Herr Weisner, Sie gehen zum Schuljahresende in Pension. Wie haben Sie Ihre letzten Tage an der Schule erlebt?

Der stärkste Eindruck waren eigentlich die schmunzelnden Kinder, so nach dem Motto „Wir wissen was, was du nicht weißt“. Natürlich gab es zum Abschluss auch nochmals viel Arbeit. Da ich mich ja von zwei Schulen verabschiede, kann ich schon fast von einem Festmarathon sprechen. Dabei habe ich sehr viel Wertschätzung erlebt, was mich sehr freut. Wie viele andere verlasse auch ich meinen Arbeitsplatz mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Das Kollegium freut sich mit mir, hat aber auch Sorge, da es aktuell für beide Schulen noch keinen Nachfolger, sondern nur kommissarische Schulleitungen gibt.

Woran liegt das?

Eine Rektorenstelle bedeutet eine sehr umfangreiche, aber auch eine sehr vielseitige und abwechslungsreiche Arbeit. Die Stellen sind nicht begehrt, da man nur geringfügig besser gestellt ist als der Rest des Kollegiums. Dabei trägt man für die ganze Schule die Verantwortung und muss den Ausgleich zwischen Kindern, Kollegium, Schulaufsicht und Eltern schaffen. In diesem Spannungsfeld zu agieren ist nicht immer einfach. Als Rektor ist man für die administrativen Aufgaben zuständig. Auf der anderen Seite steht die pädagogische Arbeit in der Klasse, die bei mir zuletzt 14 Schulstunden umfasste. Nur im vergangenen Schuljahr habe ich nicht unterrichtet, da ich auch in der Grundschule in Leimbach als Rektor tätig war.

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Warum haben Sie sich trotzdem für diese Aufgabe entschieden?

Ich habe sie als Herausforderung gesehen und habe es geschätzt, dieser Aufgabe gerecht zu werden. Als Rektor hat man die Möglichkeit, Visionen zu verwirklichen und Richtungen vorzugeben. Dabei gibt es viel Schönes, wie zum Beispiel die Wertschätzung des Kollegiums oder des Schulträgers.

An welche Herausforderungen werden Sie sich ganz besonders erinnern?

Die Pandemie war schon eine richtig fordernde Sache, auf die niemand wirklich vorbereitet war. Positiv war jedoch, dass Corona die Digitalisierung vorangetrieben hat. An der Grundschule Kluftern waren wir zwar relativ gut vorbereitet, da wir schon seit 2003 Multimedia-Modellschule waren und unsere Infrastruktur deshalb vergleichsweise sehr gut war. Trotzdem ist das Thema Homeschooling für Grundschulen eine echte Herausforderung.

Abschied von der Grundschule Kluftern: Für den scheidenden Rektor Tilo Weisner beginnt mit Eintritt in den Ruhestand ein neuer ...
Abschied von der Grundschule Kluftern: Für den scheidenden Rektor Tilo Weisner beginnt mit Eintritt in den Ruhestand ein neuer Lebensabschnitt. | Bild: Claudia Wörner

Was hat sich über die Zeit, in der Sie Schulleiter waren, verändert?

Im Laufe dieser 21 Jahre hat sich vieles neu entwickelt. Dabei ist die wachsende Digitalisierung ein bestimmendes Merkmal. Die Schulen haben inzwischen alle tolle Profile und auch die Einführung der Gemeinschaftsschule war ein Meilenstein in der Bildungspolitik. Sorge bereitet mir tatsächlich, dass mit meinem Ausscheiden für zwei funktionierende Schulen kein Nachfolger gefunden werden konnte. Ich frage mich, was aus den Sonntagsreden geworden ist, wenn ich sehe, wie knapp die Lehrerstunden und Deputate auf Kante genäht sind. Aktuell fehlen hinten und vorne Lehrer. Als ich als Rektor angefangen habe, hatte jede Schule noch Ergänzungsbereiche für AGs und Beziehungsarbeit zwischen Lehrern und Schülern. Das halte ich für sehr wichtig. Heute sind die Schulen nicht mehr für eventuelle Ausfälle gerüstet. Wird ein Kollege krank, dann rutscht man sofort ins Minus.

Wo hat es besonders gehakt?

Vonseiten der Schule hat es mit den Videokonferenzen geklappt, aber nicht alle Elternhäuser waren entsprechend ausgestattet. Zum Glück stellte die Stadt Friedrichshafen Leihgeräte zur Verfügung. Gefehlt haben aber auch die ganzen Events und Schulveranstaltungen. Unsere Drittklässler erlebten in diesem Jahr erstmals Feste von St. Martin über die Fasnet bis zum Seehasenfest. Jeder hat gespürt, wie gut das tut und wie sehr die Kinder diese Veranstaltungen genießen. Das gilt auch für Schulversammlungen, die der Schulgemeinschaft einfach guttun.

Und wie sieht es mit dem Lernen während der Pandemie aus?

Ich glaube nicht, dass es bei uns in Kluftern oder Leimbach Kinder gibt, die komplett auf der Strecke geblieben sind. Es gab Schwierigkeiten, aber es lässt sich nicht immer genau sagen, ob wirklich Corona der Auslöser war. Über das Projekt „Lernen mit Rückenwind“ bemühen wir uns, Defizite auszugleichen.

Der Rektor der Grundschule Kluftern verabschiedet sich: Für Tilo Weisner hatte immer Priorität, dass sich alle in der Schule wohl ...
Der Rektor der Grundschule Kluftern verabschiedet sich: Für Tilo Weisner hatte immer Priorität, dass sich alle in der Schule wohl fühlen. Das gilt besonders für die Kinder. | Bild: Claudia Wörner

Gehört die Integration geflüchteter Kinder ebenfalls zu den besonderen Herausforderungen?

Dieses Thema kam bei uns nur in abgeschwächter Form an. Wir haben nur eine geringe Anzahl von Schülern mit Fluchthintergrund und ihre Integration war gut machbar. Kinder aus der Ukraine sind bisher noch nicht an den Grundschulen in Kluftern oder Leimbach, da sie zunächst in Vorbereitungsklassen an der Ludwig-Dürr-Schule in Friedrichshafen unterrichtet werden. Geht es doch darum, dass sie zunächst Deutsch lernen. Unter dem Strich ist Schule an sich schon eine große Herausforderung.

Was hatte bei Ihrer Arbeit Priorität?

Priorität hatte für mich immer, dass sich alle in der Schule wohlfühlen. Die Kinder sollen gern zum Lernen kommen, die Lehrer gern zum Arbeiten und die Eltern gern zum Helfen. Ich glaube, das ist mir ganz gut gelungen. Schon 2010 haben wir in Kluftern mit projekthaftem, jahrgangsübergreifendem Lernen begonnen. Abgesehen von der Corona-Zeit hat das Schulleben im Jahresrhythmus immer geblüht.

Warum ist Lehrer nach wie vor ein toller Beruf?

Es ist ein toller Beruf, weil es tolle Kinder gibt. Sie zu führen, ihnen Werte und Inhalte zu vermitteln ist eine super schöne Aufgabe. Dabei sollte man den Blick für das Erfreuliche und Gute auf keinen Fall verlieren.

Verraten Sie uns Ihre Pläne für den Ruhestand?

Jetzt habe ich erst mal Sommerferien. Ich freue mich auf die Selbstbestimmung und darauf, mir Arbeiten auszusuchen, die mir Freude machen. Im Sportverein engagiere ich mich bereits ehrenamtlich, aber ich kann mir vorstellen, auch im kulturellen Bereich etwas zu machen. Auf jeden Fall freue ich mich jetzt auf das Neue.