Auf der Rathaustreppe verkündete Amtsinhaber Anselm Neher das Ergebnis der Bürgermeisterwahl von Sipplingen. Die Bürgermeister der Nachbargemeinden machten ihre Aufwartung. Es herrschte Dorffest-Charakter, den das Rote Kreuz unterstrich, indem es spontan Getränke ausschenkte. Die Bürger, die mit 67,4 Prozent Wahlbeteiligung großes Interesse an der Wahl bekundeten, hatten sich einen Wahlsieger gewünscht, den Namen eines neuen Bürgermeisters. Darauf anstoßen konnten sie allerdings noch nicht, auch die Musikkapelle behielt ihre Instrumente im Koffer. Denn keiner der Kandidaten kam auf mehr als 50 Prozent der Stimmen, wodurch ein zweiter Wahlgang am 2. April nötig wird.
Sieger nach Punkten ist nach dem vorläufigen amtlichen Ergebnis Oliver Gortat, der auf 37,36 Prozent der Stimmen kommt. Ihm folgt Heike Sonntag mit 36,61 Prozent. Für Oliver Gortat stimmten 445 Wähler, für Heike Sonntag 436 Wähler. Damit setzten die Sipplinger mehrheitlich und in Summe auf einen Kandidaten/eine Kandidatin mit Verwaltungs-Ausbildung. Dritter im Bunde ist Ralph Freund mit 289 Stimmen, beziehungsweise 24,27 Prozent. Stefan Metzger, vierter Kandidat, kam auf nur 19 Stimmen, das entspricht einem Stimmenanteil von 1,6 Prozent.
Angesichts ihres Stimmenanteils bekundeten Gortat und Sonntag, dass sie für die Neuwahl am 2. April zur Verfügung stehen. Metzger tritt nicht mehr an. Und Freund hat sich Bedenkzeit erbeten, ob er noch einmal antreten wird.
"Einmal möchte ich über das Ergebnis noch schlafen", sagte er.
Während Gortat und Sonntag auf Anfrage mitteilten, inhaltlich an ihrem Wahlkampf nichts zu ändern, betonte Freund, dass er im Falle einer erneuten Kandidatur noch stärker betonen wolle, vor welchen Veränderungen Sipplingen stünde. "Einfach nur den Status quo halten", das wolle er nicht, Sipplingen müsse sich in bestimmten Bereichen besser entwickeln. Stefan Metzger nahm die Niederlage sportlich. Er freue sich über die Erfahrungen, die er im Wahlkampf sammeln konnte, und werde nun trotzdem gerne in den nächsten Wochen nach Sipplingen ziehen, und er werde versuchen, sich anderweitig ins Gemeindeleben einzubringen.
Im Bürgersaal konnten die Sipplinger die Auszählung der Stimmen live verfolgen und beobachten, wie drei Papierstapel kontinuierlich anwuchsen, während der vierte niedrig blieb. Schnell sprach sich herum, dass die Stapel nach Eingang der Bewerbung sortiert waren, also Gortat vor Freund, Sonntag und Metzger (von links). Hierbei war auch rasch erkennbar, dass es auf einen zweiten Wahlgang hinauslaufen würde.
Im Falle, dass alle drei Erstplatzierten zum zweiten Wahlgang am 2. April antreten, sind theoretisch nur 19 Stimmen von Stefan Metzger und zwei Splitterstimmen neu zu vergeben.
Es bliebe also bei einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Gortat und Sonntag – das allerdings nur für den Fall, dass die Sipplinger ihr Stimmenverhalten nicht ändern.
Zweiter Wahlgang
Da kein Kandidat die absolute Mehrheit erreicht hat, muss die Entscheidung nun im zweiten Wahlgang am 2. Aprill fallen. Hier reicht die relative Mehrheit: Der Bewerber mit den meisten Stimmen wird Bürgermeister. Bei der Neuwahl können auch Kandidaten antreten, die im ersten Wahlgang nicht zur Wahl standen. Die Bewerbungsfrist endet am Mittwoch, 15. März, 18 Uhr.
Oliver Gortat (37,36 Prozent): Er sei "wahnsinnig happy", sagte Oliver Gortat nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses. Nach einem positiven Feedback der Sipplinger im Wahlkampf sei er mit gutem Gefühl in die Bürgermeisterwahl gegangen und fühle sich nun bestärkt: "Hier in Sipplingen fühle ich mich wohl, hier möchte ich Bürgermeister werden." Die Sipplinger hätten bei der Wahl bewiesen, dass sie "weltoffen sind und einen frischen Wind sich wünschen", sagte der Verwaltungsfachwirt aus Rielasingen-Worblingen, der derzeit bei den Stadtwerken Schaffhausen arbeitet.
Mit Blick auf den ersten Wahlkampf könne er feststellen: "Ich habe alles richtig gemacht." Inhaltlich sei alles gesagt worden, deshalb sei von ihm im zweiten Wahlkampf "kein neuer Rucksack voller Projekte" zu erwarten, "sondern ein Rucksack voller Werkzeuge, mit denen ich ein Leitbild erarbeiten möchte, das ich gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern von Sipplingen umsetzen kann." Er werde diverse Veranstaltungen in Sipplingen in den nächsten drei Wochen besuchen, und selbst noch ein oder zwei eigene Veranstaltungen anbieten. "Was genau, das muss ich mir noch überlegen." Außerdem wünsche er sich, zu weiteren Gesprächen eingeladen zu werden. Zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses brachte Gortat seinen Lebensgefährten Patrick Pittelkow und dessen Eltern mit. Die Nervosität am Wahlsonntag vertrieben sie sich mit Kochen und einem Sonntags-Spaziergang mit ihrem Hund.
