Mehrere Fotografen stehen mit ihren Kameras am Überlinger Mantelhafen und warten. Sie wollen einen Eisvogel beim Fischfang auf Bildern festhalten. Das erfordert vor allem eines: Geduld. Dabei ist es nicht verwunderlich, dass der seltene Vogel im Mantelhafen nach Futter Ausschau hält, erklärt Ornithologe Peter Berthold. „Sie suchen sich im Winter eisfreie Wasserflächen, um sich auf die Jagd nach kleinen Fischen zu machen.“
Niedrige Gewässer wie die in Hafenbecken sind ideal. Dort können die Eisvögel ihre Beute besser sehen als in tiefem Wasser. Dennoch: Nur ein kleiner Teil der Eisvögel überwintert am Bodensee. „Der größere Teil zieht in wärmere Gebiete, wie etwa Südfrankreich“, weiß Berthold. Er war von 1991 bis Januar 2005 Leiter der Vogelwarte Radolfzell, einer Zweigstelle des Max-Planck-Instituts für Ornithologie.

Dass sich der Eisvogel trotz der vielen Spaziergänger den Überlinger Mantelhafen ausgesucht hat, bezeichnet der Ornithologe als „hundsgewöhnlich, wie man im Schwäbischen so schön sagt. Während sie auf ihr Futter warten, haben sie keine Scheu. Es kommt durchaus vor, dass sie sich auch in Gärten einen Goldfischteich suchen und dort die Fische wegfuttern.“
Eisvögel sind im Winter strikte Einzelgänger
Käme ein zweiter Eisvogel auf die Idee, sein Futter im Mantelhafen zu suchen, würden sich die beiden Vögel gegenseitig vertreiben – sie sind im Winter strikte Einzelgänger. „Kleine Vögel wie der Eisvogel müssen jeden Tag Futter zu sich nehmen; sie sind bei jedem Wetter unterwegs. Da dulden sie nicht, dass ihnen ein Artgenosse das Futter streitig macht“, erklärt Berthold.

Sollte die Wasseroberfläche im Mantelhafen diesen Winter irgendwann gefrieren, würde sich der Eisvogel auf die Suche nach einem neuen Ort machen. „Mit bis zu 80 Kilometern pro Stunde sind sie dabei sehr schnell unterwegs. Da kann er in fünf Stunden schon sonst wo sein“, erklärt Berthold.
Brüten am Flusslauf, überwintern am Bodensee
Frank Portala vom Naturschutzbund (Nabu) Überlingen ergänzt: „Zur Brutzeit im Frühjahr und Sommer suchen Eisvögel Flussläufe auf. Ich weiß, dass es zumindest früher welche am Aachlauf gab.“ Erst im Winter kämen die Vögel dann an den Bodensee. „Häfen sind typische Winterplätze. Hier gibt es genug Sitzgelegenheiten für sie. Von dort aus schießen sie dann blitzschnell in das Wasser, wenn sie einen Fisch entdeckt haben.“
Morgens sei die Wahrscheinlichkeit höher, einen Eisvogel in Aktion zu sehen, weiß Portala. Er ist in Überlingen Ansprechpartner der internationalen Wasservogelzählungen beim Nabu und habe erst im Oktober 2021 einen in der Nähe des Paddelclubs in Überlingen beobachtet.