„Die Fläche ist ein hohes Gut – und diese darf man nicht dem Markt überlassen“ – das sagte die Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, Klara Geywitz, bei ihrem Besuch im Wohnquartier Q5 in Überlingen auf Einladung des SPD-Ortsverein Überlingen und des Kreisverbandes Bodensee. In den vergangenen Jahrzehnten hätte man sich daran gewöhnt, Fläche zu verbrauchen. Diese sei aber endlich. Umso wichtiger sei es, zum einen bezahlbaren und zum anderen ökologischen und klimaverträglichen Wohnraum zu schaffen.

Hier zeigte sich Klara Geywitz vom Leuchtturmprojekt „Stadtquartier 2050“ in Überlingen, das von zwei Bundesministerien gefördert wurde, begeistert. Das von der Baugenossenschaft Überlingen (BGÜ) realisierte Projekt wurde vom Vorstand Andreas Huther vorgestellt. Das Besondere am „Quartier Q5“ ist, dass es sowohl aus Häusern von Ende der 1960er Jahre, als auch aus neu gebauten Gebäuden besteht. Daraus sei eine energetische und soziale Einheit entstanden, so Andreas Huther.

Bundesministerin fordert Umdenken

Klara Geywitz überzeugte sich davon und besuchte sogar die öffentlich zugängliche Dachterrasse mit einem eindrucksvollen Blick über den Bodensee. Zuvor sprach sie über die Situation in Deutschland und betonte, dass sozialer Wohnraum keineswegs ein Thema für arme Leute sei. Außerdem gebe es diesbezüglich eine „ökologisch Herausforderung, der wir uns stellen müssen“. Damit spielt sie die Klimaveränderung, aber auch den gesellschaftlichen Wandel an.

Diesbezüglich fordert sie ein Umdenken, sowohl bei den Bürgern, aber vor allem auch in der Politik. „Häuser sind Lebensabschnittsgebäude“, sagt Klara Geywitz. „Wir benötigen aber auch Planungsbeschleunigungen, weniger Vorschriften und eventuell ein Umdenken in der Art und Weise des Bauens.“ Gerade in Österreich und in den Niederlanden würde man immer häufiger seriell oder modular bauen.

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Steuerverzicht als Lösung für sozialen Wohnbau gefordert

Nach ihrem Vortrag stand die Bundesministerin den Fragen der etwa 70 Besuchern Rede und Antwort. Zu Wort meldete sich unter anderem Thomas Sorg, der Projektentwickler für das Kramer-Arial in Überlingen ist. Er sagte, dass er durchaus ein Befürworter von sozialem Wohnbau sei, dies aber durch die enorm hohen Steuern und Gebühren in Deutschland sehr schwer umsetzbar sei. Allein für die geplanten 186 Wohnungen, die im Kramer-Areal entstehen sollen, würden diesbezüglich etwa 80 Millionen Euro Kosten anfallen.

Darauf antwortete Klara Geywitz erfrischend ehrlich: „Das ist eine wahre Geschichte.“ Hinzu käme, dass durch die höheren Zinsen die Finanzierungen zusätzlich schwieriger sei. Sie befürworte durchaus, dass die Kommunen hier unterschiedliche Hebesätze je nach Verwendung des Grundstücks beschließen könnten. Hier regte die Landtagsabgeordnete Dorothea Kliche-Behnke, die ebenfalls in Überlingen dabei war, an, dass man auch über die Grunderwerbssteuer nachdenken solle. Sie könne sich vorstellen, beim Ersterwerb sogar darauf zu verzichten.

Bürger bemängeln Vorschriften

Ein Bewohner des „Quartier Q5“ sprach Klara Geywitz auf das Ziel der Bundesregierung an, jährlich 400.000 Wohnungen zu bauen, 100.000 davon sozial gefördert. Er fragte, wie realistisch es sei, dies zu erreichen. Daraufhin sagte sie, dass diese Zahl tatsächlich existiere, diese aber nicht aus einer Bedarfsberechnung komme. „Wir haben gerade mit einer Bedarfsanalyse begonnen“, so die Bundesministerin. „Wichtig dabei ist, dass die Prognose auch regionalisiert ist.“

Der Überlinger Stadtrat, Landschaftsarchitekt und interdisziplinärer Stadtplaner Herbert Dreiseitl sagte, dass andere Länder schneller und einfacher bauen und Deutschland sich selbst in puncto Innovationen im Weg stehe durch viele Regularien. „Viele Sachbearbeiter haben keine Ahnung und entschieden nur nach Paragrafen“, sagte er. „Das ist tatsächlich ein großes Problem“, gesteht Klara Geywitz. „Planungen und Genehmigungen kosten hier viel Zeit und Geld.“ Hier sie man mit der Digitalisierung in den Ämtern aber auf einem guten Weg. „Wir benötigen hier sicher eine Planungsbeschleunigung“, so die Bundesministerin.

Bundesministerin Klara Geywitz zu Besuch auf der Dachterrasse des „Quartier Q5“ in Überlingen – im Hintergrund ist das Überlinger ...
Bundesministerin Klara Geywitz zu Besuch auf der Dachterrasse des „Quartier Q5“ in Überlingen – im Hintergrund ist das Überlinger Münster zu erkennen. | Bild: Jäckle, Reiner

Baurecht soll für Tiny-Häuser geändert werden

Zum Abschluss berichtete der Überlinger Projektentwickler Markus Nothelfer davon, dass er sehr viele Tiny-House-Projekte habe, diese aber kaum realisieren kann, weil es diesbezüglich keine Regelung im Baurecht gebe. Hier bestätigte Klara Geywitz, dass diese Form des Wohnens eine sehr gute Alternative sei und hier im Baurecht eine Änderung dringend notwendig sei. Hier sei eine Neuregelung des Gesetzes bereits in Bearbeitung. Diese Aussage wurde sogar mit Applaus der Besucher bedacht.

Danach ging es auf die Dachterrasse, wo ihr die beiden BGÜ-Vorstände Andreas Huther und Dieter Ressel das Quartier von oben zeigten. Von dort aus erkannte sie auch schnell, dass Überlingen kaum noch freie Flächen für den Wohnungsbau hat. Abschließend freute sie sich über die tolle Beteiligung der Bürger. „Es war schön, dass trotz des Wetters so viele Leute gekommen sind“, sagte sie. „Und es gab auch wirklich viele konstruktive Fragen.“

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