Heike Sonntag (36,61 Prozent): Die Anspannung ist Heike Sonntag während der Auszählung der Stimmen deutlich anzusehen. Immer wieder schaut sie mit gebanntem Blick auf die Stapel mit den Stimmzetteln. Schon in den vergangen beiden Wochen habe sie schlecht geschlafen, erzählt sie einem Besucher im Ratssaal, aber am Tag der Wahl sei sie nochmal deutlich nervöser gewesen. Als Bürgermeister Anselm Neher dann das Ergebnis bekannt gibt, reagiert die Meersburger Kämmerin enttäuscht – auch wenn sie mit neun Stimmen nur denkbar knapp hinter Stimmenkönig Oliver Gortat liegt.
"Es wäre schön gewesen, wenn es schon ein Ergebnis gegeben hätte", sagt sie und meint natürlich zu ihren Gunsten. "Selbstverständlich sieht man sich als Favorit. Wenn man zu so einer Wahl antritt, will man nicht Zweiter, Dritter oder Vierter werden." Wie will die Finanzexpertin ihren Wahlkampf weiter bestreiten, um am 2. April als Siegerin hervorzugehen? Die Inhalte für die sie stehe, seien mittlerweile bekannt. Jetzt gehe es vor allem darum, dass die Menschen "mir das Amt persönlich zutrauen". Entgegen des ursprünglichen Plans, wird Heike Sonntag bei der Neuwahl am 2. April nicht im Urlaub weilen, sondern in Sipplingen. "Erstens ist an dem Tag die Einführung meines neuen Chefs (Robert Scherer als Bürgermeister in Meersburg, Anm.)", sagt sie. "Und zweitens hat es das doch noch nie gegeben, dass ein möglicher neuer Bürgermeister bei seiner Wahl am anderen Ende der Welt ist."
Ralph Freund (24,27 Prozent): Als der Name von Ralph Freund auf dem Rathausplatz verkündet wurde, drückte ihn seine vierjährige Tochter fest an sich. Für sie stand fest: Der Papa hat gewonnen. Mit den 289 Stimmen, die Ralph Freund bei den Bürgermeisterwahlen verbuchen konnte, stimmt das zwar nicht ganz. Für Freund war der Stimmenanteil von 24,27 Prozent aber auch nicht so schlecht, dass er gleich einen Rückzieher machen würde. In einer spontanen Reaktion sagte er: "Das ist ein sehr enges Ergebnis, und alles ist noch offen", so der Bankbetriebswirt.
Dennoch wolle er eine Nacht darüber schlafen, bevor er eine Entscheidung über eine weitere Kandidatur trifft. Im Falle einer erneuten Kandidatur wolle er versuchen, mit seinen Aussagen "etwas konkreter" zu werden, "und näher zu den Menschen zu gehen". Auf die Frage nach Beispielen, bei denen er konkreter werden wolle, antwortete Freund: "Ich möchte bei der Frage der Entwicklung des Dorfs noch deutlicher machen, welche Aufgaben vor uns liegen." Es gebe Bedarf in gewissen Bereichen, "einfach nur den Status quo zu halten", das wäre in seinen Augen eine verfehlte Rathauspolitik für die nächsten Jahre. Die Nervosität am Wahlsonntag vertrieb sich Ralph Freund mit einem Besuch bei seinem Bruder, der in Sipplingen wohnt und Geburtstag feierte. Außerdem werkelte er bei sich zu Hause im Garten und spielte mit seiner Tochter. Sie hatte beim Warten auf das Wahlergebnis im Bürgersaal gefragt: "Das musst Du acht Jahre machen?"
Stefan Metzger (1,60 Prozent): Stefan Metzger kann kurz nach der Verkündung des Ergebnisses schon wieder lachen. "19 Stimmen – das ist schon heftig, oder? Zwar habe er im Vorfeld schon gedacht, dass er nicht der Favorit sei. Dass er dann aber doch nur auf 1,6 Prozent der Stimmen kommt, sei schon schade – "auch wenn ich mir null Gedanken über ein mögliches Ergebnis gemacht habe". Angesichts des schwachen Ergebnisses will er nicht mehr zu einem zweiten Wahlgang antreten.
Bei der Ursachenforschung machte Stefan Metzger drei entscheidende Punkte aus: Zum einen die offizielle Kandidatenvorstellung: "Da lief einfach alles schief, was schief laufen kann". Zum anderen seine fehlende Präsenz in Sipplingen: "Der Wahlkampf war von der Zeit her sehr ungünstig." Er habe in seinem Beruf als Steuerfachwirt zurzeit sehr viel Arbeit gehabt. Vor allem aber lobte er seine drei "sehr starken Konkurrenten": "Alle drei haben einen super Wahlkampf geleistet." Eine Wahlempfehlung für einen der drei verbliebenen Kandidaten möchte er jedoch nicht abgeben. Trotz der wenigen Stimme ziehe er mit positiven Gefühlen nach Sipplingen, sagt Metzger. Während des Wahlkampfes habe er positive Gespräche geführt und tolle Erfahrungen gemacht – dafür sei er sehr dankbar. Als Neubürger will er sich dann auf andere Weise für die Gemeinde einsetzen. "Für mich ist es völlig natürlich, dass man sich in die Gemeinschaft einbringt", sagt er, bevor er mit Familie und Freunden zum Essen geht. (mde)