Bodenseekreis – So schwer hatte sich Enrico Heß seine Aufgabe nicht vorgestellt. Im vergangenen September war der gebürtige Thüringer mit dem Ziel angetreten, die Tourismusangebote am Bodensee ab dem Jahr 2017 in einer Karte zu bündeln – der "Echt Bodensee Card" (EBC). "Diese Kleinteiligkeit an Gästekarten ist deutschlandweit ein einmaliges Phänomen", sagt der Geschäftsführer der Deutschen Bodensee Tourismus GmbH (DBT). Von seinem Vorhaben ist Heß derzeit jedoch weit entfernt.

Vielmehr musste er zuletzt einige herbe Nackenschläge hinnehmen: Zunächst lehnte der Immenstaader Gemeinderat eine Beteiligung an der Karte ab, wenig später taten es ihm die Meersburger Räte gleich. Anfang Mai beschloss zudem der Konstanzer Kreisrat die eigene Variante der ÖPNV-Vergünstigungen für Touristen, die sogenannte VHB-Gästekarte, weiterzuentwickeln – und erteilte einer möglichen Kooperation mit der EBC somit eine Abfuhr. Eine Verkehrskarte für Touristen, die im ganzen Bodenseegebiet gültig ist, wird es somit vorerst nicht geben.

Bodensee-Klassiker erteilen der "Echt Bodensee Card" eine Absage

Wie nun bekannt wurde, haben die sogenannten Bodensee-Klassiker, also die zehn besucherstärksten Ausflugsziele am See, einer Kooperation mit der "Echt Bodensee Card" eine Absage erteilt. Sie wollen Inhabern der EBC keine Rabatte oder sonstige Sonderkonditionen anbieten. "Ein Verramschen von hochwertigen touristischen Leistungen bzw. eine Rabattschlacht auch untereinander entspricht nicht dem Qualitätsbewusstsein der touristischen Anbieter in der Vierländerregion Bodensee und ist auch nicht deren Ziel", heißt es in einem Brief, den alle zehn Bodensee-Klassiker unterzeichnet haben.

"Wir begrüßen generell eine kostenfreie Nutzung des ÖPNV für Touristen", erklärt Gunter Schöbel, Direktor des Pfahlbaumuseums Unteruhldingen. "Aber wir sind in erster Linie Institutionen, die wirtschaftlich planen müssen." Rabatte seien aufgrund der Gebietsgröße der EBC ein unkalkulierbares Volumen. Doch nicht nur den fehlenden Mehrwert für die touristischen Einrichtungen bemängelt Schöbel, sondern auch die Vorgehensweise der DBT. "Das wurde vom Kopf abwärts entschieden", beklagt er sich darüber, dass die Bodensee-Klassiker und die Vermieter nicht in die Planungen zur "Echt Bodensee Card" miteinbezogen wurden.

 

Enrico Heß kann das nicht nachvollziehen: "Wenn der Vorwurf ist, mehrere Tausend Akteure nicht zeitgleich auf einen Wissenstand gebracht zu haben, dann kann ich das nicht verstehen", rechtfertigt er sich. Mittlerweile haben zwei Gesprächsrunden zwischen den Bodensee-Klassikern und der DBT stattgefunden. "Wir wollten wissen, welchen Mehrwert wir von der Karte haben", erklärt Schöbel. Die Antwort von Heß sei ernüchternd gewesen: ein internationales Marketing und mehr Besucher aus dem Ausland. "Das haben wir beides jetzt schon", sagt Schöbel.

Heß hält diese Einstellung für einen Fehler. "Das ist ein herber Rückschlag", sagt er, "allerdings für die Bodensee-Klassiker, die eine Chance verpassen." Auf der Liste für mögliche touristische Kooperationspartner stünden noch 400 Namen, 30 hätten bereits einen Vertrag mit der DBT unterschrieben, unter anderem das Dornier-Museum in Friedrichshafen oder das Hopfenmuseum in Tettnang. Auch sechs Bodenseeschiffe seien mit an Bord, betont Heß und widerspricht damit dem Vorwurf vieler Kritiker, die Karte, die den Bodensee im Namen trägt, gälte nur am Ufer. Allerdings: Mit den Bodensee-Schiffsbetrieben (BSB) fehlt auch hier der wichtigste Anbieter.

Heß: "Wir liegen absolut im Plan"

Für Heß kein Grund zu resignieren. "Wir liegen absolut im Plan", sagt er, muss aber zugeben, von den letzten Entscheidung sehr enttäuscht zu sein. "Das sind keine Entscheidungen gegen die Karte, sondern Entscheidungen gegen den Gast." Er hofft, zum Start der EBC im kommenden Jahr den Karteninhabern bei 60 bis 80 Partnereinrichtungen attraktive Leistungen anbieten zu können. Allerdings werden die Besuchermagneten dann fehlen – zumindest vorerst. Eine Beteiligung der Bodensee-Klassiker ab 2018 oder später schließen beide Seiten nicht aus.

Ein Gewinner der Absage der Bodensee-Klassiker an die DBT ist die Internationale Bodensee Tourismus GmbH (IBT), die die Bodensee-Erlebniskarte (BEK) betreibt. Diese beinhaltet gegen einen Kaufpreis ab 40 Euro Vergünstigungen für 160 Attraktionen rund um den Bodensee – inklusive der Bodensee-Klassiker. Da der ÖPNV kein Bestandteil der BEK ist, begrüßt die IBT, dass die Ausflugszeile in der Region nun durch die "Echt Bodensee Card" für Touristen kostenlos erschlossen werden. "Da können wir gut andocken", sagt IBT-Geschäftsführer Jürgen Ammann. "Auf der anderen Seite sind wir froh, dass die BEK als Premiumprodukt erhalten bleibt."

Dennoch unterstütze die IBT den Ansatz, eine allgemeingültige Touristenkarte für den gesamten Bodenseeraum zu etablieren. "Wenn nur Einzelkarten im Vordergrund stehen, kommen wird nicht weiter", sagt Ammann und ist da mit Schöbel und Heß einig. Dass die EBC die Lösung für dieses Problem sein könnte, ist derzeit jedoch mehr als fraglich.

 

Touristenkarten am See

  • Die "Echt Bodensee Card" ist auf zwei Säulen aufgebaut: Zum einen erlaubt sie Touristen die kostenlose Nutzung des ÖPNV, zum anderen soll sie Rabatte und Marketing bündeln. Die Karte ist für Touristen kostenlos, 1 Euro pro Gast und Nacht bezahlen die Gemeinden, die über eine Beteiligung daher selbst entscheiden müssen. Die Karte soll 2017 eingeführt werden, ein nachträglicher Einstieg ist sowohl für Kommunen als auch für touristische Einrichtungen jederzeit möglich.
  • Die Bodensee-Erlebniskarte ist eine Kaufkarte und umfasst rund 160 internationale Attraktionen rund um den Bodensee. Die Preise beginnen bei 40 Euro für drei Tage und enden bei 140 Euro für 14 Tage.
  • Die VHB-Gästekarte ist ein vergleichbares Pendant zur EBC und dient als Rabattkarte für den ÖPNV im Verkehrsverbund Hegau-Bodensee. (mde)