Finger weg von Knallern und Raketen: Diesen Vorsatz kann man bereits vor dem Neuen Jahr umsetzen. Wild- und Haustiere werden es danken. Denn es ist alle Jahre wieder dasselbe: Erschreckt durch den ungewohnten und immensen Lärm an Silvester, sind manche Vierbeiner tagelang verängstigt oder laufen davon. Wie können Tierhalter den Stress für ihre Schützlinge reduzieren? Tierhalter und Menschen, die sich professionell um Tiere kümmern, geben Tipps und berichten von ihren persönlichen Erkenntnissen.
Tierarzt Dr. Bernhard Stark bezeichnet die Furcht vor Silvesterkrach als Angststörung: "Die meisten Hunde, die sich vor Böllern ängstigen, haben auch Angst vor Gewittern und anderen Lärmquellen. Diese muss langfristig behandelt werden." Das kann mit verhaltenstherapeutischen Methoden erfolgen, wie mit einer Lärm-CD mit Gewitter und Silvesterböllern. Damit könne man das Tier positiv konditionieren. Bis die erwünschte Wirkung einsetzt, könne es jedoch dauern: Monate oder gar Jahre. Bei Hunden, deren Angst extrem ausgeprägt sei, könne man Psychopharmaka mit dem Gewöhnungstraining koppeln. Von alternativen Mitteln hält der Tierarzt wenig: "Die Verabreichung von Globuli und Bachblüten ist völlig sinnlos und es ist erwiesen, dass es keinerlei Wirkung hat."
Katzen zu beruhigen, sei extrem schwierig. Hier rät der Tierarzt beispielsweise zu Pheromonen, Botenstoffe zur Informationsübertragung, was zu Wohlbefinden führe. Diese könne man mittels Spray oder einem Zerstäuber an der Steckdose verbreiten. Die Botenstoffe enthalten Substanzen, die in der Muttermilch vorkommen. "Bei manchen Tieren funktioniert das ganz außerordentlich." Seinem eigenen Hund gibt der Tierarzt ein leichtes Beruhigungsmittel.
Nicht nur Hunde oder Katzen werden durch die Knallerei gestresst: Wilma Jegler vom Tierschutzverein Überlingen erinnert auch an Kleintiere wie Meerschweinchen und Vögel. Deren Gehege oder Käfig solle man abdunkeln und vom Fenster abrücken, damit sie die grellen Blitze nicht sehen. Im Freien gehaltene Kaninchen solle man zusätzliche Versteckmöglichkeiten bieten und Katzen mit Freigang am besten an Silvester im Haus lassen, spätestens ab spätnachmittags. "Wichtig ist auch, dass die Tiere gekennzeichnet und registriert sind", empfiehlt die Tierschützerin. So ließen sich Halter viel leichter aufspüren. Wilma Jegler warnt vor weiteren Gefahren: "Durch Stress und Panik rennen Tiere auch in Autos." Das sei für beide Seiten sehr gefährlich. Hunde sollte man schon Tage vor Silvester nur an der Leine führen und die Tiere mit gewohnten Ritualen und dem üblichen Tagesablauf ablenken, sie in Ruhe lassen.
Jegler bittet, Feuerwerk nicht am Waldrand oder in Parkanlagen abzuschießen: "Das verängstigt Wildtiere, die sehr empfindlich auf laute Geräusche reagieren, sowie Tiere auf Bauernhöfen. In Panik geratene Pferde und Rinder brechen auf der Weide durch. Viele Menschen handeln hier einfach oft aus Gedankenlosigkeit."
Gerda Heckler aus Aufkirch versucht auch andere Gefahren auszuschließen: Sie prüft, ob die Tore zur Scheuer, in der Heu und Stroh lagern, geschlossen sind, damit kein noch glimmender Feuerwerkskörper in die Scheune zischt.
Glück hat, wer wie Antje Ekert einen Hund hat, der überhaupt nicht ängstlich ist – aber bei dem es ein Problem anderer Art gab: "Der Hund, den wir vor Sandy hatten, ist den Böllern hinterhergejagt und wollte sie uns immer bringen."
Die Angst der Tiere am besten ignorieren
- Gerda Heckler zieht mit ihrem Mann auf ihrem Hof in Aufkirch Jungvieh auf. Seit die Tiere im Stall hinter statt vor dem Wohnhaus stehen, bekommen sie vom Lärm nicht mehr viel mit. „Vorher konnten sie den Krach nicht zuordnen und es gab eine gewisse Unruhe. 2000 waren die Tiere selbst im Stall hinter dem Haus unruhig. Aber es ist nichts passiert“, sagt Gerda Heckler. Sie weiß um die positive Ausstrahlung älterer Tiere: „Wenn die jungen Rinder das erste Mal auf der Weide ein Gewitter erleben, wirken die älteren mit ihrer Gelassenheit beruhigend auf die ängstlichen und verunsicherten Tiere. Unsere Hunde haben dagegen Angst an Silvester. Die müssen wir irgendwohin tun, wo es nicht so laut ist.
