Es ist laut. Laster, Autos und Wohnwagen ziehen dicht an dicht vorbei. Der neue Fischbacher Knoten ist selbst am Dienstagmittag rege befahren. Mittendrin: Radfahrer, die dem Bodenseeradweg folgen wollen und mal diagonal und mal geradeaus an der noch abgeschalteten Ampelanlage am noch nicht freigegebenen Streckenabschnitt der neuen B 31 die Straße queren.
Nur 300 Meter Radweg sind vier Meter breit
Der Radweg hier wird rege genutzt: Von Touristen, aber auch von Pendlern, die bei Airbus arbeiten. Gegenüber hinter einer Blumenwiese liegen 300 Meter Radweg, die alle Anforderungen für beidseitigen zügigen Radverkehr erfüllen. „Vier Meter breit ist dieser Abschnitt“, erläutert Bernhard Glatthaar, Kreisvorsitzender des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC).

Längste Teil des Radwegs nur 2,25 Meter breit
Rund 80 Prozent des Radwegs, der hier von Fischbach bis Immenstaad parallel zur Bundesstraße entlangführt, seien nicht so ausgebaut, sondern gerade einmal 2,25 Meter breit. Trotzdem dürfen hier Radler in beide Richtungen fahren; mit Familie und Kind eine wackelige Angelegenheit. Die Radwegbreite entspricht hier nicht den offiziellen aktuellen Empfehlungen für Radverkehrsanlagen. Diese Problematik ist keine neue, fügt Glatthaar hinzu. Kürzlich habe er Ute Stegmann, die Geschäftsführerin der Bodensee Tourismus GmbH, für den ADFC interviewt, die im Gespräch meinte: „Die Strecke zwischen Immenstaad und Friedrichshafen (ist) sicherlich die unattraktivste Strecke entlang des Bodenseeradweges.“ Und dann schilderte: „Ich erinnere hier auch gerne an meine Arbeit in der Tourist-Information in Immenstaad. Wir waren oft erste Anlaufstelle für aus Friedrichshafen kommende Radurlauber und wurden häufig mit folgendem Satz begrüßt: „Geht der Bodensee-Radweg in Richtung Meersburg so weiter? Wenn ja, dann brechen wir hier ab!‘“ (Das Interview ist hier nachzulesen.)

Sorge bei Berhard Glatthaar vom ADFC
Doch nicht nur die Gegebenheiten auf den Radwegen selbst kritisiert Glatthaar. Mit Sorge beobachtet er die Idee einer vorzeitigen Teilfreigabe, bevor die Radwegesituation an sich nicht nur verbessert, sondern auch die übrige Verkehrssituation entsprechend gelöst ist. Sobald die Teilfreigabe erfolgt, fällt die aktuelle Möglichkeit einer Straßenquerung an der aktuellen Baustelle weg. Es gibt dann die Möglichkeit, die Straße an derselben Stelle mit eingeschalteter Ampelanlage zu queren.

Scharfe Kritik am Gutachen
Ihre Frequentierung lässt sich aktuell nur erahnen, da Radfahrer ebenso wie Fußgänger in das Verkehrsgutachten von Modus Consult nicht einbezogen wurden. Glatthaar spricht von einem „Gefälligkeitsgutachten“. „Radfahrer wurden hier nicht einbezogen, das wurde aber vom Regierungspräsidium auch nicht in Auftrag gegeben.“ Bei der Ampel jedenfalls handelt es sich um eine Bedarfsampel, das heißt, Radfahrer müssten hier ordentlich Geduld mitbringen und das mitten auf dem Bodenseeradweg, den auch viele Feriengäste nutzen. Auch Autofahrer werden hier mittendrin ausgebremst und müssen vermutlich mit langen Wartezeiten rechnen. Dazu gibt es eine Engstelle zwischen Ampel und Fahrbahnbegrenzung. „Das ist für breitere Fahrräder mit Anhänger schon etwas eng“, kommentiert Willy Schuster, der ebenfalls dem ADFC-Vorstand angehört.

Es liegt also nahe, dass viele Radfahrer die Stelle mit Wartezeit – und den damit verbundenen Umweg – umgehen möchten und stattdessen an anderer Stelle die Straße queren.
Es gibt dafür zwei Optionen: Noch im Ortsinnern von Fischbach an einer kleinen Verkehrsinsel. Hier endet offiziell einseitig der Radweg, die Straßenquerung ist also für Radfahrer gedacht. Dennoch ist sie mit ihren 2,50 Meter so kurz, dass ein Rad mit Anhänger oder etwa ein Lastenrad über sie hinausragen würde.

Wer also ein größeres Zweirad fährt, kann hier nicht queren und muss zunächst Fischbach verlassen. Etwa mittig zwischen dem neuen Fischbacher Knoten und dem Ortsausgang findet sich eine weitere breitere neue Verkehrsinsel. Wer Glück hat, den lassen freundliche Lkw-Fahrer hier schnell queren.
Querung für Gruppen unzumutbar
Man quert allerdings hier sozusagen „auf offener Strecke“. „Aktuell ist die Geschwindigkeit hier noch stark begrenzt, vermutlich wird ab der Teilfreigabe hier Tempo 70 herrschen“, kommentiert Glatthaar. Bis zur Vollfreigabe werde außerdem der Schwerverkehr hier weiterhin fahren und durchschnittlich insgesamt 20 000 Kraftfahrzeuge täglich. Eine unangenehme Situation für die Radfahrer, das wird bei der gemeinsamen Begehung der Streckenabschnitte sicht- und hörbar. Glatthaar findet deutliche Worte: „Diese Querungen sind gefährlich und gerade für Gruppen und Familien unzumutbar.“
Das sind nicht die einzigen Probleme, die der ADFC im Kontext der vorgezogenen Teilfreigabe sieht: Auch an den weiteren Knotenpunkten werde es zu längeren Wartezeiten kommen: „Das bedeutet alles Einschränkungen für den Fuß- und Radverkehr.“ Weitere Kritikpunkte sind in einer ausführlichen Stellungnahme zu finden, die Glatthaar an das Regierungspräsidium Tübingen, die Stadtverwaltung, den Gemeinderat, die Initiativen rund um die B 31 sowie die Deges Berlin und die Deutsche Bodensee-Tourismus GmbH versandt hat und die man online nachlesen kann.
Im August soll es so weit sein und die Teilfreigabe erfolgen – übrigens auch entgegen der Kritik des Gemeinderats, der hier keine rechtliche Handhabe hat. „Anders wäre noch ein Jahr Zeit, um die Radwege auszubauen und Lösungen zu finden“, erklärt Glatthaar. Er fordert ein umfassendes Gutachten, das auch die Situation des Fuß- und Radverkehrs einbezieht und lehnt im Namen des ADFC die Teilfreigabe daher entschieden ab.