25 Jahre Kellerei im Weingut Dilger, die Eröffnung der Besenwirtschaft nach Corona und zwei neue Weinsorten: Drei Gründe für den Bermatinger Winzer Mathias Dilger und seine Familie zum Feiern und für einen Rückblick.

Seit 1595 ist das Weingut im Besitz der Familie

Tradition verdient hier wirklich das Wort: Seit 1595 ist das Weingut im Besitz der Familie, aber bevor Mathias Dilger begann, den Wein selbst auszubauen, hatte Vater Konrad die produzierten Trauben zur Weiterverarbeitung verkauft. Den Sohn hatte es dann gepackt und er den Schritt gewagt: Nach seinem ersten Lehrjahr auf dem Engelhof in Hohentengen, und den weiteren beim Markgrafen von Baden unter Lehrmeister Herbert Senft absolvierte er die Prüfung zum Winzermeister und machte sich gleich selbständig: „Mich hat nicht nur die Produktion interessiert, sondern auch die Weiterverarbeitung. Ich wollte das Produkt fertig veredeln.“

Sylvia, Sophia und Mathias Dilger mit und vor den oft prämierten Weinen.
Sylvia, Sophia und Mathias Dilger mit und vor den oft prämierten Weinen. | Bild: Christiane Keutner

Er gab Vollgas und mit ihm die Familie: Onkel, Brüder packten mit an und funktionierten 1998 das Landwirtschaftsgebäude zur Kellerei um. Im gleichen Jahr verarbeitete Mathias Dilger die ersten Trauben. Von Anfang an setzte er dabei auf Edelstahltanks. Ihn störte der „Muff“ von Holz- oder Kunststoff-Fässern: „Edelstahltanks kann man mit Dampf reinigen, Polyester gast bei zuviel Dampf aus und das riecht dann nach Styrolton, wie beim Bootsbauer. Der Geruch würde in den Wein übergehen. Preislich sind die Edelstahlbehälter zwar teurer, aber beständig. Meine sehen nach all den Jahren und der Pflege noch neuwertig aus.“

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Die Umstellung vom 100-er oder 500-Liter-Fass auf die großen Tanks mit über 2000 Litern Fassungsvermögen war schon eine erste Herausforderung. Aber er hatte ein Quäntchen Glück und gute Begleitung: Karl Sonntag, ehemaliger Kellermeister in Hagnau, fand es gut, dass sich ein Nachwuchswinzer fand und bot Mathias Dilger seine Unterstützung an, als er Rentner war. Auch der gute Kontakt zu Herbert Senft, ehemaliger Kellermeister beim Markgrafen und bei der Winzergenossenschaft Hagnau, riss nicht ab. „Ich hatte zwei gute Lehrmeister und dann bin ich einfach gestartet.“

Ein Schluck gefällig? Der damals zwölfjährige Benjamin Dilger schenkte bei der Weinwanderung, organisiert vom Touristischen ...
Ein Schluck gefällig? Der damals zwölfjährige Benjamin Dilger schenkte bei der Weinwanderung, organisiert vom Touristischen Arbeitskreis, am Dilgerschen Stand zuvorkommend Wein zur Verkostung aus. | Bild: Christiane Keutner

Das Interesse bei der ersten Hofweinpräsentation war groß. Viele waren neugierig zu erfahren, „was der da macht“. Im November schenkte er den Müller-Thurgau aus, im Frühjahr darauf Kerner, Müller-Thurgau, Spätburgunder Weißherbst und die Spätburgunder Rotweine. „Damals gab es noch nicht das Sortenspektrum wie heute.“

Wie Dilger beim Anbau auf die Zukunft setzt

Betrieb und Fläche wuchsen im Laufe der Jahre durch Zukauf und Pacht von 5,5 auf rund zehn Hektar. Sorten wie der Bacchus kamen dazu, Secco und Sekt im Champagnerverfahren, der „Frischling“, der erste Müller-Thurgau- und Kerner-Cuvée – und vor rund einem Dutzend Jahren die erste pilzresistente Sorte Johanniter. Dieser Start war „ein bissle holprig“, das Kaufverhalten zunächst verhalten, der Wein erklärungsbedürftig, weil man die Sorte nicht kannte. „Mittlerweile steigt die Nachfrage nach solchen Weinen, weil man hierfür nur drei statt neun bis zehn Spritzungen, manchmal sogar zwölf braucht. In den pilzresistenen Sorten sehe ich auch die Zukunft, eher als in Bioweinen, den ich nicht verdamme. Aber auch die Bioweine benötigen Pflanzenschutzmittel und bis 2030 muss der Pflanzenschutz zu 30 Prozent reduziert werden. Dazu kommt der Dieselausstoß, wenn man durch den Weinberg fährt.“ Hier setzt Mathias Dilger auf dicke Reifen, die den Boden schonen, und auf einen abgasarmen Trecker. „Umweltschutz beginnt schon mit der Technik.“

