Eva-Maria Bast

Es scheint wieder Schwung in Überlingens politische Jugendarbeit zu kommen: Jüngst hat sich eine Grüne Jugend gegründet und Oberbürgermeister Jan Zeitler hat bereits im Wahlkampf erklärt, gern einen Jugendgemeinderat einrichten zu wollen. Nun bekräftigte er dieses Vorhaben auf Nachfrage des SÜDKURIER. Er habe "veranlasst, dass das Thema Jugendgemeinderat Gegenstand des im November 2017 stattfindenden Jugendforums sein soll". Dabei solle "dieses bisher lediglich signalisierte Interesse von einer größeren Anzahl junger Menschen in unserer Stadt abgefragt werden, um ein Stimmungsbild für das weitere Vorgehen an die Hand zu geben." Sollte tatsächlich ein ernsthafter Wunsch zur Einrichtung eines Jugendgemeinderates deutlich werden, wolle er "gerne den weiteren Weg zur Einrichtung eines solchen Gremiums begleiten, sofern der Gemeinderat mich durch einen Beschluss damit beauftragt", sagte Zeitler.

Bei den einst als Jugendliche politisch Aktiven, die inzwischen erwachsen sind und die Stadt verlassen haben, aber alle noch in ihren Parteien aktiv sind, findet das großen Anklang. Max Holm war seinerzeit Gründungsmitglied der Grünen Jugend Bodenseekreis. Sie löste sich mit seinem Weggang 2012 auf und wurde nun als Grüne Jugend Überlingen erneut gegründet. Holm bezeichnet die Überlegungen zur Einrichtung eines Jugendgemeinderats als "Hoffnungsschimmer". Diesen Jugendgemeinderat habe man sich schon damals gewünscht. "Ideen und Motivationen gab es etliche. Man fühlte sich nur nie von der Stadt angehört."

Andreas Wissmann, erst politisch aktiver Jugendlicher in der Jungen Union und dann Gemeinderatsmitglied, bis er kürzlich mit seiner Familie ins amerikanische Detroit zog, sagt: "Ich war früher ein begeisterter Verfechter dieses Gremiums. Zwischenzeitlich sehe ich das kritischer. Ich glaube, dass ein Jugendgemeinderat in den wenigsten Fällen dauerhaft funktioniert." Das Problem sei, "dass es immens schwer ist, einen ganzen Haufen Jugendlicher zu finden, die sich für einen längeren Zeitraum binden lassen, um sich so einzubringen."

Leon Hahn, der sich um 2010 mehrere Jahre für die Jusos politisch engagierte, sagt: "Ein Jugendgemeinderat ist kein Allheilmittel." Es müsse eine regelmäßige Beteiligungskultur stattfinden, damit junge Menschen überhaupt mitbekommen, dass ihre Stimme gehört wird. "Zentral hierfür sind und bleiben die Schulen. Nur wenn eine Verzahnung einer Jugendbeteiligung oder eines Jugendgemeinderats mit den Schulen gelingt, kann eine Jugendbeteiligung langfristig gelingen."

Leon Hahns Bruder Alexander Hahn (FDP) zog 2009 aus Überlingen weg. Er bezeichnet einen Jugendgemeinderat als "hervorragende Idee". Er hoffe, dass der Oberbürgermeister seinen Worten Taten folgen lassen werde. "Aber ich möchte auch die Verantwortung weitergeben: Der Jugendgemeinderat ist nur so viel wert, wie es junge Menschen gibt, die sich einbringen und engagieren."


Max Holm
Max Holm | Bild: privat

"Stadt kümmert sich noch zu wenig"

Max Holm, Grüne: Im Herbst 2012 verließ ich Überlingen. Ich ließ auch die Grüne Jugend Bodenseekreis hinter mir. Auch einige meiner Freunde folgten ihrem Drang, in die weite Welt zu reisen und etwas selbstständiger zu werden. Dies hatte zur Folge, dass einigen Jugendgruppen kaum Mitglieder blieben. So auch der Grünen Jugend Bodenseekreis. Umso schöner, dass sich erst vor Kurzem die Grüne Jugend Überlingen neu gründete und bereits viele Projekte und Themen angeht! Selbst aus der Ferne unterstütze ich sie und helfe, soweit ich kann! Hier heißt es nun weiterhin – Jung. Grün. Stachelig – in Überlingen! Grün interessierte Jugendliche sollten sich schleunigst anschließen! Zu viele gute Ideen und Jugendorganisationen laufen diesen Weg – und verlaufen im Endeffekt im Sand. Aber nicht nur, weil die Jugendlichen nach ihrem Abitur oder ähnlichem wegziehen, verlaufen sich die Projekte – auch die Stadt Überlingen trägt maßgeblich hierzu bei: Sie kümmert sich immer noch zu wenig um die Jugendarbeit und hört die Stimme der Jugendlichen kaum. Finanzierungen für Jugendprojekte und Jugendeinrichtungen werden weiterhin gekürzt. Das Jugendreferat tut, was in seinen Möglichkeiten liegt, und repräsentiert hierbei auch die Stadt. Dies ist jedoch viel zu wenig, um die Stadt für Jugendliche endlich attraktiv zu gestalten und eine dauerhafte Abwanderung der jungen Bewohner zu verhindern.
 

