Jeden Morgen fahren die beiden Töchter der Langenargener Familie P. um Viertel vor sieben mit dem Zug nach Friedrichshafen zur Schule. Doch in den vergangenen Monaten kam es mehrfach vor, dass die Bahn entweder gar nicht kam oder Verspätung angesagt war. "Zum wiederholten Mal musste ich selbst den Fahrdienst übernehmen", schreibt Annette P. an den SÜDKURIER. Manchmal nimmt sie sogar weitere Kinder aus Langenargen mit, die aufs Gymnasium oder in die Realschule St. Elisabeth gehen. Für sie ist die leidliche Situation auf der Bodenseegürtelbahn doppelt ärgerlich, denn zum einen fehlt ihr als Berufstätige morgens die Zeit, als Eltern-Taxi unterwegs zu sein. Zum anderen zahlt die Familie im Jahr rund 800 Euro für die Schüler-Abokarten der Mädels.

Familie beschwert sich

Aus diesem Grund wandte sie sich an den Bodo-Fahrgastbeirat, um auf die missliche Situation hinzuweisen und nachzufragen, ob es denn eine Rückerstattung für zusätzliche Kosten gibt, wenn die Bahn den Fahrplan nicht einhält. Schließlich gebe es beim Verkehrsverbund eine Mobilitätsgarantie. Die gibt es tatsächlich: Erreicht ein Fahrgast wegen einer Verspätung oder eines Ausfalls von Bus oder Bahn sein Ziel mehr als 30 Minuten später als im Fahrplan ausgewiesen, kann er auf Kosten des Verkehrsverbunds aufs Taxi umsteigen.

Bodo erstattet im Nachhinein also die Kosten, allerdings nur bis zu einer Höhe von 35 Euro. Es sei denn, das Verkehrsunternehmen war nicht Schuld daran, etwa bei Unwetter, Bombendrohung, Streik oder wenn angekündigt wurde, dass die Strecke gesperrt ist. So steht es in den Beförderungsbedingungen. Demnach gilt die Mobilitätsgarantie für "Inhaber von Stadtverkehrswochen-, Monats- und Abokarten für Jedermann sowie Personen mit Schwerbehindertenausweis". Doch sie gilt nicht für Inhaber von Schülermonatskarten und Studi-Tickets. Das allerdings steht so nur auf dem Erstattungsantrag, der einzureichen ist, wenn man die Taxikosten ersetzt haben will.

Warum die Mobilitätsgarantie für Kinder und Jugendliche in Ausbildung nicht greift, weiß auch Anne Hackert, Pressesprecherin bei Bodo, nicht zu beantworten. Die Regelungen würden dem landesweiten Standard entsprechen. "Damit beurteilen wir nicht, ob es gerecht ist, dass Schüler von der Mobilitätsgarantie ausgeschlossen sind", sagt sie.

Probleme auf der Gürtelbahn

Abgesehen davon seien die Qualitätsprobleme auf der Bodenseegürtelbahn gerade im vergangenen Jahr bekannt. Wenn jemand deshalb mehrfach seine Kinder zur Schule fahren müsse, "steht das aus unserer Sicht auf einem neuen Blatt", so Anne Hackert, weshalb sich der Verkehrsverbund aus diesem Grund gern noch einmal um den speziellen Fall kümmern wolle. Zwischenzeitlich hat Familie P. von Bodo einen Gratis-Fahrschein erhalten und von der DB-Regio zwei Gutscheine über 20 Euro "sowie diverse Entschuldigungen".

Tatsächlich sind die Bedingungen der Mobilitätsgarantie bei allen 22 Verkehrsverbünden in Baden-Württemberg nahezu (wort)gleich geregelt. Von Bodo bis zum Waldshuter Tarifverbund: Alle Nahverkehrsgesellschaften führten im Jahr 2010 auf Wunsch des Verkehrsministeriums dieses Serviceversprechen ein. Damit sollten mehr Fahrgäste zum Umsteigen auf Bus und Bahn bewegt werden. Die meisten Verbünde übernehmen Taxikosten bis zu 35 Euro, wenige bis zu 50 Euro. Überall gilt die Garantie für Fahrgäste mit Zeitfahrausweisen, also Monats- und Jahreskarten oder Jobtickets. Und in keinem Verkehrsverbund fallen Schüler oder Studenten unter die Regelung.

Nur zehn Erstattungsanträge

Warum das so ist, erklärt das Verkehrsministerium des Landes so: Schüler, Azubis und Studenten bekommen ihre Tickets oder Monatskarten um zirka 25 Prozent subventioniert. Zweitens sei die Mobilitätsgarantie im ÖPNV im klassischen Schülerverkehr nicht zu gewährleisten, schreibt eine Sprecherin des Ministeriums auf Nachfrage. Aber: Verbesserungsbedarf wird gesehen. "Das Land hat diese Thematik im Zusammenhang mit der Umsetzung des Landestarifes auf der Agenda und wird zusammen mit den Verbünden bis 2021 eine gemeinsame Lösung anstreben", heißt es in der Stellungnahme. Übrigens: Genutzt wird die Mobilitätsgarantie von den Fahrgästen im Verkehrsverbund Bodo so gut wie nie. Nach Aussage von Anne Hackert gab es im vergangenen Jahr – wie in den Vorjahren auch – nur zirka zehn Erstattungsanträge. Dabei sind im vergangenen Jahr nur zwischen Friedrichshafen und Radolfzell allein 165 Züge ausgefallen.

 

In Stuttgart geht's

Ein Verkehrsunternehmen in Baden-Württemberg gewährt auch jungen ÖPNV-Nutzern die Mobilitätsgarantie: Bei den Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) greift die Kostenerstattung bereits ab 20 Minuten Verspätung, ab dem ersten Euro, der zusätzlich gezahlt werden muss, und bei jeder Art von Ticket – auch für Schüler und sogar für Einzelfahrscheine. Die SSB-Service-Garantie, die alle 72 Linien in der Landeshauptstadt einschließt, erweitert so quasi die Mobilitätsgarantie des Verkehrsverbundes Stuttgart, der für den Großraum zuständig ist. Allein in Stuttgart nutzen nach Angaben der SBB rund 600 000 Menschen täglich den innerstädtischen Nahverkehr. (kck)