Salem Wo sich heute die Vereine zum geselligen Beisammensein treffen, drückten sie damals die Schulbank: „Da an der Wand war mindestens fünf Jahre lang mein Platz“, erinnert sich Ferdinand Ziegler, der die Schule in Weildorf ab 1941 besucht hat. Wie rund 20 weitere Interessierte nahm er die Gelegenheit wahr, anlässlich des Tags des offenen Denkmals mehr über die Geschichte der heutigen Musikschule zu erfahren. Gerhard Wachter, Hobbyhistoriker und ehemaliger Ortsreferent, hat über 400 Dokumente gesichtet, um seinem Publikum einen umfassenden Überblick zu geben.
So beginnt Wachter nicht mit dem Bau des Gebäudes ab 1879, sondern mit der Gründung der ersten Schule im beschaulichen Weildorf. „Das geht auf unser Kloster zurück“, spricht er die Einführung einer Werktagsschule durch Abt Stephan Jung im 18. Jahrhundert an. Abt Robert Schlecht habe eine Stiftung ins Leben gerufen, um die Bezahlung der Lehrer zu sichern und bedürftige Schulkinder zu unterstützen. Das erste Schulgebäude war das Haus Ehrmann in der heutigen Franz-Ehret-Straße, das 1793 als Schul- und Mesnerhaus errichtet worden war. Der Bau sei jedoch „sehr unzweckmäßig gemacht worden“, zitiert der Referent zeitgenössische Dokumente: Sowohl die Küche als auch der Abtritt, die Toilette, seien vergessen worden.
Details, gemischt mit Anekdoten
Wachter gelingt es, Detailwissen und Anekdoten im richtigen Verhältnis zu mischen. So berichtet er beispielsweise von der Einführung der Gemeinschaftsschule 1868 – „nicht im heutigen Sinne, sondern konfessionell“ – oder der Weildorfer Gemarkungsgrenze, die auch heute noch durch Stefansfeld verläuft und der Dorfschule weitere Schüler bescherte, was bis zur drohenden Auflösung des Schulstandorts anhielt. „1970 hat man einen Bus gekauft, um die Kinder aus Stefansfeld abzuholen“, benennt der Heimatforscher eine pragmatische Gemeinderatsentscheidung.
Da das Schulhaus mit der Zeit zu klein und baufällig wurde, empfahl der Bezirksrat in Überlingen einen Neubau mit einem Schulsaal für 60 Kinder, einen Saal für 30 Personen für die Industrieschule sowie eine Dienstwohnung für den Lehrer. Dies führte zum einen zur Trennung der bisherigen Schulgemeinschaft mit Leustetten, zum anderen wurde die Trennung von Kirche und Staat in der Namensgebung vollzogen: „Aus dem Schul- und Mesnerhaus wurde das Schul- und Rathaus“, verdeutlicht Gerhard Wachter. Im Jahr 1881 wurde der Schulbetrieb im neuen Gebäude aufgenommen. „Durchschnittlich 50 Schüler wurden hier unterrichtet; die Klassen 5 bis 8 beziehungsweise 9 vormittags, die Klassen 1 bis 4 nachmittags“, so Wachter. Ein Jahr später habe eine Schulvisitation ergeben, dass der Stand der Schule ziemlich gut sei, die Schülerleistungen in Deutsch, Rechnen, Gesang und gemeinnützigen Kenntnissen jedoch weniger, was auf die konfuse und wenig vorbereitete Arbeitsweise des Lehrers zurückzuführen sei. Eine spätere örtliche Prüfung habe jedoch bessere Ergebnisse erbracht.
Prägend war die Zeit des Zweiten Weltkriegs, wie sich Ferdinand Ziegler noch gut erinnert. Von Lehrer Sohm aus Leustetten, den Wachter als überzeugten NS-Mann charakterisiert, weiß Ziegler eine Anekdote zu berichten: „Im Musikunterricht haben wir ein Vierteljahr jeden Tag dasselbe Lied gesungen.“ Sohm habe die Kinder dabei auf seiner alten Geige begleitet. „Entweder hat er nicht mehr spielen können oder ‚Dornröschen‘ war sein Lieblingslied.“ Nachfolger Renatus Asal sei aus dem Elsass versetzt worden: „Als es brenzlig geworden ist, ist der weg“, erzählt Ziegler über das NS-Parteimitglied.
Wie sich der 1934 geborene Weildorfer erinnert, sei der Unterricht zunehmend ausgefallen. Lehrer Scheu, der 1944 übernahm, habe in Radolfzell gewohnt. „Wenn der Zug gekommen ist, hatten wir Schule, wenn nicht, dann nicht“, sagt Ziegler. Da die Räumlichkeiten im letzten Kriegsjahr immer wieder von durchziehenden Soldaten, Kriegsgefangenen und Flüchtlingen belegt waren, habe der Unterricht auf dem Feldweg nach Neufrach stattgefunden – zumindest wenn das Wetter mitspielte. Zunehmende Tieffliegerangriffe sorgten für weitere Unterrichtsausfälle, bis zur kompletten Einstellung: „Dann war halt fertig mit der Schule.“
Auf die Nachkriegszeit blickt Zieglers Schulkamerad Adolf Gundelsweiler differenziert zurück: „Wir haben ein armseliges Leben gehabt, aber wir waren zufrieden.“ Der Vater sei im Krieg geblieben, die Mutter habe es nicht leicht gehabt. Doch schon in ganz jungen Jahren hat er seine spätere Frau kennengelernt: Annette Gundelsweiler ist die Tochter des Lehrers Peter Rebstein, den Wachter als „Glücksfall für die Gemeinde“ bezeichnet. Die Familie lebte von 1947 bis 1964 in der Dienstwohnung im Obergeschoss und die kleine Annette erlebte mitunter schon im Kinderwagen den Unterricht mit, wie Ziegler erzählt. „Das weiß ich nicht mehr“, erwidert Annette Gundelsweiler lachend.
Auf die Schulerweiterung im Jahr 1963, für welche die 400-Seelen-Gemeinde einen Kredit in Höhe von 160.000 Mark aufnahm, folgte laut Gerhard Wachter durch die Bildung von Nachbarschaftsschulen der Kampf um den Schulerhalt. Mit der Gemeindereform 1972 wurde das Bildungszentrum auf den Weg gebracht, zwei Jahre später wurde die Grundschule Weildorf aufgelöst. 1975 fand hier die neu gegründete Musikschule ein Zuhause. Für Ferdinand Ziegler ist die Entwicklung stimmig: „Schön, dass der Schulraum jetzt ein Vereinsraum ist“, meint er. „Es gibt ja keine Wirtschaft mehr.“