Am See wird mal wieder schmutzige Wäsche gewaschen – im eigentlichen, nicht im übertragenen Sinn: Schon früh am Morgen ziehen die Frauen mit ihren Leiterwagen voll Wäsche und Feuerholz für Warmwasser Richtung Osten, häufig in Begleitung ihrer Kinder, denn es ist Wasch-, Bleich- und auch Tratschtag. Und während die Überlingerinnen dort, wo sich heute der Tennisclub befindet, einträchtig nebeneinander an ihren Waschbrettern stehen und scheuern, was das Zeug hält – Waschmaschinen gab es damals schließlich noch nicht –, werden auch jede Menge Neuigkeiten gehandelt.
Tratschen beim Warten auf weiße Wäsche
„Mindestens seit dem Mittelalter bis in die Zeit, als die Waschmaschine erfunden und erschwinglich war, wurde getratscht, geplaudert und gelästert, um sich die Zeit bei der anstrengenden Arbeit und beim darauf folgenden Warten zu vertreiben“, erzählt die Alt-Überlingerin Lisbeth Krezdorn. Warten mussten die Überlingerinnen, weil die Wäsche im Anschluss an den Waschvorgang auf der Wiese ausgebreitet und in der Sonne gebleicht wurde. Denn gerade die weißen Stücke wie Laken und Decken verfärbten sich mit der Zeit und durch andauernden Gebrauch gelblich bis grau.
Sonne und Seewasser halfen Frauen
Das Auslegen auf der Wiese setzte mehrere nützliche chemische Reaktionen in Gang, die Wäsche musste dabei allerdings feucht bleiben, was durch die Seenähe leicht zu bewerkstelligen war: Immer wieder sprühten die Frauen ihre Waschstücke mit frischem Seewasser ein. Unter der Einstrahlung der Sonne reagiert der Sauerstoff mit dem Wasser und es bildet sich Wasserstoffperoxid, ein noch heute verwendetes Bleichmittel. Zusätzlich entstehen bei der Fotosynthese im Rasen radikale Sauerstoffisotope, die, vereinfacht gesagt, aggressiv die unerwünschten Farbpartikel und Verfärbungen zerstören und so für die strahlende Weiße der Wäsche sorgen.
Schon 1333 wurde an der Bleiche gewaschen
„Die Kinder mussten dabei natürlich immer ermahnt werden, nicht auf die ausgebreiteten Wäschestücke zu treten und nicht zwischen ihnen herumzuspringen“, erzählt Lisbeth Krezdorn. Sonst wäre es mit der Reinheit der Wäsche rein gar nichts geworden. Auf der Bleiche wurde aber nicht nur die private Wäsche gewaschen: Schon 1333 ist an dieser Stelle erstmals ein Zins für ein Haus genannt, der von Kunz dem Bleicher zu bezahlen war. Der Bleicher betrieb das Reinigen und Aufhellen der Textilien professionell und verarbeitete große Mengen von Wäsche.
Konkurrenz zu Müllern
Da die wichtigste Zutat beim Bleichen das Wasser ist, kam es schon einmal vor, dass es mit Vertretern anderer, sehr wasserintensiver Gewerbe wie den Mühlen zu Reibereien kam. 1464 stritten sich die Müller mit dem Betreiber der Bleiche, da dieser ihrer Meinung nach zu viel Wasser aus dem Mühlgraben (der die obere Mühle am Riet versorgte) entnahm, um seine Bleiche und die Walkmühle zu betreiben, die beide hintereinander am eigenen Kanal standen. Im Folgejahr regelte die Stadt schließlich das Problem, indem die Bleiche ihr Wasser fortan über ein Brunnenrohr aus dem Mühlgraben beziehen musste. Immer wenn die Bleiche nicht arbeitete, wurde das Rohr verschlossen.
Auch Walkmühle und Ölmühle auf dem Gelände
So blieb den Müllern und auch der Bleiche genug Wasser. Aber nicht nur das Bleichen benötigte viel Wasser, beim Walken wurde ebenfalls viel von dem begehrten Rohstoff verbraucht. Das Wasser trieb die Walkmühle an, die sich auf demselben Gelände befand. Sie verdichtete und verfilzte die Stoffe durch Stampfen und Quetschen mittels des Mühlgetriebes. Dadurch wurde das Material robuster und auch leicht wasserabweisend. Stoffe, die heute noch gewalkt werden, sind Filz und Lodenstoff. 1709 kam zur Walkmühle sogar noch eine Ölmühle hinzu. Der Betrieb wuchs zu einem stattlichen Unternehmen.
1898 wurde Ufer aufgeschüttet
Seit 1674 hatte die Familie Fink die Bleiche gepachtet. 1733 bestand sie aus dem „Wohnhaus mit doppelter Kornschütte und Anbau samt Ochsenstall, vier Schweineställen und Backofen; ferner Scheuer, Waschhaus (so fast zergangen), sechs Wachthäuslein, von den drei neu erbaut sind, Brennhaus ohne Brennofen, Brunnen; schließlich der Ölmühle nebst Walke, beide baufällig“, wie dem archäologischen Stadtkataster Baden-Württemberg von Alois Schneider im Kapitel Überlingen zu entnehmen ist. Mit der Zeit verlor die Bleiche an Bedeutung, bis schließlich 1898 das Ufer an dieser Stelle aufgeschüttet wurde, damit Schiffe mit Baumaterial für den Eisenbahntunnel besser anlanden konnten.
Witwen verdienten mit Waschen Geld
Für das Aufschütten wurde Abraum aus dem Tunnelausbruch verwendet. Der etwa 2750 Quadratmeter große Platz war seitdem nur noch der städtische Waschplatz, die Bleiche verschwand, ausschließlich private Wäsche wurde hier gewaschen und gebleicht. „Dort säuberten die Frauen die Wäsche. Manche von ihnen, Witwen zum Beispiel, verdienten damit ihr Geld“, weiß Lisbeth Krezdorn. Sie selbst nutzte den öffentlichen Platz am Ufer, bis die ersten Waschmaschinen aufkamen und einen Preis erreichten, die sie auch für Normalverdiener erschwinglich machten. Damit war das Waschen zwar mit Sicherheit bequemer, aber auch deutlich einsamer geworden: Statt ihre Wäscheberge auf den Leiterwagen zu laden und gen Osten zu ziehen, stiegen die Frauen allenfalls noch hinab in den Keller, um ihre Waschmaschinen zu befüllen. Schmutzige Wäsche wurde fortan privat gewaschen.