Es gibt etwas, das ist derzeit gefragter als Toilettenpapier. Regale mit dem Hygieneartikel werden doch öfter mal nachgefüllt – zumindest zwei- oder dreilagige Ware für die robusteren Hinterteile gibt es. Bäckerhefe indes war seit Wochen nirgendwo mehr zu bekommen. Das Triebmittel, das Brot- und anderen Teig luftig aufgehen lässt, gab es weder in frischer Form noch als Trockenprodukt. Während die Mehlregale zwar dauernd leergekauft sind und viele fleißige Mitarbeiterhände schnell wieder Nachschub einsortieren, herrschte und herrscht teils noch immer gähnende Leere, wo sonst in Supermärkten und Discountern die Hefe liegt.

„Ja, die Menschen haben offensichtlich das Brot backen entdeckt“, sagt Ferdinand Knoblauch, der als Inhaber zwei Edeka-Märkte in Oberuhldingen und einen in Meersburg betreibt. Die Kunden kaufen Mehl und Hefe, als ob morgen alle Läden dicht machen? „Das ist zu hundert Prozent richtig“, meint Knoblauch. „Vor genau 14 Tagen ist das Problem aufgetaucht“, beschrieb Knoblauch eine Woche vor Ostern für seine Märkte im ersten Gespräch mit dem SÜDKURIER.

Anfangs seien noch einige Male kleinere Mengen geliefert worden. „Von zehn bestellten Einheiten kamen dann mal zwei.“ Doch dann blieben auch die Teillieferungen aus. Und der Unternehmer fragte dann auch bei der Edeka-Einkausfsleitung nicht mehr nach, „weil all das, was mir da heute jemand sagt, morgen schon wieder überholt sein kann“, charakterisierte er die aktuelle Situation. Nach den SÜDKURIER-Gespräch hakte er dann doch nochmals nach.


Und Ferdinand Knoblauch erhielt eine gute Nachricht. Vor Ostern kämen auf jeden Fall wieder Lieferungen. Sowohl Frisch- also auch Trockenhefe würden nach und nach geliefert. Allerdings sollten Kunden, zumindest bei Knoblauch, nicht mehr im Kühlregal suchen, wo die Frischhefe sonst liegt. „Vorerst werden wir sie portionsweise an der Käsetheke abgegeben“ – ähnlich wolle man mit der Trockenhefe verfahren, die sonst bei den Backzutaten liegt. Also einfach nachfragen.

„Ich habe das Gefühl, dass die Kunden auch deshalb mehr backen, weil sie einfach in den Bäckereien, die oft klein Räumlichkeiten haben, das Anstehen vermeiden wollen.“ Ferdinand Knoblauch findet aber auch, dass es doch eine tolle Idee sei, „dass die Frauen oder Männer wieder mal backen“ – gerade wenn man zuhause sein muss wegen der Coronabeschränkungen und die Zeit mit Kindern gestalten wolle.

Und Mehl? Wenn das Supermarktregal ausnahmsweise mal leer ist, dann gibt es Mehl auch beim Müller. Ja, einen gibt es noch im Bodenseekreis. Ulrich Wolf im Salemer Teilort Neufrach ist in der Region der letzte seines Standes. Bei ihm begannen die Hamsterkäufe schon Ende Februar. Woher die Kunden kommen, weiß er nicht so genau, aber andere Autokennzeichen als FN hat er noch keine gesehen vor seiner Mühle. Trotz der hohen Nachfrage sind seine Regale gut gefüllt. „Mit Papiertüten hatte ich mal zwischendurch Probleme deshalb“, sagt der Müller. „Aber die Sache ist so: wenn‘s Mehl verkauft ist, mahle ich halt wieder – und ich habe ja auch meine eigene Wasserkraft.“

Ulrich Wolf betreibt die Neufracher Mühle in der neunten Generation väterlicherseits. Ein Mühlrad drehte sich an diesem Standort an der Deggenhauser Aach aber schon im 13. Jahrhundert. Das heutige Gebäude ist genau 300 Jahre alt und die Mühle selbst wird mittlerweile indirekt über eine Wasserturbine angetrieben, sie liefert über einen Generator Strom. Und der treibt kein Mahlwerk an, das das Korn zerreibt, sondern es wird durch Riffelwalzen aufgebrochen. „Das Mehl ist griffiger, staub nicht und lässt sich besser verarbeiten – so eine Mühle gibt es wohl in ganz Deutschland nicht mehr“, erläuterte Müller Wolf bei einem Besuch des SÜDKURIER in seiner Mühle.

Übrigens: Das Getreide, das Ulrich Wolf in seiner Neufracher Mühle verarbeitet, stammt natürlich aus der Region. Der Weizen kommt aus Lipbach, aus Mühlhofen und aus Rickenbach. Den Roggen bauen Landwirte in Frickingen an. Nur den Dinkel lässt sich Wolf aus Bayern liefern.