Gerda Heckler aus Aufkirch im Stall bei ihren Jungrindern mit dem Welpen Karina und der 13-jährigen Kira. Bild: Christiane Keutner - Susanne Dehmel betreut im Tierschutzhof Hallendorf in Mühlhofen derzeit zehn zu vermittelnde Hunde. „Am besten wäre, man würde überhaupt nicht knallen, denn auch die Wildtiere leiden.“ Sie hat das Gefühl, dass der Lärm mit jedem Jahr schlimmer wird. Ihre Tipps: Die Tiere am besten nicht allein lassen, weder bedauern noch betüddeln und sich möglichst normal verhalten. Rollläden runterlassen, damit die Tiere das Blitzen nicht sehen, und Musik anschalten. Bei manchen Hunden helfe die Gabe von Bachblüten ein paar Tage zuvor: „Das nimmt die Angstspitzen.“ Ganz wichtig sei, die Hunde schon Tage vor Silvester beim Spazierengehen angeleint zu lassen: „Ein Knall reicht und der Hund haut ab.“ Sie weiß von einem Fall in Markdorf, wo der Hund nicht mehr aufgetaucht sei.
Susanne Dehmel, Vorsitzende des Vereins Tierschutzhof Hallendorf, mit Schützlingen. Bild: Christiane Keutner - Dr. Bernhard Stark, Tierarzt in Salem, rät dazu, Tiere in einem möglichst schalldichten Raum mit Rückzugsmöglichkeiten zu halten, in dem es sich wohlfühle. „Viel mehr kann man nicht machen.“ Beruhigungsmittel seien keine sehr gute Lösung, weil nicht alle Tiere gleich auf ein Medikament reagierten: „Manche müssen mit so hohen Dosen behandelt werden, dass sie sehr tief schlafen. Das beunruhigt die Halter und ist sehr schwierig.“ Wobei er bei der Behandlung auf ein relativ neues Medikament setzt, das recht gut funktioniere. „Am besten aber behandelt man das Tier nicht wie ein Kind: Streicheln und beruhigen kommt als Bestätigung an, dass die Angst berechtigt ist.
Das sollte unbedingt vermieden werden.“ Die Angst solle man am besten ignorieren, sonst werde sie auch bei jedem Gewitter verstärkt.
Dr. Bernhard Stark, Tierarzt in Salem, mit einer operierten Patientin. Bild: Christiane Keutner - Antje Ekert, Hundehalterin aus Unteruhldingen, weiß, was am besten für ihren etwa neunjährigen Mix Sandy ist: „Sie will in ihrer vertrauten Umgebung bleiben, verzieht sich auf ihr Plätzchen und zittert dort vor sich hin.“ Wenn die Familie Silvester an einem anderen Ort feiert, wird das Körbchen mitgenommen und geschützt in eine Ecke gestellt. Die Türen werden geschlossen, Radio oder Fernseher aufgedreht, sodass das Knallen übertönt wird. „Anders kann man den Tieren nicht helfen. Man soll sie ignorieren und nicht auf den Arm nehmen. Unser Tierarzt hat uns von Medikamenten fast abgeraten. Wenn, dann sollte man sie unbedingt vorher geben und schauen, wie der Hund reagiert, denn es könnte auch passieren, dass der erst recht abgeht und das Gegenteil eintritt.“
Antje Eckert, Hundehalterin aus Unteruhldingen, mit Sandy. Bild: Christiane Keutner - Wilma Jegler, Vorsitzende des Tierschutzvereins Überlingen, schätzt die ruhige Lage im Tierheim Hödingen, abseits von Knall- und Zischlauten. Allerdings bekommt sie die Folgen des Feuerwerks zu spüren: „Jedes Jahr werden bei uns Fundhunde und Katzen abgegeben, auch Tage danach. Sie haben sich erst vor Angst verkrochen und sind später orientierungslos.“ Auch sie rät zu sicheren Rückzugsmöglichkeiten. Man solle bereits Tage vor Silvester einen Ort schaffen, an dem die Tiere möglichst wenig von Lärm und Blitzen mitbekommen. Sie empfiehlt, die Katzentoilette nicht zu vergessen. Ganz wichtig sei es, keine Panik aufkommen zu lassen oder Hektik zu verbreiten, wenn sich ein Tier ängstige. Dessen Verhalten sei verständlich: Sie erinnert an das wesentlich feinere Gehör, das Tiere gegenüber den Menschen haben.
Wilma Jegler, Vorsitzende des Tierschutzvereins Überlingen, mit Katze Dixi. Bild: Christiane Keutner