Von Stefanie Nosswitz

Markdorf – Wie kann man einem traumatisierten Kind wieder ein Lächeln aufs Gesicht zaubern? Einem Kind, das abgemagert, erschöpft und verschlossen ist, weil es im Kriegsgebiet in der Ostukraine lebt? Die Kunst- und Familientherapeutin Elke Castner engagiert sich ehrenamtlich bei der Organisation "Start International", die es sich zur Aufgabe gemacht hat, von Krieg oder Naturkatastrophen traumatisierten Kindern und Jugendlichen mit Methoden aus Kunst-, Bewegungstherapie und Pädagogik zu helfen. "Wir möchten den Glanz in den Augen zurückbringen", sagt die Markdorferin, die zwei Wochen mit einem Team an der Grenze zu Russland, 80 Kilometer von den Kriegsregionen Donbass, Avdeevka und Krasnogokovka entfernt, unterwegs war. Insgesamt hat das Team zwei Camps besucht, um mit traumatherapeutischen Elementen zum einen die Kinder in ihrer seelischen Widerstandskraft zu stärken. Zum anderen werden die vor Ort arbeitenden ehrenamtlichen Mitarbeiter geschult. Für Castner war es nach Tunesien und in der Türkei der dritte Einsatz mit der Organisation.

Im ersten Camp werden rund 45 Kinder und Jugendliche zwischen vier und 16 Jahren betreut. Das Besondere ist, dass alle Kinder aus den Kriegsgebieten kommen und nach zehn Tagen wieder dorthin zurückkehren. Für Elke Castner eine neue Situation. "Normalerweise befinden sich die Kinder auf einem sicheren Territorium. Dass sie wieder zurückgeschickt werden, macht einen sprachlos", berichtet die Markdorferin, deren Aufgabe es war mit künstlerisch-pädagogisch-therapeutischen Aktivitäten die Kinder zu stabilisieren und ihre Resilienz zu fördern.

"Einige haben vor lauter Schreck die Buchstaben vergessen oder konnten sich nicht mehr erinnern, wie man ein Musikinstrument spielt", so Castner. In der zweiten Woche arbeitete das Team in Kiew in einem Camp mit 180 Kindern.

Wenn man vom Krieg in der Ukraine hört, denkt man laut Elke Castner immer nur an die Krim. "Dort passiert allerdings nichts, da ist es friedlich", sagt sie. Die Kinder und die ganze Zivilbevölkerung sind die Leidtragenden. "Wie soll die Zukunft gestaltet werden, wenn durch Kriege ganze Generationen ausgelöscht werden?", fragt die Kunsttherapeutin. Ihren Einsatz sieht sie als Beitrag zum Weltfrieden. Jeder sollte Menschen helfen, wenn man helfen kann. "Ich tue das, was ich kann." Das gelte für Einsätze im Ausland wie auch vor der eigenen Haustür. Gerade Markdorf erlebe sie als sehr hilfsbereit, vor allem was die Unterstützung der Flüchtlinge betrifft. "Dennoch möchte ich zu bedenken geben, dass wir die Menschen stärken müssen, welche vor Ort in den Krisengebieten leben", so Castner.

"Das ist eine katastrophale und ausweglose Situation, die sich dort in der Ukraine abspielt", beschreibt Castner das Erlebte. Die Kinder kommen aus Familien, die sich eine Flucht nicht leisten können. Mit Geschichten und Märchen versucht sie bei den jungen Menschen positive innere Bilder herzustellen. Es sei erschütternd mit ansehen zu müssen, wie erschöpft und verschlossen die Kinder seien, teilsweise seien sie einfach auf einer Bank sitzend eingeschlafen. "Man spürt ihre Bedürftigkeit und möchte ihnen ganz viel Energie, aber auch Ruhe geben", so Castner.

Sie hat beobacht, wie mit der Zeit die innere Unruhe nachgelassen hat, und die Kinder für einige Tage durchatmen konnten. Und so hatte Elke Castner das Gefühl hilfreich gewesen zu sein. Um die Arbeit fortsetzen zu können, ist die Organisation auf Spenden angewiesen. Auf die Markdorferin wartet bereits der nächste Einsatz: In einigen Wochen geht es nach Nairobi.

Start International unterstützt vor Ort

  • Die Gründung: Nach dem Sommerkrieg 2006 zwischen Israel und dem Libanon reiste ein Team von Pädagogen und Therapeuten nach Beirut, um dort mit kriegsbetroffenen Kindern und Jugendlichen zu arbeiten. Dieses Pionierteam bildete sich vielseitig fort und gründete nach weiteren Einsätzen im Libanon und in Georgien den Verein Start International. Der Verein finanziert sich über Spenden, Mitgliedsbeiträge und Stiftungszuwendungen.
  • Die Vereinsarbeit: Schwerpunkte sind unter anderem die pädagogisch-therapeutische Nothilfe im Ausland für durch Krieg, Flucht oder Naturkatastrophen betroffene Kinder und Jugendliche durch Resilienzstärkung und traumatherapeutische Maßnahmen, die Fortbildung im Ausland von lokalen Fachkräften, die Fortbildung von ehrenamtlichen und professionellen Unterstützern von Flüchtlingen in Deutschland und Europa sowie Bildungsprojekte im Ausland zur Unterstützung der weltweiten Verbreitung einer kindgerechten Erziehung und Bildung.
  • Das Team: Die qualifizierten Fachkräfte verfügen alle über jahrelange Berufserfahrung als Pädagogen und/oder Therapeuten mit Schwerpunkt in mindestens einem künstlerischen Bereich. Sie bilden sich laufend fort, vor allem zu Themen der Traumabewältigung und Resilienzstärkung in Nothilfesituationen.
Informationen im Internet: www.start-international.org