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Neue Sorten werden im nächsten Jahr geerntet

Konnten die pilzresistenten Sorten anfangs geschmacklich nicht mit den konventionellen mithalten, nähern sie sich zunehmend in Dichte und Fülle. Dass der Johanniter zunehmend gefragt ist, hat Dilger dazu bewogen, weitere pilzresistente Sorten anzubauen: 2019 den Calardis Blanc, der im Institut für Rebenzüchtung im Geilweierhof/Pfalz gezüchtet wurde. Die Sorte musste er nur zweimal spritzen, selbst 2021, als es so nass war. Die dritte pilzresistente Rebe ist „Souvignier gris“, ein Grauburgunder-Ersatz. 2022 werden die Weinstöcke die ersten Trauben tragen, der Wein kann dann im Frühjahr 2023 probiert werden. Zwar sind die Neuzüchtungen empfohlen worden, doch auf jedem Boden kommen sie anders zur Geltung. Umso schwerer und fülliger die Erde, umso mehr Mineralität hat man im Glas. Und im Laufe der Jahre verändert sich auch die Rebe, wird fülliger. Mit dem ersten Ergebnis ist der Winzermeister aber „mehr als zufrieden“.

Die drei Resistenten (von links): der Calardis Blanc, der „Graue Star“ und der Johanniter.
Die drei Resistenten (von links): der Calardis Blanc, der „Graue Star“ und der Johanniter. | Bild: Christiane Keutner

Auch Kundenwünschen musste er im vergangenen Vierteljahrhundert gerecht werden; Resonanz erhält er im Weinverkauf und auf dem Weinfest in Meersburg, wo er und seine Weine präsent sind. Derzeit süffeln die meisten am liebsten einen Rosé sowie eher fruchtige Weißweine. Der Rote muss normal fruchtig und trocken sein. Bis der Wein in der Flasche ist, muss viel Arbeit investiert werden. Im Außenbetrieb arbeitet Dilger mit langjährig treuen polnischen Aushilfskräften und mit Maschinen; ohne die gehe es nicht. Und ohne Gespür und Entscheidungskraft auch nicht. Wie 2021: Wie im Dschungel wucherten die Blätter während des nassen Sommers, die Infektionsgefahr war groß und hätte er nicht vorzeitig „volle Pulle“ entblättert, wäre eine Infektion nicht mehr einzudämmen, die Ernte dahin gewesen.

Nur alle sieben Jahre führt eine Untergruppe des Narrenvereins Nonnenhorn den Schäfflertanz auf, dessen Ursprung auf die Fassbauer, auch ...
Nur alle sieben Jahre führt eine Untergruppe des Narrenvereins Nonnenhorn den Schäfflertanz auf, dessen Ursprung auf die Fassbauer, auch Schäffler genannt, zurückgeht. Das letzte Mal war beim Torkelfest 2019. | Bild: Christiane Keutner

Traditionsstatus hat auch das Torkelfest: Als die Gemeinde den alten Torkel, eine von nur 13 im Bodenseeraum erhaltene Weinpresse aus dem Mittelalter, auf seinem Gelände errichtet und bei dessen Einweihung selbst gewirtet hatte, hatte der Musikverein blitzschnell reagiert und die Eltern Konrad und Klara wegen eines jährlichen Torkelfests angefragt.

