Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir hat sich am Samstag in Ailingen auf dem Obsthof der Familie Haas mit Vertretern des Obst- und Hopfenanbaus sowie der Kreisbauernverbände Tettnang und Stockach getroffen. Im Mittelpunkt der Gespräche standen die Sorgen der Landwirte rund um eine geplante EU-Verordnung zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln. Demnach sollen der Einsatz und das Risiko von Pestiziden bis 2030 halbiert werden.
Deutlich schilderte Lukas Haas, was die Obstbauern in der Region umtreibt: „Wir Hofnachfolger stehen in den Startlöchern, aber es ist unvorstellbar, auf jeglichen Pflanzenschutz zu verzichten.“ Unter solchen Bedingungen würden er und seine jungen Kollegen keine Perspektive für die Zukunft sehen. Vielmehr würde diese EU-Verordnung das Aus für die heimische Obstproduktion bedeuten. Sein Appell an den Bundeslandwirtschaftsminister: „Herr Özdemir, wir brauchen Ihre Unterstützung.“
Dieter Mainberger, Kreisvorsitzender des Bauernverbands Tettnang, zitierte Cem Özdemir: „Krisenfeste Landwirtschaft braucht eine verlässliche Perspektive.“ Damit sei eigentlich alles gesagt. Nun wolle die EU weitere Verschärfungen für den Berufsstand. „Wir haben in Baden-Württemberg aber bereits Lösungen, die auf Kooperation statt auf Verbote setzen. Hier darf der Bogen nicht überspannt werden“, forderte Mainberger. Gegen reduzierten Pflanzenschutz sei nichts einzuwenden. „Aber nur so, damit wir die vom Verbraucher gewünschte Qualität erzeugen können.“

Özdemir betonte, das Ziel der EU-Verordnung – Schutz der Biodiversität – stehe nicht zur Disposition. „Aber über den Weg müssen wir reden.“ In Brüssel habe er drei Aspekte vorgebracht: das Referenzjahr, den Blick auf die Gebietskulisse und bürokratiearme Umsetzung. So könne es nicht sein, dass jene Landwirte, die den Einsatz von Pestiziden bereits reduziert hätten, nachträglich bestraft würden. „Beide Seiten müssen sich mit Maß und Mitte aufeinander zubewegen.“ Zu seinen Forderungen in Brüssel gehöre auch die Herkunftskennzeichnung für die gesamte Produktpalette. Aber seine Geduld sei nicht unendlich, so Özdemir. Passiere 2023 nichts in Brüssel, werde es eine nationale Lösung geben. Die Verbraucher möchte Özdemir jedoch auch nicht aus der Verantwortung entlassen: „Bei Umfragen wollen viele artgerecht gehaltene Tiere und Regionalität. Das steht manchmal im Widerspruch mit dem tatsächlichen Einkauf.“ Wichtig sei ihm die vernünftige Zusammenarbeit: „Klimaschutz, Biodiversität und Landwirtschaft sind kein Widerspruch, sondern sie bedingen einander.“
Äpfel aus Chile im Discounter
Die Sorgen der Landwirte wurden in der Diskussionsrunde deutlich. Obstbauer Robert Bischof aus Oberteuringen berichtete, er habe seinen Betrieb in den vergangenen Jahren bereits auf reduzierten Pflanzenschutz eingestellt. „Ich frage mich, wie ich weitere 30 Prozent schaffen soll?“ Jens Stechmann, Vorsitzender Bundesfachgruppe Obstbau, klagte, es sei ein Unding, dass Discounter Äpfel aus Chile bewerben. Mit Blick auf den Mindestlohn befürchtet er, dass in Deutschland nicht alle Äpfel geerntet werden können. „Wir brauchen die Unterstützung der Politik.“
Dass sich die Bauern in Zusammenarbeit mit Naturschützern, Imkern und Wissenschaftlern weiterentwickeln, zeigte Thomas Heilig, Vorsitzender der Obstregion Bodensee, auf. „Zwischen 2010 und 2017 konnten wir die Wildbienenarten von 56 auf 117 erhöhen.“ 2019 sei die Obstregion mit dem Wildbienenaward ausgezeichnet worden. Ziel sei, den Obstbau noch nachhaltiger zu machen, das heißt, ein System zu entwickeln, das mit weniger Pflanzenschutz auskomme.