Die Bahnstrecken in der Region sollen bis 2025 weitgehend sauberer, schneller und bequemer werden. Das sogenannte Elektrifizierungskonzept des Landes sieht millionenschwere Investitionen in das Stromnetz des Schienenverkehrs vor. Ob es letztlich auch so umgesetzt wird, hängt jedoch entscheidend vom Bund ab, der einen erheblichen Teil der Mittel aus einem Sondertopf zuschießen müsste, den Hermann anzapfen möchte.
Während die Arbeiten auf der Südbahn (Friedrichshafen-Ulm) sowie auf einem Teil der Hochrheinbahn (Basel-Singen) bereits laufen, sollen nach den Vorstellungen der grünschwarzen Landesregierung in einer zweiten Tranche bis 2025 die Zollernbahn (Albstadt-Sigmaringen), der Ringzug (Schwarzwald-Baar-Heuberg) und die Bodenseegürtelbahn (Radolfzell-Friedrichshafen) elektrifiziert werden. In einer dritten Tranche um das Jahr 2030 soll unter anderem die Donautalbahn (Tuttlingen-Ulm) elektrifiziert werden.
Als Grund für die Offensive nannte Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) gestern bei der Vorstellung des Konzepts in Stuttgart, dass die Bahn nicht gegenüber dem Auto ins Hintertreffen geraten dürfe. „Wir glauben, wenn der Verkehr auf der Straße elektrifiziert wird, kann der Schienenverkehr nicht weiter dieseln“, sagte Hermann gestern laut Nachrichtenagentur dpa.
Das Konzept sieht eine Erhöhung des Anteils an elektrifizierten Strecken von 60 auf 100 Prozent bis zum Jahr 2030 vor. So kämen die Dieselloks im Südwesten peu à peu aufs Abstellgleis. Derzeit fehlen noch 1600 Kilometer bei einer Gesamtlänge des Netzes von 4100 Kilometern.
1 Million Euro pro Kilometer
Die Kosten für das Stromnetz liegen bei einer Million Euro pro Kilometer für eingleisige Strecken und bei zwei Gleisen bei 1,5 Millionen Euro pro Kilometer. Für die Finanzierung ist laut Hermann hauptsächlich der Bund zuständig, für die Realisierung die Deutsche Bahn. Anfang Mai will Hermann die Perspektiven mit Bürgermeistern, Landräten und Abgeordneten erörtern. Während der Allgemeine Deutsche Verkehrsclub das Konzept begrüßte, gab es Kritik aus der oppositionellen FDP im Landtag. Verkehrsexperte Jochen Haußmann folgerte: „Das bedeutet, dass die kommunale Seite nicht nur 20 Prozent der Baukosten, sondern auch die gesamten Planungskosten tragen müsste.“
Langfristige Vorhaben im Volumen von 687 Kilometern werden in einer dritten Kategorie ins Auge gefasst. Hier kommen auch Lösungen mit Fahrzeugen in Betracht, die mit eigenem Antrieb wie Batterie oder Brennstoffzelle fahren. Allerdings seien solche Fahrzeuge auf dem Markt noch gar nicht in großer Stückzahl erhältlich. Das Ministerium werde auf einer landeseigenen Strecke in der Ortenau eine Ausschreibung starten für klimafreundliche Technologien – Dieseltriebwagen seien nicht zugelassen.
Positiv äußerten sich Landtagsabgeordnete der Grünen über das Elektrifizierungsprogramm. Auch der Landrat des Schwarzwald-Baar-Kreises begrüßte das Vorhaben, das notwendig für die künftige Anbindung an den Stuttgarter Bahnhof sei. „Gerade die Elektrifizierung der Schienenstrecke von VS-Villingen über VS-Schwenningen nach Rottweil ist hierbei neben der Strecke von Bräunlingen nach Hüfingen von ganz zentraler Bedeutung“, erklärte Sven Hinterseh. Die bisherige Verteilung der Strecken mit Oberleitungen ist regional sehr unterschiedlich. Die Ballungsräume Karlsruhe, Mannheim, Stuttgart sind gut versorgt. Der Südosten ist hingegen kaum elektrifiziert.
Elektrifizierung
Von den mehr als 33 000 Kilometern Schienennetz in Deutschland sind mehr als 20 000 Kilometer elektrifiziert. Damit sind laut der Deutschen Bahn (DB) 60 Prozent des Gesamtnetzes mit Oberleitungen ausgestattet. Bei den Hauptstrecken im Personen- und Güterverkehr der DB sind es schon 90 Prozent. Nach einer Übersicht der Allianz pro Schiene liegt Baden-Württemberg im oberen Mittelfeld. An der Spitze rangieren die Stadtstaaten und das Saarland mit Werten von mehr als 90 oder 80 Prozent. Hinter Hessen (67 Prozent) weist Baden-Württemberg als Flächenland mit 63 Prozent den zweithöchsten Elektrifizierungsgrad auf.