzlich denkbar, auch eine Verpachtung des Areals im Erbbaurecht. Zunächst seien die Überlinger dazu aufgerufen, sich mit Ideen einzubringen. „Ich will da keinen Edeka-Markt und keine Tankstelle“, sagte Walter. Er denke beispielsweise an ein Mehrgenerationenhaus, an eine Kindertagesstätte, an ein Pflegeheim, an sozialverträglichen Wohnungsbau – „einfach an etwas Gutes für die Stadt“. Und er betont: „Nein, es geht nicht ums Verdienen.“
Kritik nach Verkauf in der Hafenstraße
Beim Verkauf eines Wohnhauses in der Hafenstraße (noch unter Walters Vorgänger) handelte sich die Pfarrei Kritik ein, weil sie eine Immobilie aus Kirchenbestand an einen Investor verkaufte, ohne die Bevölkerung einzubeziehen. Dieser Investor plant nun einen Abriss und in verdichteter Bauweise Eigentumswohnungen. Den Profit hätte damit ein Einzelner, nicht die Öffentlichkeit, die von der Pfarrei aber vor vollendete Tatsachen gestellt worden ist. So ein Vorgang solle sich nicht wiederholen, sagte Walter. Er wolle ein Zeichen setzen: „Wir wollen der Stadt bestes“, zitierte er ein Bibelwort.
Thema emotional besetzt
Er wisse darum, dass das Thema emotional besetzt ist, so der Leiter der Seelsorgeeinheit, zu der neben der Münstergemeinde die Pfarreien in Lippertsreute, Owingen und Billafingen gehören. Viele, die beim Bau der Kirche geholfen haben, oder dafür spendeten, seien noch am Leben, viele Hochzeiten oder Krippenspiele seien darin gefeiert worden. Über die Fertigung eines Bildteppichs im Altarraum aus den 80-er Jahren spreche man heute noch.
Im März wird der nächste Pfarrgemeinderat gewählt. Wie Walter sagte, wollte er dem künftigen Gremium nicht die „Hypothek“ auferlegen, „als Totengräber von Sankt Suso“ ins Amt einzusteigen. „Jetzt, unter altem Pfarrgemeinderat und neuem Pfarrer war der richtige Zeitpunkt, so eine Entscheidung zu treffen.“
Bis 15. Dezember haben die Überlinger Zeit, Vorschläge zu formulieren. Sie müssen nicht Mitglied der Pfarrgemeinde sein. Ein an das Pfarrbüro (Münsterplatz) adressierter Umschlag genüge, auch „handschriftlich“, sagte Bernd Walter. Eine Jury werde die Ideen dann sichten und für weitere Entscheidungen dem Pfarrgemeinderat vorlegen.
Sankt Suso
Suso-Kirchen gibt es in Konstanz, Ulm und Überlingen. Ihr Namenspatron ist der im Jahr 1295 oder 1297 geborene Selige Suso (auch Heinrich Seuse), dessen Geburtsort sowohl Konstanz als auch Überlingen für sich beanspruchen. Für ihn als Patron des neuen Pfarrzentrums an der Überlinger Langgasse hatte man sich 1974 in einer Umfrage entschieden. Als mögliches Geburtshaus des Mystikers und Dichters gilt das Suso-Haus in Überlingen (Susogasse), in dem sich ein 2007 gegründeter Förderverein um Literatur und Spiritualität bemüht. Suso starb 1366 in Ulm, er war Mystiker und Dominikanermönch und wurde schon zu Lebzeiten wie ein Heiliger verehrt.
„Zukunftsfähig“ sei die jetzige Nutzung des Areals Sankt Suso nicht mehr, sagt Pfarrer Bernd Walter heute. Aber hatte es jemals eine Zukunft? Als die Idee zum Bau von Sankt Suso entstand, Ende der 60-er Jahre, war der Burgberg noch großes Baugebiet. Bei der Weihe 1974 ist noch an die Gründung einer selbständigen Pfarrgemeinde gedacht worden, losgekoppelt von der Münstergemeinde, die damals unter der Leitung von Stadtpfarrer Konrad Krieg und dem damaligen Vikar Hansjörg Weber gestanden hatte. Es war sogar der Bau eines eigenen Pfarrhaus geplant. Das bis heute unbebaute Grundstück an der Langgasse, oberhalb des Parkplatzes, sollte dafür dienen. So wie die Kirche über 450 Sitzplätze verfügt, sollte auch ein Gemeindesaal Platz für 450 Besucher bieten. Dieser Saal liegt im Erdgeschoss, wurde aber nie fertig gebaut, sondern dient als Lagerraum. Auch das Pfarrhaus wurde nie gebaut, vielmehr hat Sankt Suso seinen Zenit längst überschritten, wie Walter sagte, und die Erzdiözese Freiburg die Gründung einer eigenen Pfarrei verworfen. (shi)