Andreas Wissmann
Andreas Wissmann | Bild: privat

"Ruhig auch mal richtig frech sein"

Andreas Wissmann, CDU: Was ich den politisch aktiven Jugendlichen empfehle: Mischt euch ein. Seid in der Sache bedacht, aber ruhig auch einmal richtig frech. Legt euch zur Not auch mal, wenn es die Sache wert ist, mit den Mutterparteien an. Seid mit Leidenschaft dabei. Sucht euch Themen aus, die euch umtreiben, und kämpft dafür. Ich fand die Zeit in der Jungen Union toll. Man konnte Dinge tun und sagen, die man später so nicht mehr tun und sagen kann. Und bei allem Ernst der Politik: Das Ganze soll auch Spaß machen. Bei der Jungen Union heißt das "Party and Politics". Beide Aspekte halte ich für gleich wichtig. Wir haben uns immer massiv bemüht, für einen stetigen Mitgliederzuwachs zu sorgen. Dafür haben wir Partys veranstaltet, hatten einen Stand auf dem Promenadenfest, haben Aktionen durchgeführt, zum Beispiel eine Diskussion mit dem Bundestagsabgeordneten auf einem Wikingerschiff. Wir haben dort das Gespräch mit Gleichaltrigen gesucht, wo die Jugend sich aufhält. Eins der größten Probleme bei der politischen Jugendarbeit ist die Fluktuation. Man hat nur einen kurzen Zeitraum zwischen dem eintrittsfähigen Alter und dem Schulabschluss und damit oft auch einem Weggang. Dem kann man nur durch Zuwachs, dem Finden engagierter Mitglieder und einer guten Durchmischung begegnen. Es ist immer schwerer, so etwas auf Dauer am Leben zu halten.

Alexander Hahn
Alexander Hahn | Bild: privat

"Seiner Stimme Gehör verschaffen"

Alexander Hahn, FDP: Ich habe Überlingen so erlebt, dass die Stadt einen großen Schwerpunkt auf Tourismus und ältere Leute gelegt hat und man als junger Mensch oft das Gefühl hatte, nicht willkommen zu sein. Im Rückblick auf die Jugendarbeit hätte ich mir Elemente gewünscht, in denen junge Menschen partizipieren und in eine Position kommen können, in der ihre Stimme auch in der Kommunalpolitik Gewicht hat. In diesem Rahmen sollen auch die Interessen der Jugendlichen in die Entscheidungsfindung einfließen. Wichtig ist eine kontinuierliche Nachwuchsförderung. Man muss mit den jungen Leuten im Gespräch bleiben. Man muss da hin, wo die jungen Leute auch wirklich sind. Überlingen ist eine Stadt, in der das nicht so einfach ist. Der Jugendtreff Rampe liegt zwei Kilometer außerhalb und auch sonst gibt es kaum zentrale Treffpunkte. Es war selten so wichtig, sich politisch zu interessieren und engagieren, wie heute. Ich habe durch mein Engagement unglaublich viel gelernt. Je früher man partizipiert und zu seiner Meinung Farbe bekennt, desto besser. Es ist eine der wenigen Möglichkeiten, seiner Stimme Gehör zu verschaffen. Wer was ändern will, muss politische Verantwortung übernehmen. Bei uns hat man sich auf die Einsetzung eines Jugendforums beschränkt. Es war durchaus der Wille da, uns anzuhören, aber nicht, ein schlagkräftiges Gremium zu schaffen.

Leon Hahn
Leon Hahn | Bild: privat

"Ideen ernst nehmen und umsetzen"

Leon Hahn, SPD: Rückblickend hätte ich mir von der Stadt mehr Unterstützung auch bei der Umsetzung der Projekte gewünscht, die wir damals mit den Jugendlichen angehen wollten, etwa bei der Umsetzung eines zentralen Treffpunkts für junge Überlinger oder bei einem Ausbau des Öffentlichen Personen-Nahverkehrs auch nach 20 Uhr. Dennoch haben uns vor allem die Jugendsozialarbeiter des Jugendreferats nach Kräften unterstützt und ich bin immer noch stolz, wie viel wir gemeinsam auf die Beine stellen konnten. Aus Überlingen, in dem – vor allem für unter 18-Jährige – überhaupt nichts ging, wurde eine Stadt, in der es zumindest ein regelmäßiges Angebot an Partys, Aktivitäten und mit dem Grillplatz am See ein Angebot für einen Treffpunkt gab. Wenn Jugendarbeit nachhaltig gelingen soll, müssen die jungen Menschen spüren, dass es nicht um Scheinbeteiligung und Selbstbeschäftigung geht, sondern sie müssen merken, dass ihre Ideen angehört, ernst genommen und umgesetzt werden. Damit politische Jugendarbeit besser funktioniert, müssen auch wir Parteien unsere Arbeit überprüfen und gezielt auf junge Engagierte zugehen. Dass es mit den Jusos, der Grünen Jugend, der Jungen Union und den Julis aktive junge Menschen gibt, die Lust haben, politisch was zu gestalten, beruhigt mich und beweist, dass der Mythos der politikverdrossenen Jugend ins Märchenbuch gehört.