Markdorf – Einen richtigen Bühnenvorhang gibt es keinen. Doch auch ohne dessen Fallen ist dem Publikum klar, dass das Stück vorbei ist. „Knallwut – ein Hoch auf die Gefühle“ heißt es. „Ein Stück mit Puppen, Menschen und Schnüren“ haben es Claudia Engel und Annika Pilstl, die beiden Protagonistinnen beziehungsweise Puppenspielerinnen in dem Schauspiel genannt. Zwei Mal haben sie am Vormittag ihre „Knallwut“ aufgeführt. Nun haben sie das Stück noch in einer Nachmittagsvorstellung gegeben. Und wieder sind die Bankreihen in der Stadthalle voll – mit Kindern sowie den sie begleitenden Erwachsenen.

„Mir hat das Stück sehr gut gefallen“, erklärt Tatou. „Weil es um Gefühle gegangen ist“, erläutert die Achtjährige dann weiter. Im Zentrum der Handlung auf der Bühne stand die Wut. Die besteht aus einem hochroten Handpuppen-Kopf mit herabgezogenen Mundwinkeln. Mimik, Gebaren – einfach alles an der Wut erinnert an einen zürnenden Grundschüler. Sein nach innen gekehrter Trotz, wenn er sich ungerecht behandelt fühlt von den Eltern. Sein Poltern, wenn ihn seine kleine Schwester auf die Nerven geht. Sein hemmungsloses Toben, nachdem er sich immer mehr in seinen Unmut hineingesteigert hat. Doch so abschreckend solche Überreaktionen auch sind. Am Ende des Stücks nimmt Tatou mit: „Irgendwie kann ich die Wut jetzt auch besser verstehen.“

Claudia Engel und Annika Pilstl aus Berlin spielen beim Kindertheater-Festival im vergangenen Jahr virtuos mit ihren Gefühlen. ...
Claudia Engel und Annika Pilstl aus Berlin spielen beim Kindertheater-Festival im vergangenen Jahr virtuos mit ihren Gefühlen. Archivfoto: Jörg Büsche | Bild: BUESCHE,JOERG

Lehrreiche Inhalte

Das geht den übrigen Besuchern wohl ebenso. Den Kindern, aber auch den Erwachsenen, denen gleichermaßen der Spiegel vorgehalten wurde. „Nein, das war nicht nur Kindertheater, das war auch ein Stück für uns Erwachsene“, erklärt eine Besucherin, die den Dialog mit Tatou mitbekommen hat. Denn die Schauspielerinnen auf der Bühne haben ein breites Gefühlsspektrum aufgezeigt und zudem die Möglichkeiten des Umgangs damit präsentiert. Da wurde gezankt, gemobbt, gestritten, sich wieder versöhnt. Und da wurden auch alle Gefühle weggesperrt. Bis klar war, dass Gefühle dazu gehören – auch die, die manchmal stören, wie etwa die Wut.

Sie ängstigt jetzt niemanden. Im Gegenteil: Die Kinder, die – von Claudia Engel und Annika Pilstl dazu eingeladen – vorn in den Bühnenbereich gekommen sind, schauen sich die Handpuppen-Köpfe ganz genau an: die Angst, die Freude, die Eifersucht – ebenso die übrigen Utensilien des Stücks. Etwa die Knäuel aus rötlichen Schnüren, mit deren Hilfe sich die verwirrende Verworrenheit der Gefühle so anschaulich demonstrieren ließ. Die Kinder befragen auch die beiden Schauspielerinnen zu ihrer Kunst.

„Ins Theater zu gehen, ist etwas ganz Wichtiges für Kinder“, erklärt Barbara Ossenberg-Burdack, eine der Lehrerinnen, die Schüler aus der Leimbacher Grundschule zu der „Knallwut“-Vorstellung gebracht haben. Im Theater begegnen Kinder ganz neuen Situationen, erläutert die Lehrerin weiter. Denn dort sehen sie lebendige, sehr direkte Abläufe, Schauspieler, echte Menschen und keine Filmfiguren. Die Kinder lernen, sich auf unbekannte Rollen einzulassen. Was dann hilft, auch die eigenen Rollen besser zu verstehen. Und die Kinder müssen sich konzentrieren. Was im Theater vor allem dann gelingt, wenn sie von den Akteurinnen auf der Bühne mitgenommen werden.

Meike Bärnweiler mit ihrem dreijährigen Sohn Lenz auf dem Arm freut es, „dass Markdorf wirklich viel für Kinder macht“.
Meike Bärnweiler mit ihrem dreijährigen Sohn Lenz auf dem Arm freut es, „dass Markdorf wirklich viel für Kinder macht“. | Bild: BUESCHE,JOERG
Sarah Schwinkendorf mit Luca und Mina. Die Mutter findet es schön, „dass die Stadt so ein tolles Angebot für Kinder macht“.
Sarah Schwinkendorf mit Luca und Mina. Die Mutter findet es schön, „dass die Stadt so ein tolles Angebot für Kinder macht“. | Bild: Jörg Büsche

„Das Theaterfestival in der Stadthalle ist ein tolles Projekt“, befindet Sarah Schwinkendorf. Die junge Mutter im Publikum freut, „dass die Stadt so ein tolles Angebot für die Kinder macht“. So sieht es auch Meike Bärnweiler: „Das Theaterfestival ist einfach ein super Angebot für Familien.“

Außer auf Qualität achte er auch darauf, dass die Angebote beim Festival nicht nur den kleinen, sondern auch den großen Besuchern gefallen, erklärt Claudius Beck. Er ist Programmgestalter des fünftägigen Bühnen-Events. „Mit den Besucherzahlen bin ich sehr zufrieden“, sagt er am Dienstagnachmittag.

Kinder-Theaterfestival-Macher Claudius Beck ist sehr zufrieden mit den Besucherzahlen.
Kinder-Theaterfestival-Macher Claudius Beck ist sehr zufrieden mit den Besucherzahlen. | Bild: BUESCHE,JOERG

Viele Inszenierungen waren bald ausverkauft, doch für die Aufführungen am Freitag- und Samstagnachmittag der Truppe Kirschkern Compes & Co seien noch Karten zu bekommen.