Was haben ein Schreibtischstuhl mit gleich mitgelieferten Ersatzteilen, Fairtrade-Kaffee oder Lederbälle aus Indien mit den großen Klima- und Nachhaltigkeitszielen der Welt zu tun? Jede Menge, würde Anne Gehrmann sicher antworten. Die 31-jährige Politikwissenschaftlerin ist seit Jahresbeginn Koordinatorin für Kommunale Entwicklungspolitik in Frickingen. Will heißen, sie ist dafür zuständig, Nachhaltigkeit in der Kommune und darüber hinaus voranzutreiben, zu koordinieren und in den Köpfen der Menschen zu verankern.
Weil nachhaltige kommunale Entwicklung in Frickingen schon seit vielen Jahren eine große Rolle spielt, will sie dem Erreichten quasi einen zusätzlichen Schub verpassen. Grundlage für ihr Tun ist die Agenda 2030 mit ihren 17 globalen Zielen wie bezahlbare, saubere Energie, hochwertige Bildung oder nachhaltigen Städten und Gemeinden. Im Jahr 2015 von der Weltgemeinschaft festgelegt, sollen die Ziele für eine sozial, wirtschaftlich und ökologisch nachhaltige Entwicklung auf der lokalen Ebene ankommen.
Bürgerbeteiligung zur Nachhaltigkeit
Gehrmann wird demzufolge einen Bürgerbeteiligungsprozess begleiten. Dabei sollen Ideen gesammelt und erste Projekte umgesetzt werden. Gehrmann fungiert auch als Anlaufstelle für interessierte Bürgerinnen und Bürger und will sie mit Informationen rund um das Nachhaltigkeitsthema versorgen. Neben dem Knüpfen eines Netzwerks durch viele Gespräche mit Vereinen und Institutionen hat die Nachhaltigkeitsbeauftragte damit begonnen, die von den Mitgliedstaaten Vereinter Nationen aufgestellten Ziele im Amtsblatt vorzustellen.
Gehrmann zeichnet ferner verantwortlich, in der Frickinger Verwaltung nachhaltige Beschaffung einzuführen. Als Beispiel nennt sie eben jenen Bürostuhl, der gleich mit Ersatzteilen geliefert wird. Der Stuhl ist so kein Wegwerfmodell, sondern kann in jedem Fall repariert und dauerhaft genutzt werden. Eine ihrer ersten Amtshandlungen sei es gewesen, die Kaffeemaschine in der Verwaltungsküche mit nachhaltig produziertem Fairtrade-Kaffee zu bestücken, erzählt sie.
Auch Kinder mit ins Boot holen
Darauf angesprochen, wie sie nicht nur Erwachsene, sondern auch Kinder mit ins Nachhaltigkeits-Boot holen kann, fallen der Politologin verschiedenste Ansätze ein. Zum Beispiel könne mit ihnen erarbeitet werden, was auf dem Frühstückstisch steht, das nicht in Deutschland produziert, sondern von weit her transportiert werden muss. Auch ein Bewusstsein für Kinderarbeit, wie bei Lederbällen aus Indien oft der Fall, könne mit ihnen thematisiert werden. Bei Jugendlichen sei sicher der Themenbereich Fair Fashion (fair produzierte Mode) von Interesse. Gehrmann betont, sie wolle die Prozesse nur anstoßen, für die inhaltliche Ausarbeitung solle auf das Fachwissen der jeweiligen Pädagogen zurückgegriffen werden. Sie kann sich vorstellen, Workshops anzubieten für Erzieher und Lehrer.
Blick auf Gewerbe und Handel richten
Zusammen mit dem Wirtschaftsrat überlegt sie, wo nachhaltiges Wirtschaften eine Rolle spielen könnte im Gewerbe und Handel. Mit dem Energieteam saß sie schon zusammen, um zukünftige Nachhaltigkeitsprojekte zu entwickeln. Sie sucht nach Anknüpfungspunkten in allen Lebensbereichen. Dabei will sie keineswegs mit erhobenem Zeigefinger unterwegs sein. Vielmehr möchte sie die Menschen vor Ort abholen und in den Entwicklungsprozess mit hineinholen.
Am Anfang stehe eine Bestandsaufnahme, in welchen der „Sustainable Development Goals“ der Agenda 2030 Frickingen bereits gut dasteht und, wo nachgebessert werden muss. Wenn ein entsprechender „Nachhaltigkeitsbericht“ steht, schwebt Gehrmann eine Bürgerversammlung vor. Gemeinsam sollen Ideen gesammelt und Schwerpunkte gesetzt werden.
Über den Frickinger Findungsprozess hinaus, steht in Gehrmanns zunächst auf zwei Jahre befristeten Stellenbeschreibung noch der „Aufbau einer Partnerschaft mit einer Kommune des globalen Südens“. Ihre Auslanderfahrungen unter anderem als Flüchtlingsbeauftragte sollen ihr dabei hilfreich sein. „Die Gemeinde bei einer nachhaltigen Kommunalentwicklung zu begleiten, heißt für mich daher auch, bei der Erhaltung der Lebensgrundlage für die nächste Generation die globale Verantwortung mit zu berücksichtigen“, sagt Gehrmann mit Blick auf die Verbindung in die Entwicklungsländer.
Ihre Stelle wird durch Engagement Global mit ihrer Servicestelle „Kommunen in der Einen Welt“ gefördert. Die finanziellen Mittel stammen aus dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.