ANETTE BENGELSDORF

In den Genuss eines Ostereis mit ganz besonderer Füllung kamen die Besucher des Ailinger Roncallihauses am Ostermontag. Die Pianistin Janka Simowitsch verwöhnte das Publikum mit der gesamten Palette ihrer technischen Finesse, mit der sie eine ungeahnte Fülle an Emotionen hörbar machen kann. Von herber Bitterschokolade bis zum prickelnden Brausepulver, ob tiefste Trauer oder augenzwinkernder Humor: Janka Simowitsch wirkt authentisch, ihre emotionale Tiefe spiegelt sich in Mimik und Körperhaltung und überträgt sich auf den Flügel und das Publikum.

Bereits mit vier Jahren bekam die 1978 in Rostock geborene Pianistin ersten Klavierunterricht, studierte an der Hochschule für Musik und Theater in Rostock, wo sie seit 2012 einen Lehrauftrag hat. Zu Besuch bei ihren Schwiegereltern am Bodensee, verwöhnt sie mit ihren Konzerten die Gemeinde.

Luftig leicht beginnt sie zum Auftakt mit Francois Couperin, der mit seinen Kompositionen für Cembalo selbst Johann Sebastian Bach beeinflusste. Jedem der sechs bezaubernden Miniaturen seiner „Pièce de Clavecin“ haucht sie individuelles Leben ein. Besinnlich verträumte Schäfer lösen tänzerisch fröhliche Erntearbeiter ab. Verspielt und immer präzise genießt sie die Vielzahl der Rokoko-Ornamente, mit denen sie die Themen umspielt, versammelt sich, entfernt ihre Hände nur langsam und zögerlich um dem Verklingen der Langueurs-Tendres nachzuspüren.

Die tiefstehende Sonne durchflutet den lichten Raum im Roncallihaus und nimmt der folgenden Sonate Nr. 2 in b-Moll von Frédéric Chopin ein wenig ihre Düsternis. Bereits in den ersten Takten zeigt sie die ganze Besessenheit des Werkes und entwickelt das Thema zunächst in sich versunken bis zum rauschenden Fortissimo. So zart, so weich ihr Anschlag sein kann, so explosiv, kraftvoll und muskulös wirkt er im nächsten Moment. Das Stakkato im Bass tupft sie wie Lichtflecken in den Raum. Ohne jeden Anflug von Unsicherheit steigert sie das Tempo im zweiten Satz, lässt ihre Hände über die Tasten stürmen um im Mittelteil mit viel Körperspannung und geschlossenen Augen ein ruhiges Thema zu modellieren. Als Trauerflor legt sich dann der gleichmäßige Glockenklang im Bass unter die punktierte Melodie des berühmten Trauermarsches, der bei vielen Staatsbegräbnissen für stimmungsvolle Untermalung sorgt. So klar strukturiert sie die Musik, setzt Ausrufezeichen, Punkt und Komma, dass es eine Freude ist. Nervöse Triolen ohne Akkorde in rasendem Tempo und mit seltsam mattem Klang des sonst so strahlenden Flügels beenden das verstörende Werk.

Auch die Appassionata, die Beethoven-Sonate in f-Moll, wird zur Spielwiese ihrer Ausdrucksfähigkeit. Ob sie konzentriert über die Tasten gebeugt, mit aufeinandergepressten Lippen ein ernstes Thema interpretiert oder tief empfundenes Leid ihren Körper erschüttert, nie verliert sie den Überblick über das Große und Ganze des Werks. „Aber Beethoven war nicht nur so ein Wilder, er war auch humorvoll und spielte mit dem Publikum“, sagt sie zur Einführung in seine Bagatellen op. 33. Graziös und neckisch, witzig und spritzig arbeitet sie sich durch die ersten fünf Sätze, verleiht jedem von ihnen seinen eigenen Charme. Verwegene Sechzehnteltriolen wechseln von der linken in die rechte Hand, dann hat die Platte urplötzlich einen Sprung, die Nadel hüpft, setzt an einer anderen Stelle wieder auf – Augenzwinkern, das Publikum lacht. Perfekt inszeniert sie Beethovens Humor und entlässt nach zwei Chopin-Zugaben das begeisterte Publikum.

Im Sommer möchte Janka Simowitsch wiederkommen, mit einem Konzert Geld für die Renovierung des Grotrian-Steinweg-Flügels sammeln. „Der Flügel ist nicht schlecht“, sagt sie, „aber er muss gepflegt werden.“ Und das hätte er wirklich verdient.