Die Initialzündung vor Zeiten lieferte dem damals 15-jährigen Christian Partikel der mit einer Vespa motorisierte Briefträger. Der junge Mann „lieh“ sich das Gefährt für eine kurze Spritztour aus – und war danach lebenslänglich mit dem Vespa-Virus infiziert. Als 16-Jähriger erwarb er in Italien vom zusammengesparten Taschengeld für 250.000 Lira seine erste Vespa. „Solch schöne Formen und Farben hatte nur die Vespa“, erinnert sich der heute 43-Jährige.
Vespas auf Schränken und als Lampen
Zwischenzeitlich saß er auch auf heißeren Krafträdern, aber die Vespa „hatte immer den längeren Auspuff“, wie Christian Partikel erzählt. Heute gibt es in seinem großen Haus keinen Raum, der nicht deutliche Rollerspuren aufweist. Sogar in den Wohnräumen, wo andernorts chinesische Vasen oder Jagdtrophäen der Zierde dienen, finden sich Vespas auf Schränken zur letzten Ruhe abgestellt und Vespa-Lampen liefern die Zimmerbeleuchtung.

90-Quadratmeter-Anbau im Garten als „Vespa-Hangar“
Draußen im Garten trotzt in der Obstbaumkrone ein Vespa-Torso der Witterung. Vor wenigen Jahren wurde dort draußen aus Platzgründen ein 90-Quadratmeter-Anbau fällig. Von den insgesamt 65 Rollern, die Partikel um sich versammelt hat, sind hier etwa 30 ausgestellt. Außerdem dient der „Vespa-Hangar“, wie man ihn getauft hat, der Geselligkeit unter den Roller-Jüngern.

Werkstatt, Materiallager und Ausstellungsraum im Kellergeschoss
Das Allerheiligste dieses Roller-Imperiums findet sich im 200-Quadratmeter-Kellergeschoss, dessen sämtliche Räume den Vespa-praktischen Verrichtungen vorbehalten sind: die Werkstatt, wo geschraubt, „frisiert“ und im Freundeskreis beim Bier gefachsimpelt wird; das uferlose Materiallager, wo sich immer noch eine Zündkerze findet, die anderswo gerade fehlt; ein weiterer Ausstellungsraum mit den teuren Prunkstücken der Sammlung.
Patina des Alters ist kein Makel
Beim Werkeln dort unten geht es darum, die alten Kisten teilweise von Grund auf zu restaurieren und fahrtüchtig zu halten. Unhistorisches „Aufhübschen“, etwa durch eine gefällige Lackierung, ist dabei herzlich verpönt und dezimiert den Marktwert. Nur die originale, meist italienisch-fröhliche Farbgebung wird akzeptiert. Allfälliger Rost weicht durch behutsamste Behandlung, die Patina des Alters ist kein Makel, sondern ehrwürdiger Ausweis eines langen Rollerlebens.

Nur Blech zählt hier, kein „Joghurtbecher“
Aber Blech muss es sein. Die seit den 90er Jahren produzierten Kunststoff-Karosserien, von Partikel abschätzig „Joghurtbecher“ genannt, gelten als technikgeschichtlicher Sündenfall und kommen ihm nicht unter die Finger. Rund 20 Stunden pro Woche taucht Partikel hier ab, „nicht mitgerechnet die Stunden, in denen ich von den Maschinen träume“.

Im hintersten Gelass des Kellerreiches prunken dann die Edelstücke der Sammlung, etwa eine Ur-Vespa Typ 98 aus dem Jahr 1947, noch mit Fahrradlenker und Lampe auf dem vorderen Schutzblech. Gleich daneben, urtümlich anzuschauen, eine olivfarbene französische Militär-Vespa von 1956, vorgesehen zum Transport eines 75-mm-Geschützrohres, samt Geschossmagazinen und Fahrerhelm, hier untauglich gemacht, um nicht als Kriegswaffe zu gelten.
Alarmanlage und Videoüberwachung schützen die Schätze
Preziosen aus der Vespa-Frühzeit erzielen in Liebhaberkreisen beachtliche Preise und lassen es Christian Partikel ratsam erscheinen, sein Haus mit Alarmanlage und Videoüberwachung zu sichern. Seine Schätze verkauft er sehr ungern, höchstens dann, wenn sein oft strapaziertes Hobby-Budget einmal wieder unterfüttert werden muss. Ein wenig erinnert er an den antiken Mythos, dem zufolge der Bildhauer Pygmalion sich unrettbar in die von ihm geschaffene Statue verliebte. Wie findet Frau Partikel diese Leidenschaft? „Die Vespas begleiten mich seit Jahrzehnten“, erklärt Partikel schmunzelnd, „meine Frau trat erst später in mein Leben, sie wusste, worauf sie sich einlässt.“

90 Vespisti im Vespa-Freundeskreis
Vor 25 Jahren hat er sich mit Gleichgesinnten zu einem Vespa-Freundeskreis zusammengetan, der inzwischen im Salemertal und weiterer Umgebung auf rund 90 Vespisti, wie die Vespa-Fetischisten sich untereinander nennen, angewachsen ist – aber „ohne Vereinsgedöns“, sagt Christian Partikel. Auch Frauen sind darunter. Nun ist hingebungsvolles Schrauben in der Werkstatt und das gesellige Abhängen im „Hangar“ eine feine Sache, aber zu höchster Form laufen die Rollerfreunde auf, wenn sie auf ihren Rollern unterwegs sind. „Die alten Kisten müssen bewegt werden, damit es keine Standschäden gibt“, weiß Partikel.
Höhepunkt sind die Ausfahrten auf Nebenstrecken
Lustvoll unterwerfen sich die Vespisti diesem technischen Sachzwang. Denn nichts ist – jedenfalls in der wärmeren Jahreszeit – schöner als das gemeinsame Cruisen, das gemütliche Dahingleiten auf Nebenstrecken in schöner Landschaft, das entspannte Runterkommen, wenn das charakteristische Zweitakt-Töff-Töff und der entsprechende Auspuff-Output den Genuss akustisch und olfaktorisch anreichern. Das Gerase und Gedröhn anderer Zweiradkulturen ist den Vespisti gänzlich fremd. Zwar nehmen sie manchmal an Wettfahrten teil, aber das Ziel ist nicht die Platzierung, sondern das schlichte Ankommen; anschließend wird studiert, was andere Vespa-Gangs in Deutschland und Europa so zu bieten haben.
Mit dem Vespa-Feeling der 50er und 60er Jahre können Christian Partikel und die Seinen nichts anfangen. Aber manches von der damaligen Leichtigkeit, Farbigkeit, Zwanglosigkeit, Entschleunigung – vielleicht auch etwas Italianità – hat die Vespa auch in ihr heutiges Leben hinübergerettet.