Franz Gutemann bereichert die mit einer Onlinepetition angefeuerte Debatte um ein Angebot: "Ich lade jeden, der gegen Tempo 30 hier ist, gerne ein, hier einmal vorbeizukommen und den ganzen Verkehr und Lärm selbst zu erleben", sagt der Hagnauer, der unmittelbar an der Bundesstraße wohnt. Damit wendet er sich auch direkt an Siegfried Wanke, der mit seiner Petition gegen Tempo-30-Zonen im Bodenseekreis vorgehen will und bis jetzt rund 4 600 Unterstützer gefunden hat. Er führt unter anderem ins Feld, dass selbst Anwohner teils genervt seien von dem Tempolimit. Wer sich in Hagnau entlang des dauerrollenden Verkehrs auf der Hauptstraße umhört, erlebt genau das Gegenteil.
"Von der Geräuschkulisse her ist es mit Tempo 30 spürbar besser", sagen etwa Franz und Friederike Schwörer, die ebenfalls direkte Anlieger sind. "Außer es gibt ein paar, die meinen, sie müssten im ersten Gang oder dauerhupend von Ortsanfang bis -ende durchfahren." Und das gebe es immer wieder, gerade nachts, wenn manche Lastwagenfahrer ihre Hupen den Anwohnern nach einfach so dauerhaft durchdrücken. Eine völlig irrationale Reaktion auf das Tempolimit, mit dem die Fahrer ihren Frust bei den Anwohnern abladen: "Aber schon vor dem Tempolimit wären die Leute meistens froh gewesen, hier überhaupt 30 fahren zu können", erinnert sich Schwörer an die Zeiten vor dem Tempo 30, als der Stau auch schon da war, "aber jetzt ist es noch mehr, gerade an Lkw, teilweise sechs, acht, zehn am Stück." Der Stau rührt in Hagnau auch von der Fußgängerampel her, der einzigen Möglichkeit, den Dauerfluss an Verkehr zu durchbrechen. Sonja Gutemann hat einmal eine Videoaufzeichnung des Übergangs vom 6. Mai vergangenen Jahres ausgewertet: "Ich habe 1078 Fußgänger gezählt, alle halbe bis volle Minute wurde die Ampel benutzt, man braucht sie also", sagt sie.
Hedi Meichle ist zwar keine direkten Anwohnerin, sie führt nur den gleichnamigen Hofladen an der B 31. "Aber den Lärm hört man ohnehin im ganzen Dorf", sagt sie. "Man hat sich das ja nicht ausgedacht und einfach so eingeführt mit dem Tempo 30, das beruht alles auf EU-Gesetzen und Lärmrichtlinien." Trotz der Geschwindigkeitsbegrenzung bereitet ihr auch die Ampel Sorgen: "Manche fahren einfach bei Rot durch und das, obwohl da Kinder überqueren – ich hoffe nicht, dass erst etwas passieren muss, bis sich da was tut." Während sich Meichle mehr Kontrollen wünscht, bezeichnet Petent Wanke Blitzer als Abzocke. Franz Gutemann ist dagegen froh um die schwarze Röhre nahe seines Hauses: "Zuvor haben Autos nach der Ampel, leicht bergauf Richtung Ortsausgang, immer beschleunigt." Das sei jetzt besser geworden. Wie früher zur Straße hin das Schlafzimmer haben oder bei offenem Fenster nächtigen, gehe trotzdem nicht mehr.
In einem Punkt sind sich Anwohner und viele Autofahrer immerhin einig: Den gordischen Verkehrsknoten Hagnau kann man weder mit Tempo 50 noch mit 30 zerschlagen. Den Ruf nach einer leistungsfähigen und möglichst weiträumigen Umgehung ist bei den befragten Anwohnern unüberhörbar. "Dann, wenn die LKW weg sind, können wir uns wieder über Tempo 50 im Ort unterhalten", sagt Franz Schwörer.
Petition gegen Tempo 30
Rund 4.600 Unterzeichner hat die Onlinepetition von Siegfried Warnke mittlerweile gefunden. Mit ihr fordert der Sigmaringer die Aufhebung von Tempo 30 auf Durchgangsstraßen und Bundesstraßen innerorts im Bodenseekreis, sie richtet sich an das zuständige Regierungspräsidium Tübingen.
Link zur Petition: www.openpetition.de/petition/online/aufhebung-tempo-30-innerorts-bodenseekreis