Friedrichshafen – Intensive Landwirtschaft in den Außenbereichen, dichter werdende Bebauung in den Wohnquartieren und artenarme Grünanlagen oder Gärten sind Gründe, weshalb Wildtiere, Vögel und Insekten nur noch wenig Lebensraum und Nahrungsquellen finden. Die Stadt Friedrichshafen bemüht sich seit 2011 diesem landesweiten Trend mit einem Programm für biologische Vielfalt in der Landwirtschaft etwas entgegenzusetzen. 2017 wurden die Fördersätze für die Pflege von Streuobstbäumen erhöht und mit der Förderung extensiver Grünlandnutzung begonnen. Im kommenden Jahr soll außerdem ein Förderprogramm für naturnahe Außenanlagen und Privatgärten aufgelegt werden.
Mit Hochstämmen bepflanzte Obstwiesen sind die traditionelle Form des hiesigen Obstbaus und ein wichtiger Bestandteil der Kulturlandschaft am See. Bei richtiger Bewirtschaftung sind sie artenreich und ökologisch ausgesprochen wertvoll. 144 Hektar Streuobstwiesen gebe es noch auf dem Stadtgebiet, berichtet Tillmann Stottele, der Leiter des städtischen Amtes für Umwelt- und Naturschutz. 37 Hektar werden derzeit insgesamt im Rahmen des städtischen Programms gefördert.

Der größte Teil dieser Obstwiesen gehört Haupt- oder Nebenerwerbslandwirten. "Einige Projekt-Teilnehmer bewirtschaften die Obstwiesen auch als Ausgleich zum Beruf und stellen aus dem Obst besonders aromatische Säfte oder Brände her", erzählt Stottele. Einige hätten auch eine Streuobstwiese von der Stadt gepachtet. Friedrichshafen besitzt davon insgesamt 20 Hektar. "Ziel des Förderprogramms ist, große zusammenhängende Flächen für die Natur aufzuwerten. Dabei sind auch kleine und mittlere Flächen als Verbundelemente wichtig", erklärt Stottele. Deshalb wäre es schön, wenn künftig noch mehr Besitzer von Streuobstwiesen am Programm teilnehmen, oder auch Besitzer von Flächen, auf denen Hochstämme gepflanzt werden könnten. Die Pflege bestehender Hochstämme unterstützt die Stadt ebenso, wie die Pflanzung neuer. "In diesem Jahr wurden bereits 101 Bäume bestellt", berichtet Stottele. Insgesamt wurden im Rahmen des Programms bis jetzt 459 Hochstämme neu gepflanzt, 1518 Bäume sind insgesamt in Pflege.
"Jetzt haben wir den Blick auch aufs Grünland unter den Bäumen gelenkt", erklärt Stottele eine Weiterentwicklung des Obstwiesen-Programms. Erhebungen auf städtischen Streuobstwiesen hätten nämlich ergeben, dass das Grünland bis auf wenige Ausnahmen mit weniger als 20 Arten pro Quadratmeter als artenarm einzustufen sei. Woran das liegt? Es würden zu oft sogenannte Mulchschnitte durchgeführt, erklärt Manuela Hänsch, die das Projekt betreut. Bei zu häufigem Mähen können aber die Samen vieler blühender Pflanzen nicht ausreifen. Für mehr Artenvielfalt auf den Wiesen fördert die Stadt seit 2017 auch die extensive Grünlandnutzung. Elf entsprechende Anträge habe das Amt bereits bewilligt. Wird aus einer artenarmen Wiese durch extensive Bewirtschaftung eine artenreiche, steigt die Fördersumme.

2018 soll das Förderprogramm auf Grünanlagen, etwa im Außengelände von Firmen und auf private Gärten ausgeweitet werden. Leider gehe die Zahl der naturnahen Gärten ständig zurück, bedauert Stottele. Dafür seien kurz gehaltene Rasenflächen, Kiesschüttungen oder Thuja-Hecken mit sehr geringem ökologischem Wert auf dem Vormarsch. "Die Anregung zur Ausweitung des Programms kam aus dem Umweltausschuss des Gemeinderats", erklärt Tillmann Stottele.
Im Dezember will er dem Gemeinderat das dazu erarbeitete Konzept präsentieren. Es solle eine Mischung aus Beratung, zur Verfügung stellen von Saatgut, Pflanzen und Nistkästen sowie geldwerten Zuschüssen werden. "Wenn der Gemeinderat zustimmt und die nötigen Mittel bereitstellt, können wir die Details klären und hoffentlich schon in Frühjahr 2018 starten."

Was kann von der Stadt gefördert werden?
Wer Fördermittel von der Stadt für die Pflege einer Streuobstwiese beantragen möchte, sollte sich beim Amt für Umwelt und Naturschutz melden. Bei einem Vorort-Termin mit Beratung durch Manuela Hänsch wird geklärt, welche Art von Förderung infrage kommt. Sie unterstützt auch beim Ausfüllen des Förderantrags. Nachfolgend die Fördermöglichkeiten:
- Baumpflege: Der fachgerechte Schnitt von Obstbäumen auf Streuobstwiesen kann je nach Größe und Zustand des Baumes mit 15 bis 100 Euro pro Baum gefördert werden.
- Pflanzung von Obsthochstämmen: Die Stadt stellt auf Antrag im Herbst Hochstämme zur Pflanzung auf Streuobstwiesen oder an Wegen zur Verfügung.
- Extensive Grünlandnutzung: Wird das Grünland auf Streuobstwiesen extensiv bewirtschaftet, fördert die Stadt dies je nach Artenreichtum mit 400 bis 600 Euro pro Hektar und Jahr.
- Weitere Maßnahmen: Auch für die Anlage von Blühstreifen in Obstanlagen, die Schaffung von Hecken aus heimischen Sträuchern, das Anlegen von Kleingewässern oder Aufstellen von Insektenhotels oder Projekte im Bereich der solidarischen Landwirtschaft sind Zuschüsse möglich.
- Bildung: Schnittkurse können ebenso gefördert werden, wie die Ausbildung zum Obstfachwart, bürgerschaftliche Initiativen sowie Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit im Zusammenhang mit dem Naturschutz.
- Vermarktung: Auch die lokale Vermarktung von Streuobst und daraus hergestellten Produkten ist eine Förderung möglich.