Das Aktionsbündnis Grünzug Salem wendet sich mit Nachdruck gegen die Ausweisung eines rund 28 Hektar großen „Vorranggebiets für Industrie und Gewerbe“ zwischen Neufrach und Buggensegel, wie es im Entwurf für den neuen Regionalplan vorgesehen ist.

Noch ist der Entwurf vom Regionalverband nicht beschlossen, noch ist dessen Offenlage nicht endgültig terminiert, im Rahmen derer Stellungnahmen abgegeben werden können. Ungeachtet dessen sorgen sich die Vertreter des örtlichen Bunds für Umwelt- und Naturschutz (BUND), der Fraktion Grüne Offene Liste (GOL) und des Badisch Landwirtschaftlichen Hauptverbands (BLHV) vor vollendeten Tatsachen, wie sie bei ihrer Veranstaltung im Dorfgemeinschaftshaus Beuren deutlich machten.
Bürgermeister stellt sich dem Dialog
Bürgermeister Manfred Härle stellte sich dem Dialog mit den Kritikern und hörte den Benkenträgern aufmerksam zu. Allerdings stellte er der gesetzlichen Planungsverpflichtung beim Regionalverband die bei der Gemeinde verbleibende Planungshoheit gegenüber und verwies auf die Verantwortung gegenüber kommenden Generationen und dem örtlichen Gewerbe. „Was wir am Ende realisieren, liegt in unserer Entscheidungshoheit“, sagte Härle.

„Wenn der Gemeinderat das nicht will, wird es auch nicht bebaut.“ Als Konsequenz aus der Kritik wolle er jedoch bei der gestrigen Sitzung die Vergabe von Gewerbegrundstücken im Einvernehmen mit den Betroffenen „erstmals öffentlich beraten“, um den Bürgern die Problematik vor Augen zu führen.
Die nicht alltägliche Allianz von Naturschützern und Landwirten unterstreicht die konfliktträchtige Gemengelage. Umso mehr baten die Moderatoren Ralf Gagliardi und Ulrike Lenski zu Beginn ihrer Veranstaltung um einen fairen Gedankenaustausch. „Bitte lassen Sie ausreden und respektieren Sie die Meinungen anderer“, wünschte sich Gagliardi von den gut hundert Bürgern. Dass dieser ausdrückliche Appell notwendig sein könnte, darauf hatten schon die offensiven Transparente vor dem Dorfgemeinschaftshaus (DGH) und im Saal einen kleinen Vorgeschmack gegeben. Teilweise schlugen sie einen amüsant, teilweise auch einen aggressiven Ton an. „Grünzug statt Lastzug“, war hier zu lesen oder: „Macht euch vom Acker!“
Vor diesem Hintergrund waren auch die Ausführungen des Sozialpädagogen und Philosophen Wolfgang Himmel von der Translake GmbH zu sehen, der schon zahlreiche Bürgerdialoge begleitete – darunter in Rottweil, in Konstanz und derzeit in Markdorf. Himmel redete einer möglichst frühzeitige Beteiligung oder zumindest Einbindung der Bürger das Wort und ordnete dies auch noch demokratietheoretisch ein. Vorweg hatte der Experte mit einer kurzen Befragung unter anderem demonstriert, dass das ältere Publikum an diesem Tag nicht unbedingt repräsentativ für die gesamte Bürgerschaft sei.

Einen inhaltlich uneingeschränkten Mitstreiter fand das Aktionsbündnis in Padraig Engels, dem Pressesprecher des Badisch Landwirtschaftlichen Hauptverbands (BLHV). Mit wenigen Zahlen machte Engels deutlich, dass beim Thema Flächenverbrauch die ständigen Appelle im Widerspruch zur Realität stünden. Noch immer gingen der Landwirtschaft täglich mehr als acht Hektar verloren, davon seien 92 Prozent fruchtbarer Ackerboden. „Wenn Sie schon etwas bebauen, dann machen Sie es klug und intelligent“, betonte Engels.
Die Planung sei mehr als ein gesetzlich vorgeschriebener Verwaltungsakt, erklärte Ulrike Lenski, aus Sicht der Bürger sei sie auch ein Politikum. „Auch wenn der Regionalverband nur die Bedarfe ermittelt und die Gemeinde selbst später einen Flächennutzungsplan erstellt“, erklärte Lenski. „Dann ist bei einem ausgewiesenen Vorranggebiet später auch mit einem Druck aus dem Umland zu rechnen.“
Bürgerbeteiligung zu spät?
Dass die Bürgerbeteiligung zu spät komme, räumte auch Arnim Eglauer (SPD) ein. „Mir wäre das früher auch lieber gewesen Wir diskutieren heute Dinge, die hätten wir vor Jahren diskutieren sollen.“ Doch der Kritik am künftigen „Unterzentrum“ Salem widersprach Eglauer vehement. Dieses Ziel sei 2009 vom Gemeinderat einstimmig beschlossen worden, um die künftige Infrastruktur zu sichern.
Wieder aufgewärmt wurde der vergangene Streit um das Logistikzentrum der MTU. „Wenn das gebaut worden wäre, hätten wir keine Flächen für das einheimische Gewerbe“, hieß es im Publikum. Auch Manfred Härle räumte am Ende auf Nachfrage ein: „Heute bin auch ich froh, dass das nicht gekommen ist.“ Einen Appell richtete Lehrerin Beate Eckart am Ende an Bürgermeister Härle. „Schauen Sie, dass es keine Spaltung gibt zwischen Landwirtschaft und Wirtschaft, zwischen Umweltschutz und Wirtschaft“, sagte sie. „Binden Sie uns rechtzeitig mit ein. Bitte helfen Sie uns, dass wir rechtzeitig die Bedürfnisse aller Bürger zusammenbringen und die Zukunft gemeinsam nachhaltig gestalten. Ich möchte keine weiteren Gräben in Salem.“
Offenlage wohl Mitte des Jahres
Schon seit vielen Jahren tüftelt der Regionalverband inzwischen an der Fortschreibung des Regionalplans, in dem wichtige Grundlagen der Infrastruktur festgelegt werden. Der aktuell gültige Plan trat 1996 in Kraft, die jetzige Fortschreibung soll Entwicklungen bis 2035 berücksichtigen und damit dem Landesentwicklungsplan als gesetzlicher Vorgabe Rechnung tragen. Der Entwurf wurde von der Verbandsversammlung schon im Juli 2018 in Owingen beschlossen und sollte schon Ende vergangenen Jahres offengelegt werden. Allerdings zieht sich die Einarbeitung einiger Details durch die Verbandsverwaltung länger hin als ursprünglich gedacht.
Konfliktpotenzial gibt es nicht nur in Salem, insbesondere die Planung für den Abbau oberflächennaher Rohstoffe im Dontautal bei Beuron (hochreine Kalke) oder in Oberschwaben bei Leutkirch (Kies) bereitete Kopfzerbrechen und zog lokale Kritik nach sich. Zu Beginn der zweiten Jahreshälfte will der Verband die Planung offenlegen. Erst dann können Einwände geltend gemacht werden – vier Wochen lang die Bürger, acht Wochen die Kommunen. Auf der Tagesordnung für die Versammlung am 12. April steht das Thema allerdings noch nicht.