„Wir haben uns auf Clownerie eingestellt, nun gibt‘s den Tiger“, erklärt Simone Fahr, Grundschullehrerin in Bermatingen. Mit ihren Schülern wartet sie auf den Einlass in den großen Saal der Stadthalle. Dort hätten eigentlich Helga Jud und Manfred Unterluggauer als Clownduo „Herbert und Mimi“ den Auftakt des ersten Markdorfer Kindertheater-Festivals bilden sollen. Doch daraus wurde krankheitsbedingt nichts. Statt Clownerien gibt es Figurentheater mit und von Virginia und Stefan Maatz vom Theater con Cuore aus Schlitz bei Fulda.

Virginia und Stefan Maatz vom Theater con Cuore mit ihren Handpuppen.
Virginia und Stefan Maatz vom Theater con Cuore mit ihren Handpuppen. | Bild: Jörg Büsche

Rollenwechsel für Grundschüler

Grundschullehrerin Fahr klingt, als würde sie sich auf das Figurentheater genau so freuen wie auf das abgesagte Clowntheater. Der Grund: Sie weiß um die Wichtigkeit von Theaterbesuchen für Kinder. „Bei der Einschulung haben die Schüler selbst ein Stück für die Erstklässler aufgeführt.“ Nun wechselten sie die Rollen. Sie würden selbst zu Zuschauern, gewännen so neue Eindrücke, sähen, wie Profis auftreten.

Grundschullehrerin Simone Fahr hält die Theatererfahrung für Kinder wichtig.
Grundschullehrerin Simone Fahr hält die Theatererfahrung für Kinder wichtig. | Bild: Jörg Büsche

„Schönes Wetter, Juhu!“ ruft der Tiger

Als die Aufführung startet, dauert es keine 15 Sekunden, bis ein erstes lautes Lachen zu hören war. Trotz der beiden Personen auf der Bühne, die zunächst ausgesprochen finster, ja abweisend streng drein schauten – in ihren grauen Uniformen. Und beide erzählten anfangs in übertrieben nüchternem Tonfall von der kleinen, sehr ordentlichen Stadt, dem Ort des weiteren Geschehens. Häuser, Autos, Straßen in gedeckten Farben bilden die Kulisse, vor denen sich ein Papier-Nashorn mit einer Papier-Elefantin trafen und Belangloses reden. Komik kommt auf, sobald der Tiger auftaucht – aus Karton auch er, aber ausgesprochen ausgelassen, sich am schönen Wetter freuend – „Juhu!“

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Volle Halle, tolles Programm

„400 Kinder sind es heute, davon 165 allein aus Bermatingen“, sagt Christiane Oßwald, die beim Organisieren hilft und erstaunt ist über den Andrang. Die Klassen stehen geduldig Schlange, um zunächst ihre Taschen und Jacken im Stadthallen-Nebenzimmer abzulegen und dann in die Halle zu gehen. Christiane Oßwald, selbst Lehrerin, berichtet vom großen Interesse von Kindergärten und Schulen an den Inszenierungen. Sie lobt Organisator Claudius Beck. Ihm sei das kleine Kunststück gelungen, das Figurentheater-Duo con Cuore, die eigentlich erst am Mittwoch auftreten sollen, auch kurzfristig für den Auftakttag des Theaterfestivals zu buchen.

Vor dem Theatervergnügen heißt es Schlange stehen.
Vor dem Theatervergnügen heißt es Schlange stehen. | Bild: Jörg Büsche
Akteure hinter den Kulissen (von links): Veranstalter Claudius Beck, Selma Chryssowergis und Christiane Oßwald.
Akteure hinter den Kulissen (von links): Veranstalter Claudius Beck, Selma Chryssowergis und Christiane Oßwald. | Bild: Jörg Büsche

Kleine Anspielungen für Erwachsene

Das Auftakt-Lachen der ersten Sekunden sollte sich noch steigern. Wenn etwa der Tiger der Kaffee-Einladung von Frau Elefant folgt. Wenn er mehr und mehr zu seiner Wildheit findet. Hier seine überaus spießigen Gegenüber: Herr Nashorn und Frau Elefant, die furchtbar erschrecken, wenn dem Tiger ein kleiner Brüller entfährt – „Roaaarrrr!“ Der Tiger heißt übrigens Tom und Frau Elefant mit Vornamen Delilah, wie sich später herausstellt.

„Ja, das sind unsere keinen Anspielungen“, erklärt Schau- und Puppenspielerin Virginia Maatz nach der Vorstellung. Anspielungen, die das Duo für die Erwachsenen im Publikum ins Stück einflicht. Anspielungen auf das Lied „Delilah“ von Tom Jones. Virginia Maatz merkt noch an: „Ganz schön voll hier heute“. Ihre Sorge war, dass in den letzten Reihen die Details gar nicht mehr erkennen können. Zum Beispiel den Kopfhörer, den Tiger Tom am Ende des Stücks trägt, damit sein Steppenwolf-„Born-to-Be-Wild“ nicht die Nachbarschaft stört.

„Ich war schon ganz oft im Theater. Mit hat besonders gefallen, als die Kinder auf dem Rücken vom Nashorn sitzen durften.“ ...
„Ich war schon ganz oft im Theater. Mit hat besonders gefallen, als die Kinder auf dem Rücken vom Nashorn sitzen durften.“ Anelie, 9 Jahre | Bild: Jörg Büsche
„Der Tiger war spannend. Am besten hat er mir mit Sonnenbrille gefallen.“ Cornelius, 8 Jahre
„Der Tiger war spannend. Am besten hat er mir mit Sonnenbrille gefallen.“ Cornelius, 8 Jahre | Bild: Jörg Büsche
„Ich fand‘s toll, als der Tiger in die Wildnis gegangen ist.“ Benedikt, 8 Jahre
„Ich fand‘s toll, als der Tiger in die Wildnis gegangen ist.“ Benedikt, 8 Jahre | Bild: Jörg Büsche
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Kommt Zeit, kommt Begeisterung

Lehrerin Ina Rieck berichtet nach dem Stück, dass ihre Viertklässler eine Weile gebraucht hätten. Doch dann war die Begeisterung für das Puppenspiel um so größer. Was der lang anhaltende und durch heftiges Trampeln verstärkte Beifall wohl eindrücklich bestätigt. Auch anderen kleinen Besuchern hat es gefallen, wie etwa dem achtjährigen Benedikt. „Ich fand‘s toll, als der Tiger in die Wildnis gegangen ist“, so der Schüler. Der achtjährige Cornelius sagt: „Der Tiger war spannend. Am besten hat er mir mit Sonnenbrille gefallen.“ Und der neunjährigen Anelie, die schon öfters im Theater war, hat besonders gefallen, als die Kinder auf dem Rücken vom Nashorn sitzen durften.

Im Verlauf des Stücks haben sich auch Ina Riecks Viertklässler für die Inszenierung begeistert.
Im Verlauf des Stücks haben sich auch Ina Riecks Viertklässler für die Inszenierung begeistert. | Bild: Jörg Büsche

Christiane Oßwalds Urteil: „Unglaublich, wie differenziert und wandlungsfähig die Figuren im Stück dargestellt wurden – das hat mich wirklich beeindruckt.“ Bürgermeister Georg Riedmann hatte von Anfang kein Zweifel am Erfolg des Stücks. „Ich wusste: es wird großartig, weil ich die Arbeit von Claudius Beck kenne.“