Bei der Weinwanderung vor dem Torkelfest gab es Erklärungen zu Geschichte und Anbau und natürlich Wein- und Secco-Proben, die ...
Bei der Weinwanderung vor dem Torkelfest gab es Erklärungen zu Geschichte und Anbau und natürlich Wein- und Secco-Proben, die Winzermeister Mathias Dilger (rechts mit Bürgermeister Martin Rupp und Barbara Raeder vom Touristischen Arbeitskreis) erklärte. | Bild: Christiane Keutner

Seither strömen die Besucher aus allen Richtungen in den idyllischen, von Sylvia Dilger mit berauschendem Blumenschmuck verschönerten Innenhof. Gefragt sind dann auch die Kellereiführungen mit den fundierten und humorvollen Erklärungen zu Wein und Ausbau. Viele Touristen und Einheimische hatten früher Spaß bei den Rebwägelefahrten. Konrad Dilger hatte den Traktor mit Hänger durch die Weinberge gesteuert und allerhand Wissenwertes vermittelt.

Seit nun bald 30 Jahren gibt es die Besenwirtschaft

1983 begannen Dilgers mit der Besenwirtschaft und ihren berühmten Dinnele. Wegen Personalmangels mussten sie von der Speisekarte gestrichen werden. Stattdessen gibt es Flammkuchen neben Wurstsalat, Vesperteller, Winzertoast und Bruscetta. Und auch hier hat Corona zugeschlagen: Weil die Gaststätten und Besenwirtschaften nicht öffnen durften, hatten sich die Bedienungen anderweitig nach Arbeit umgeschaut. Lediglich das Küchenpersonal ist verblieben. Deswegen wird beim diesjährigen Torkelfest erstmals Selbstbedienung eingeführt.

Der Seniorenkreis feiert in der Besenwirtschaft Dilger immer das „Kleine Weinfest“.
Der Seniorenkreis feiert in der Besenwirtschaft Dilger immer das „Kleine Weinfest“. | Bild: Christiane Keutner

Arbeit gibt es ohnehin genug. Sylvia Dilger backt das Brot selbst, kümmert sich um die drei Kinder Luisa, 13, Sophia, 11, und Benjamin, 15, um den Appenzeller-Labrador Mix Johnny und um Foxi, eine griechische Bracke aus dem Tierschutz. Sie berät und bedient die Kunden, schmeißt Haushalt und Büro und sorgt mit ihrem Händchen für Blumenschmuck für ein schönes Ambiente. Gemeinsam diskutieren sie auch die Namen für die Weine, die Mathias Dilger beispielsweise während der Fahrt auf dem Traktor einfallen. Manche sind ungewöhnlich – und prägen sich deshalb ein. Wie der „Frischling“. „Haben Sie noch den Schweinchen-Wein?“, wurden sie kürzlich von Urlaubern gefragt.

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Die neueste Kreation heißt „Dilgers Grauer Star“. Klar ist man gleich versucht, das mit der Augenkrankheit zu assoziieren. Doch das Etikett mit dem Vogel belehrt eines Besseren. Die Reben wachsen in einem neu angelegten Weinberg in Buggensegel. Da es keine Lage mit geschütztem Ursprung ist, darf der Winzermeister die Rebsorte nicht aufs Etikett drucken.

Weinlagen in Bermatingen: Bei den Weinwanderungen ziehen die Teilnehmer an unterschiedlichen Sorten vorbei, die auf Schildern erklärt ...
Weinlagen in Bermatingen: Bei den Weinwanderungen ziehen die Teilnehmer an unterschiedlichen Sorten vorbei, die auf Schildern erklärt werden. | Bild: Christiane Keutner

In den 25 Jahren gab es Höhen und Tiefen, wie in den Weinbergen. Die Winzer sind vom Wetter abhängig, Hagel, Frost, Dauerregen, auch zuviel Sonne sind ihre „Gegner“. Aber das Kämpfen hat sich für die Familie immer gelohnt. Dafür sprechen die Auszeichnungen und Gütesiegel, mit denen sie ihre Weine schmücken dürfen, meistens mit den begehrten Gold- und Silbermedaillen. Schon der erste selbst ausgebaute Jahrgang hatte fünf Medaillen errungen, unter 400 Weinen setzte das Gourmet- und Reisemagazin „Savoir Vivre“ den Grauburgunder 2011 Spätlese auf Platz eins. Und es geht stetig weiter, denn Stillstand ist der Untergang und so gar nicht das Ding von Mathias Dilger. Sekt und Secco kamen ins Sortiment sowie Destillate aus Früchten von eigenem Bestand oder der unmittelbaren Umgebung. Ob das Weingut in die Hände der nächsten Generation übergeht, wissen Sylvia und Mathias Dilger noch nicht. Aber sie haben ja nochmals 25 Jahre Zeit.