Markdorf – Bloß ein kleines Stück des Wegs stand auf dem Programm. Von den rund 2000 Kilometern, die Distanz zwischen Santiago de Compostela und Ulm, wollte diese Wandergruppe nur sechs Kilometer zurücklegen. Das Wegstück zwischen der am 25. Juli 2015, dem damaligen Jakobstag, eingeweihten Pilgerstation zwischen Unterteuringen und Hepbach und der Markdorfer St.-Nikolaus-Kirche. Wobei dieser Zielpunkt keineswegs der Höhepunkt war. Dies war der kürzlich aufgestellte Pilgerstein, der am Sonntag seinen kirchlichen Segen bekam. Die Einweihungsfeier wurde von Bläsern des Riedheimer Musikvereins begleitet. Die Meersburger Pfarrerin Sigrid Süss-Egervari und Gemeindereferentin Stefania Menga nahmen die Segnung vor.
Der Gedenkstein ist eine Platte in Muschelform, die Jakob Strauß, der Initiator der Wanderung, gemeinsam mit seinen beiden Brüdern Paul und Konrad zu einem Gedenkstein umgearbeitet hatte. Unterstützung gab es von Steinmetzmeister Christoph Wohlrab und Unternehmen.
Jakob Strauß‘ Idee dabei war, wie auch bei den beiden anderen bereits vor neun Jahren eingeweihten Stationen auf Markdorfer Gemarkung – bei Unterteuringen und bei Oberleimbach – Orte zu markieren, an denen Jakobspilger Halt machen können. Um zu rasten, die schöne Aussicht zu genießen oder um zu beten. Außerdem sollten auch alle anderen Spaziergänger auf den Informationstafeln lesen können, welche Bewandnis es mit dem Jakobsweg hat, der immerhin 15 Kilometer lang auf Markdorfer Gebiet verläuft.
Thomas Geßler muss nicht nachlesen. Der 64-jährige Betriebswirt aus Ittendorf kennt den Jakobsweg aus eigener Erfahrung. Er ist die 1850 Kilometer von Ittendorf bis ins galicische Santiago de Compostela bereits gelaufen – vor zwei Jahren, in 94 Tagen. Auch für etliche andere Teilnehmer der dreistündigen Pilgerstein-Einweihungstour war dies keineswegs ihre erste Jakobsweg-Wanderung.
Naturverbundenheit als Motivation
„2009 bin ich die spanische Strecke gelaufen – so wie Hape Kerkeling“, sagt ein Teilnehmer. Dessen Buch „Ich bin dann mal weg“ über seine Pilgerreise hatte in Deutschland zu neuer Popularität des Pilgerns geführt. Solchen Anreiz brauchte es für Thomas Geßler nicht. Naturverbundenheit und durchaus auch religiös-spirituelle Beweggründe nennt er als seine Motivation für die strapaziöse Wanderung. „Mich reizt auch die Begegnung mit den Menschen.“ Des Spanischen von Berufs wegen mächtig, komme er unterwegs auch mit sehr vielen Menschen ins Gespräch.
Dieter Ecker sorgt dafür, dass die Markdorfer Jakobsweg-Wanderer im Gespräch bleiben. Einmal im Quartal organisiert der 88-Jährige einen Treff in der Krone. „Es gibt ganz verschiedene Gründe, den Jakobsweg zu gehen“, erklärt Ecker, „bei den einen ist es reine Abenteuerlust, andere suchen eine neue Orientierung nach einer Lebenskrise, Scheidung oder schweren Krankheit – und wieder andere pilgern tatsächlich aus religiösen Gründen.“ Alle aber würden nach dem Jakobsweg verändert wiederkehren.
Rudolf Gässlein pilgert seit 20 Jahren. „Ich habe zunächst mit kleineren Strecken in der Schweiz angefangen, Wochenendtouren von Konstanz aus.“ Ja, und Abenteuerliches begegne auch ihm unterwegs, berichtet der 74-Jährige. Zum Beispiel „wenn die Wegmarkierung plötzlich fehlt – in der Zeit vor dem Handy konnte das dann recht schwierig werden.“
Erika Kiefer gehört nicht zu den Jakobspilgern. Für sie war die Einweihungswanderung ein Spaziergang. Doch auch sie wandere regelmäßig, zusammen mit den Markdorfer Dienstagswanderern. „Wir treffen uns vormittags zu geführten Wanderungen mit anschließender Einkehr“.
Und für Heiko Klingenstein, den mehrfachen Jakobspilgerer, war es überhaupt erst die Muschel, das Erkennungszeichen der Jakobspilger, die seine Neugier weckte. „Mir war noch gar nicht klar, was sie zu bedeuten hat.“ Solche Unklarheit herrscht nicht beim Gedenkstein oberhalb von Leimbach. Dort informiert eine Tafel über die Hintergründe. Doch muss zunächst erst wieder die Farbe entfernt werden, die Unbekannte kurz vor der Einweihung auf Stein und Tafel gesprüht haben.
Der Jakobsweg
Der Jakobsweg führt nach Santiago de Compostela in Nordspanien, wo sich angeblich das Grab des Apostels Jakobus befindet. Er ist aber nur ein Pilgerweg unter vielen. Denn das Sich-auf-den-Weg-Begeben zu spirituellen und religiösen Orten gibt es in fast allen Religionen. Für die Christen sind neben Santiago de Compostela auch Rom oder Jerusalem wichtige Pilgerziele. Heute sind die religiösen Motive für eine Pilgerwanderung zugunsten anderer Beweggründe zurückgetreten.Das sehen Sie zusätzlich online
Weitere Bilder von der Pilgerwanderung und der Einweihung:http://www.sk.de/12135538