Wenn schauriges Heulen und Kettenrasseln durch das vollkommen dunkle Gemäuer klingt, nur hier und da eine schwache Kerze flackert und im ganzen Gebäude gruselige Spinnweben, Spinnen und Fledermäuse aufgehängt sind, dann ist im städtischen Museum Geisterstunde angesagt. Rund 260 Teilnehmer waren am vergangenen Freitag dabei.
Gänsehaut durch Orgelmusik
Die Führungen im 30-Minuten-Takt beginnen in der finsteren Luzien-Kapelle, wo düstere Orgelmusik schon das erste Gänsehaut-Feeling erzeugt. Von dort aus werden die Kindergruppen von jeweils drei Erwachsenen über eine geheimnisvolle Hintertreppe durch verschiedene nachtdunkle Räume im Ausstellungsbereich gelotst.

In der Bauernstube empfängt sie gleich das erste furchteinflößende Faktotum: der bucklige Geist des alten Hausdieners des historischen Medicus und Hausherrn Reichlin von Meldegg, verkörpert von Kustos Peter Graubach.
Nach einigen Belehrungen zur Geschichte des Hauses geht es weiter in die Schlafkammer, wo zwei Geisterkinder in weißen Nachthemden – gespielt von Ida Wigger und Carla Zscherp – ins Himmelbett steigen, vom Zweck des Betthimmels zur Wanzenabwehr berichten und alsbald von der gruselig grimmigen Magd Elke Wigger aufgescheucht werden.


Von der Schlafstube schleichen die Kinder hinaus auf den großen Mittelgang, in dem der grantige Geist des Schwedengenerals Gustav Horn alias Wolfgang Lechler über die Belagerung Überlingens während des 30-jährigen Kriegs schwadroniert.
Während die Kinder wie gebannt mucksmäuschenstill am Boden kauern, berichtet Lechler am großen Belagerungsbild von der Marienerscheinung am Obertor und wie es zum Gelübde der noch heute stattfindenden Schwedenprozessionen kam. Klar, dass jetzt auch gleich ein Überlinger Hänsele durch den Gang hüpft, verfolgt vom bleich geschminkten Narrenpolizist Andreas Taglang.

Überhaupt lauern in dieser Nacht angsteinflößend zahlreiche zurechtgemachte Gestalten, Hexen und Vampire in Nischen, Treppenaufgängen und hinter Fenstern, die im Vorbeigehen immer wieder für Herzklopfen und Gruselmomente sorgen.

Da ist es beim Geist des Bildhauers und Schnitzers des Überlinger Hochaltars Jörg Zürn alias Ricardo Itta direkt entspannt. Und wieder folgt ein liebevolles Detail: Zürns Geist verliert einen Schlüssel, den die Kinder finden und im nächsten Raum damit die passende Truhe mit einem Schokoladentaler-Schatz öffnen dürfen.
Jagd nach frechem Hänsele
Oben in der Brauchtumsabteilung hat der neu gewählte Narrenvater Achim Friesenhagen seinen ersten Auftritt als sein eigener hohlwangiger Geist auf der Jagd nach einem frechen Hänsele, unter dem doch glatt ein weibliches Wesen – Lara Taglang – steckt. „Ab in den Brunnen“, lautet die Strafe und die Moral von der Geschicht‘: „Mädle sollet alte Wieber mache, oder Löwen!“ Oder Tracht tragen. Aber darauf hat das junge Gespenst, gespielt von Helena Mayer, überhaupt keine Lust. Da braucht es schon die eindrücklichen Ermahnungen einer gestandenen Tracht im Gothic-Style von Martina Porst.

Den Schlusspunkt der Gruselnacht setzt Eric Hueber als bleichgesichtiger Schwertletänzer-Geist. Aus seinem Zwiegespräch mit einem Hänsele hören die Kinder die Geschichte vom Soldaten aus der Zunft der Rebleute, der vor der Schlacht die Messe schwänzte, im Wirtshaus zechte und darauf im Kampf sein Leben ließ.
Erleichtert, alles gut überstanden zu haben, poltern die teilweise fantasievoll kostümierten Kinder jetzt wie befreit fröhlich die Treppen hinunter, um sich nach der Grusel-Anspannung im Museumsgarten auszutoben.





Dort werden die wartenden Eltern zwischenzeitlich von einem Team des Überlinger Trachtenbunds mit Getränken und Würstchen bewirtet und genießen bei milden Temperaturen die Atmosphäre unter den alten Bäumen im lauschig beleuchteten Garten.
Etwa 30 Akteure und Helfer
Es ist dem Einsatz von Familie Graubach zu verdanken, dass sie mit etwa 30 Akteuren und Helfern seit 2010 im Zwei-Jahres-Turnus die Gespensternacht im Museum ausrichten und damit ein Event geschaffen haben, auf das die Kinder regelrecht hin fiebern. „Wir sind immer ausverkauft,“ berichtet Božena Graubach, die mit Tochter Anna für das Schminken der Darsteller zuständig ist. Tochter Alexandra klappert in der Küche des alten Patrizierhauses gespenstisch mit den Töpfen. „Die Texte hat mein Mann selbst geschrieben“, berichtet sie und ist überzeugt: „Die Kinder nehmen etwas mit, sie merken sich das, was sie hier über die Vergangenheit erfahren.“