Grabungen auf der Lenensburg bei Kressbronn bestätigen einer Mitteilung des Regierungspräsidiums (RP) Stuttgart zufolge eine seit 1913 geäußerte Vermutung: Die Höhensiedlung war befestigt. Zudem wurden zahlreiche Funde wie Keramik und Bronzeschmuck zutage gefördert, heißt es weiter. Die Forschungen sollen fortgesetzt werden, um die Geschichte dieser „strategisch bedeutenden“ Höhensiedlung weiterzuerkunden.
Erste Ausgrabungen im Jahr 1913
Die auf 501 Meter über dem Meeresspiegel liegende Lenensburg, auch Lehnensburg genannt, bei Kressbronn rückte der Mitteilung aus Stuttgart zufolge zum ersten Mal Anfang des 20. Jahrhunderts in den Fokus der Erforschung der frühen Eisenzeit (8. bis 5. Jahrhundert vor Christus) in Südwestdeutschland. 1913 führte der Archäologe Gerhard Bersu dort erste Ausgrabungen durch.
Prädestiniert durch ihre Lage, galt es herauszufinden, ob es sich bei der Lenensburg um eine befestigte Höhensiedlung handelte und in welche Epoche die obertägig gut sichtbaren Reste von Wällen und Befestigungsgräben gehören. Die Ergebnisse Bersus erbrachten neben einem möglichen Grubenhaus auch eine Doppelpfostenkonstruktion, die er als Randbefestigung der frühkeltischen Zeit des 8. bis 5. Jahrhunderts vor Christus interpretierte.

Obwohl die Ausgrabungen Bersus viele Fragen offenließen, kehrte die Lenensburg anschließend für 112 Jahre wieder in ihren archäologischen Dornröschenschlaf zurück, schreibt das RP weiter. Erst in den vergangenen Jahren vom Landesamt für Denkmalpflege (LAD) im RP Stuttgart vorgenommene großräumige archäologische Untersuchungen im Zusammenhang mit dem frühkeltischen Fürstensitz Heuneburg an der oberen Donau (Herbertingen-Hundersingen, Landkreis Sigmaringen) rückten die Lenensburg erneut in den Fokus der Forschung.
Laut Dirk Krausse, der die Forschungen des LAD federführend leitet, soll mit den neuen Grabungen vor allem geklärt werden, wann die Lenensburg ihre heutige Gestalt erhielt. Hierzu wurden in der archäologischen Forschung bisher kontroverse Thesen vertreten, wobei einerseits eine Entstehung schon in frühkeltischer Zeit, andererseits eine Erbauung erst im Mittelalter diskutiert wurden.
Fundstücke lassen auf späte Hallstattzeit schließen
Bei den in diesem Sommer vorgenommenen Ausgrabungen des LAD in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für Archäologie in Baden-Württemberg bestätigten sich die Forschungen Gerhard Bersus zur hallstattzeitlichen Besiedlung des Plateaus in Form von Gruben und Pfostengruben. Zahlreiche Fundobjekte wie rotgrundige und riefenverzierte Keramik sowie sogenannte Schlangenfibeln weisen diese eindeutig in die späte Hallstattzeit aus.
Auch die vermutete Befestigungsanlage konnte nach ersten Erkenntnissen im archäologischen Befund nachgewiesen werden. Ob diese einem Brand zum Opfer fiel, wie zahlreiche Holzkohlen sowie Brandplatten vermuten lassen, wird sich erst nach der wissenschaftlichen Auswertung der Grabungsergebnisse zeigen. Auch die Frage, ob ein solcher Brand mit einem kriegerischen Ereignis oder einem Unfall zu erklären ist, kann zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht beantwortet werden.
Zwischen Bodensee, Federseebecken und Heuneburg
Von besonderem Interesse ist auch die verkehrsgeografische Lage der Lenensburg oberhalb der Argen sowie zwischen dem Bodensee, dem Federseebecken und der Heuneburg. „Diese günstige Lage dürfte eine wichtige Rolle bei der Auswahl der Lenensburg als Standort für eine hallstattzeitliche Befestigungsanlage gespielt haben“, schreibt das RP Stuttgart. Wie Krausse betont, kontrollierte die Lenensburg in frühkeltischer Zeit einerseits die Verbindung über Argen, Aitrach und Iller zur Donau, andererseits den uralten, in prähistorischer Zeit in weiten Abschnitten schiffbaren Verkehrsweg über die Schussen und das Federseebecken zu den überregional bedeutsamen frühkeltischen Siedlungszentren auf dem Bussen und an der Heuneburg.

Alle bei der Grabungskampagne geborgenen Funde gehören der frühkeltischen Zeit an. Objekte aus dem Mittelalter wurden dagegen nicht entdeckt. Dies bestätigt dem RP zufolge die These, dass die Lenensburg bereits von den frühen Kelten besiedelt und befestigt worden war.
Mittelalterliche Nutzung nicht auszuschließen
„Allerdings sollte eine sekundäre mittelalterliche Nutzung als Burg nicht vorschnell ausgeschlossen werden, denn die aktuellen Grabungen beschränkten sich auf das Hauptplateau, die sogenannte Hauptburg“, heißt es weiter. Die Frage, ob die von dieser mit einem tiefen Befestigungsgraben getrennte Vorburg ebenfalls schon in frühkeltischer Zeit entstand, bleibt hingegen offen. Da hier weiterhin Forschungs- und Ausgrabungsbedarf besteht, wird das LAD die Forschungen und Grabungen fortsetzen.