Der 80. Geburtstag, das klingt nach Familienbesuch, Spitzendeckchen und Kaffeetafel. Allein diese Vorstellung ist Leni Huther ein Graus. Sie verbringt diesen 23. März 2023 irgendwo zwischen Sahara und marokkanischen Königsstädten. Zum 40. Mal führt die Reiseleiterin aus Überlingen eine Gruppe durch das Königreich im Nordwesten Afrikas.

30 Personen sind es, alles Stammgäste, zehn Tage sind sie unterwegs. Touren dieser Art bieten nur wenige Veranstalter an. „Wir leisten uns in der Sahara zwei Nächte, in Tafilalet“, sagt die Reiseveranstalterin. Das Bungalowhotel in dieser Oasengruppe, in der 150.000 Menschen in 300 Dörfern wohnen, sei nicht billig. „Viele Reiseunternehmer sparen sich das.“
Eigentlich mag sie nicht über ihren Geburtstag reden
In den vergangenen 50 Jahren wurde Leni Huther in Süddeutschland und weit in die Schweiz hinein wegen ihrer ungewöhnlichen Touren zu einer bekannten Persönlichkeit. Am Abend vor dem Abflug von Zürich nimmt sie sich Zeit für ein Gespräch – obwohl sie eigentlich gar nicht über ihren Geburtstag reden mag. Sie hatte aus ihrem Alter ein Geheimnis gemacht. Aber irgendwie sickerte das in der Stadt doch durch. Ihr Sohn Andreas Huther, bekannt als Geschäftsführer der Firma Puren, habe dann zu ihr gesagt: Jetzt gehe doch in die Öffentlichkeit.

Kein Geburtstagsfest? „Ich bin ja nie da an dem Tag“, sagt sie. Leni Huther spricht die Zahl ungern aus. „Ja, 80, aber ich fühle mich höchstens wie 60.“ Sie arbeite täglich, acht bis zehn Stunden.
Es sei leichter aufzuzählen, in welchen Ländern sie nicht war
Seit Mitte der 1960er-Jahre führt die Überlingerin Reisegruppen. „In welchen Ländern ich war?“ Es sei leichter aufzuzählen, wo sie nicht war. „Ich war in allen bereisbaren Ländern der Erde – außer Venezuela, Kongo, Uganda, Ruanda, Belize. Und in Asien nicht in den beiden Koreas.“ Südkorea sei ihr zu modern. „Ich suche das Alte, die Traditionen, Kunst und Kultur.“
Erlebnisse und schwierige Situationen
Gefeiert wird nun doch noch mit der Familie
Begeistert sei die Familie nicht, dass sie an ihrem 80. unterwegs sei. Ihrer Tochter Ursula, Lehrerin am Wirtschaftsgymnasium, habe sie erklärt: „Du, als ich das organisiert habe, dachte ich nicht an meinen Geburtstag.“ Dieses Thema sei für sie immer ganz weit weg gewesen. „Ich habe das ja immer heimlich gehalten.“ Gefeiert wird nun aber doch, hinterher, wenn sie aus Marokko zurück ist. Bis die nächste Reise nach Madeira startet, ist Zeit. Ihre 46 Madeira-Reise, seit sie das Ziel 1991 erstmals anflog. Einige davon gehörten auch zu den 110 SÜDKURIER-Leserreisen, die Leni Huther in 25 Jahren organisierte.

Und wie oft ist sie inzwischen um den Globus gereist? „Einigen wir uns auf rund 200 Mal um die Erde, vielleicht ist es auch mehr, ich habe die ersten Jahre Vieles nicht aufgeschrieben.“ Umgerechnet sind das acht Millionen Kilometer, fast 21 Mal zum Mond. „Ich war ja mindestens zwei Drittel im Jahr unterwegs.“
Mit 19 nach Paris, um die Sprache zu lernen
Wie alles begann? Lange bevor Leni Hellweger mit 21 volljährig wurde, zog es sie fort. Nach der Höheren Handelsschule in Radolfzell volontierte sie im Kaufhaus Morath. „Kurz, das war mir schon alles zu eng.“ Eine Bewerbung beim alteingesessenen Busunternehmen Bregenzer der Familie Huther war sofort erfolgreich. „Ich habe aber gesagt, ich will zuerst nach Paris.“ Die 19-Jährige hatte bereits eine Zusage für die „Alliance francaise“, um die Sprache zu lernen. Kost und Logis im Kloster, dafür musste sie einen halben Tag mitarbeiten. „Geld hatte ich ja keines für Schulgeld.“

„Paris war mein Sprung in die Welt.“ Und die Firma Bregenzer war mit ihren Bussen ja Reiseveranstalter. 1967 hatte Bregenzer eine Romfahrt ausgeschrieben. Seniorchef Konrad Huther erlaubte seiner Buchhalterin, die Reise zu begleiten, nachdem sie die Umsatzsteuer fertig hatte. Auf dieser Fahrt lernte sie Juniorchef Ulrich Huther näher kennen. 1968 verlobten sie sich, am 16. April 1969 wurde geheiratet.
In Helsinki dachte sie, da ist Leningrad nicht mehr weit
Jedes Jahr wurden es nun mehr Reisen. Nach Paris kam Dänemark. „Ich habe das immer peu à peu gemacht.“ Als sie in Helsinki war, sei ihr in den Sinn gekommen: „Nach Leningrad ist es da doch auch nicht mehr weit.“ Dann kam Moskau, Asien. „Immer einen Schritt weiter – wenn ich am Flughafen stand und die Anzeigen sah, dann habe ich gesagt, da müssen wir überall hin.“

Was ihr Reisen bedeutet? Die Antwort kommt schnell „Mein Lebenselixier!“ Sie brauche das Menschliche, Zwischenmenschliche. Mit den Gästen, in den fremden Ländern.“ Für die Familie sei das nicht immer ganz einfach gewesen. „Ich bin so dankbar, dass sie es immer mitgemacht hat.“
Kundin Margit aus der Schweiz, die zur Freundin wurde, nennt Leni Huther eine „enthusiastische Reiseleiterin“. „Du bist begeisterungsfähig, fürsorglich und freundlich“, schreibt sie in einem Brief. „ Leni Huther ergänzt lachend: „Und wenn ich nicht so frech wäre, hätte ich es nicht 200 Mal um die ganze Welt geschafft.“