Julia Rieß

Oberbürgermeister Jan Zeitler und der Gemeinderat haben beschlossen, Veranstaltungen im Stadtgebiet restriktiver zu handhaben. So wurden der Franzosenmarkt und der Töpfermarkt kurzfristig abgesagt. Beim Nabu-Flohmarkt, der alljährlich im September am ersten Wochenende nach den Schulferien stattfindet, werden die gesamte westliche Promenade und der Landungsplatz als Veranstaltungsort gestrichen. Nur die Promenade zwischen Landungsplatz und Mantelhafen und die neu gestaltete Fläche am Mantelhafen darf noch mit Ständen bestückt werden.

Entscheidung stößt auf Unverständnis

Was bei Nabu und Flohmarkt-Fans auf Unverständnis stößt, ist für die Stadtverwaltung eine Maßnahme, um "entstehende Interessenkonflikte zwischen einer zunehmenden Zahl von Anträgen für die begehrten zentralen Innenstadtplätze und den berechtigten Interessen der dortigen Anwohnerinnen und Anwohner sowie der Gewerbetreibenden und der Besucher der Stadt in Bezug auf die Lebens- und Aufenthaltsqualität des öffentlichen Raums in einen angemessenen Ausgleich zu bringen".

Stadtverwaltung verweist auf Kompromiss

Man sei den Flohmarkt-Befürwortern auch bereits ein gutes Stück entgegengekommen: "Das Veranstaltungskonzept sah ursprünglich auf der gesamten Promenade keine Flohmärkte vor. Der Ausschuss für Bildung und Kultur hat in seiner Sitzung am 11.06.2018 jedoch einen Kompromiss beschlossen, wonach künftig vier Flohmärkte von gemeinnützigen Vereinen an der östlichen Seepromenade und am Mantelhafen stattfinden dürfen", heißt es in der schriftlichen Stellungnahme von der Pressestelle der Stadt.

Viel Ärger mit Umsetzung und Timing

Cristina Aguirre de Kaysers vom Umweltzentrum Überlingen organisiert Jahr für Jahr den Flohmarkt. Sie ist über die Einschränkung sehr unglücklich. Und auch die Umsetzung und das Timing haben ihr schon viel Ärger und Arbeit beschert. Erstens sei dies eine Restriktion, die nicht konsequent eingehalten werde: "Es gibt hier eine Ausnahme und da eine Ausnahme, zum Beispiel für das Promenadenfest. Das ist willkürlich und deshalb nicht fair."

Zu kurzfristig für Veranstalter

Zweitens sei die Entscheidung zu kurzfristig gefallen: Erst im Juni diesen Jahres habe die Stadt bekanntgegeben, dass die Fläche um mehr als die Hälfte reduziert wird, auf die neuen Pläne habe der Nabu weitere drei Wochen warten müssen. Angemeldet hatten sich die Flohmarkt-Verkäufer – rund 70 Prozent von ihnen sind "Stammgäste" – aber bereits seit September 2017. Denn da hatte der Nabu schon die Zusage, dass der Flohmarkt in 2018 wie gewohnt stattfinden kann. Aguirre de Kaysers: "Wir wurden damals nicht darüber informiert, dass ein neues Vergabekonzept in Arbeit war, welches uns betrifft. Ich denke, man hätte uns früher Bescheid geben können."

Stadt sieht das anders

Die Stadtverwaltung sieht es anders: "Der Nabu wurde seitens der Stadt bereits bei der Antragstellung darauf hingewiesen, dass Änderungen geplant sind und eine endgültige Zusage von Flächen erst nach Verabschiedung des Konzeptes erfolgen kann."

Weniger Platz für einzelne Stände

Cristina Aguirre de Kaysers versucht nun jedenfalls, alle, die sich bis Juni angemeldet haben, unterzubringen, allerdings müssten die einzelnen Stände mit weniger Platz zurechtkommen. "Durch die äußerst kurzfristige Entscheidung haben wir hier beim Nabu seit Wochen doppelt so viel Arbeit wie sonst", sagt die Organisatorin. "Wir müssen innerhalb kürzester Zeit alles neu planen, umorganisieren und natürlich unglaublich viel kommunizieren und informieren. Und das als ehrenamtliche Umweltorganisation, die eigentlich jede Ressource für ihre eigentliche Arbeit dringend nötig hat. Aber mit den Erträgen vom Flohmarkt konnten wir nun mal immer viele Projekte finanzieren."

Flohmarkt seit zwölf Jahren an Uferpromenade

Den Nabu-Flohmarkt gibt es seit 1993, seit zwölf Jahren findet er an der Uferpromenade statt. Rund 180 Stände brachten dem Nabu Jahr für Jahr rund 4000 Euro an Standgebühren ein, Gelder, die in die lokalen und regionalen NABU-Projekte flossen. "Das ist für uns eine Menge Geld, mit dem wir etwas im Naturschutz bewirken können." Und auch die Umsätze der Verkäufer sind wichtig: "Viele sagen, es trifft sie hart, wenn der Flohmarkt eingeschränkt wird. Eine unserer Verkäuferinnen ist Rentnerin, sie ist von den Einnahmen abhängig", sagt Aguirre de Kaysers.

Viele melden sich jetzt zu Wort

Nach der Entscheidung im Juni meldeten sich viele der langjährigen Flohmarkt-Teilnehmer zu Wort, in Briefen an den Oberbürgermeister und den Nabu. So schreibt die Überlingerin Birgit Liesching: "Viele Leute kommen von weither gereist, der Markt bringt also zahlungswillige Menschen ins Städtle. Es macht Verkäufern und Käufern Spaß, es bringt Geld in das Rentner-Portemonnaie, und die anliegenden Lokale können sich bestimmt nicht über mangelndes Geschäft an diesem Samstag beklagen. Warum also das Erfolgskonzept auf die Hälfte reduzieren?"

Einnahmen für den guten Zweck

Die Überlinger Physiotherapeutin Andrea Stein hat seit vielen Jahren gemeinsam mit anderen einen Stand an der westlichen Promenade zugunsten von Ärzte ohne Grenzen und dem Verein Mukoviszidose. Sie spenden 100 Prozent des Verkaufserlöses an diese beiden Projekte. "Jährlich kommen dabei rund 400 bis 600 Euro zusammen. Inzwischen bekommen wir das ganze Jahr über Spenden in Form von Waren, extra für diesen Flohmarktstand", so Andrea Stein. Außerdem gehe ja die Standgebühr an den Nabu für den regionalen Naturschutz. "Die Stadt hätte eine große Chance, hier eine Vorreiter-Rolle zu übernehmen, um den Gedanken der Nachhaltigkeit zu fördern", meint Stein.

Entscheidung rückgängig machen?

Dass die kommerziellen Märkte, die nicht lokal verwurzelt sind, abgeschafft wurden, stößt bei beiden engagierten Frauen auf Verständnis. "Aber dieser Flohmarkt ist eine langjährige Institution und durch die Verkleinerung machen Sie es den Betreibern sehr schwer, genügend Plätze zur Verfügung zu stellen. Ich bitte sehr herzlich darum, dass diese unsinnige Entscheidung wieder rückgängig gemacht wird", so Liesching. Auf die Anfrage bei der Stadt, ob dies denkbar sei, antwortet die Pressestelle: "Änderungen des Veranstaltungskonzeptes sind natürlich bereits aufgrund der Entwicklung der Veranstaltungen vorgesehen. Wir müssen dabei jedoch immer die Gesamtheit der Veranstaltungen im Blick haben und hier insbesondere auch dem Wunsch auf mehr Freiräume Rechnung tragen."