Am 21. April 2006 hat in Oberteuringen das erste „Sprungbrett“ stattgefunden. Die Teuringer Talentpräsentation war die Idee von Bruno Rauscher. Seither haben rund 580 Teilnehmer auf der Kleinkunstbühne in der Mühle gestanden – jede Veranstaltung eine Wundertüte. Das alte Gebäude wurde in den vergangenen zehn Jahren öfter so gründlich gerockt, dass die Wände bis hinab in die Gewölbekeller wackelten. Das kann nicht immer zur hellen Freude der Nachbarn gewesen sein, doch anstatt sich zu beschweren, brachten diese im Herbst Äpfel für die Akteure vorbei. Dafür hat sich Moderator Bene Amann am Samstag besonders bedankt.
Der Radolfzeller Liedermacher Kosja Vino muss Äpfel mögen, denn er war der erste, der sich auf die Liste der Bewerber setzen ließ. Von seinem Barhocker aus warf er am Samstagabend einen Blick ins Publikum und bemerkte: „Eine kleine überschaubare Runde – aber erlesen.“ Mit seinen Kuschel- und Randaleliedern reist der Barde von Konstanz bis nach Wuppertal und die Routine spiegelt sich in der Lässigkeit, mit der er Lieder wie „Der Floh und der Eskimo“ oder „Der Kakadu aus Katmandu“ präsentiert. Gitarre spielt Kosja Vino, seit er zehn war und weil er seit der neunten Klasse so verliebt ist, findet sich auf seiner neuen CD, die im Herbst 2013 hätte herauskommen sollen, so war es jedenfalls geplant, auch ein Liebeslied.
Um Liebe geht es auch in den Texten der 19-jährigen Marisa Pecchinenda – um Elfenliebe. Ihr erstes Buch „Tautränen – Die Nähe, die du zulässt“ ist tatsächlich 2013 erschienen. Die junge Autorin aus Friedrichshafen hat daraus von Beerdigungsritualen der Elfen vorgelesen. Für die noch unveröffentlichte Fortsetzung hat sie die Perspektive gewechselt. In der Kürze der Zeit hat das dem Publikum in der Mühle viel Konzentration abverlangt, der viel Beifall folgte. Ein weiteres Häfler Talent, aber auf einem ganz anderen Gebiet, ist Jürgen Vischer. Der Liedermacher war schon öfter als Solist oder mit Band in der Mühle zu hören. Am Samstag hatte er nichts weiter dabei als seine Gitarre, seine Stimme, ein paar Coversongs und ein einziges eigenes, von „Faust“ inspiriertes Lied, das er „Hellfire“ nannte. Einerseits schade, denn davon hätte man gerne mehr gehört, andererseits klingen bei ihm schon die hingebungsvollen Interpretationen so, als hätte er „Boat on the river“, „House of the rising sun“ und „Lokomotive breath“ soeben höchstpersönlich erdacht.
Selbst geschrieben und zum allerersten Mal öffentlich vorgetragen waren die berührenden Gedichte von Thomas Hügler aus Meckenbeuren. Für ihn sei das wie Seelenstriptease, sagte er und zeigte, dass man mit wenigen Worten manchmal mehr sagen kann als mit langen Texten. „Wo die Depressionen wohnen“, gibt dem Unaussprechbaren der Krankheit Worte. Seine Gedichte sind Gedanken der Seele, die aufkommen, wenn die hereinbrechende Nacht graue Seelendrachen schickt. Das Publikum hat Thomas Hügler mit langem Applaus gedankt.
Stephan Melzer, Franz Dennenmoser und Dieter Birkendahl haben die Zuhörer mit köstlichen Akustik-, Folk- und Popklängen schnell wieder auf andere Gedanken gebracht. Wenn man, wie hier, gute Musiker in seinem Team hat, kann man den Ball einfach in die Gruppe werfen; es ist egal, wer ihn fängt. Sei es Dieter, der mit perfektem Gitarrenspiel glänzt und eigene Lieder schreibt oder Franz, ein virtuose an der Geige, die er souverän gegen das Akkordeon tauscht und notfalls sogar tschechisch singt, oder Franz, ein Multitalent mit schönem Bass. Den Roots-Charakter von Stan Rogers „Rolling Down to Old Maui“ unterstreicht er locker auf der Dulcimer, die aus einer Zeit stammt, als es im Wilden Westen noch keine Gitarren gab und beim „Cup Song“ der Carter Family gibt er ganz selbstverständlich den coolen Percussionskünstler. Schön, dass das Trio nicht auf 20 Minuten reduziert wurde, sondern sein ganzes Repertoire spielen durfte.