So stellt man sich einen liberalen Geist vor. „Ich bin für die Impfpflicht“, sagt Hans-Peter Wetzel (71) unumwunden und gehört damit sicher nicht zum Mainstream seiner FDP. Auf Eigenverantwortung zu setzen sei natürlich richtig und wichtig, erklärt er sinngemäß. Doch es gelte auch, Verantwortung für den Nächsten zu übernehmen. Das hat der bisherige Kreisvorsitzende der Liberalen inzwischen auch mit seiner vierten Impfung getan.
Der Jurist aus Sipplingen hat sein Fähnchen nie in den Wind gehängt. Fragt man ihn nach dem Vorschlag seines Parteivorsitzenden Christian Lindner, jedem Autofahrer den gleichen Tankrabatt zu gewähren, kommt es wie aus der Pistole geschossen: „Das geht gar nicht, mit der Gießkanne nur die Mineralölkonzerne zu unterstützen.“
Große Hoffnungen auf Ampelkoalition
Ungeachtet dessen setzt er einige Hoffnungen auf die Ampelkoalition, sollte sie mal in Normalbetrieb kommen. „Vor allem für den Bildungsbereich erhoffe ich mir einiges“, sagt Wetzel. Die Ampel erinnere ihn an „die gute Zeit der sozialliberalen Koalition“. Damals sei unter anderem das BaFöG eingeführt worden. „Ohne das hätte ich nicht studieren können“, erklärt der gebürtige Bonndorfer, der sich auf dem zweiten Bildungsweg den Weg zum Jurastudium freikämpfte und bis heute seine Kanzlei in Überlingen betreibt.

Offensichtlich sieht retrospektiv manches rosiger aus. Schließlich war Wetzel während des Studiums in Würzburg in die Junge Union eingetreten. Ein engagierter Kommilitone aus der CSU hatte ihn dazu ermuntert und überzeugt. Der Union hielt er lange die Treue. Selbst als er für die Freie Wählervereinigung (FWV) ab 1984 im Überlinger Stadtrat saß und sich als Gründungsvorsitzender des Wirtschaftsverbunds (WVÜ) für Handel und Wandel in der Stadt stark machte.
1991 Übertritt von der CDU in die FDP
Der liberale Geist war dann allerdings auch so frei, 1991 aus der CDU auszutreten und sich der FDP zuzuwenden. An die Ursache erinnert er sich nur zu gut. „Die CDU-Fraktion hatte sich damals massiv gegen die Unterstützung des geplanten Montessori-Kinderhauses ausgesprochen“, sagt Wetzel. Das habe er überhaupt nicht verstanden. „Heute bräuchten wir wieder solche Initiativen“, erklärt er. „Es fehlen uns doch viele Kindergartenplätze.“ Wetzel ist auch ein sozialer Geist. „Wir brauchen einen starken Staat“, ist der Liberale überzeugt, „aber er muss nicht jeden an die Hand nehmen, sondern da helfen, wo es dringend nötig ist.“
13 Jahre lang Kreisverbandsvorsitzender
Immerhin beflügelte der Parteiwechsel seine politische Karriere: Viele Jahre Ortsvorsitzender in Überlingen (1998 bis 2006) und nun 13 Jahre lang Vorsitzender des FDP-Kreisverbands. Warum er nicht noch einmal kandidierte? „Irgendwann ist genug“, sagt Hans-Peter Wetzel: „Ich hatte mit niemandem Streit. Doch ich bin jetzt 71, da reicht es auch mal.“ Zudem hatte der Verband das Glück, gleich zwei Bewerber für die Nachfolge zu haben. Neben dem bisherigen Kreisgeschäftsführer Stefan Zwick warf der amtierende Pressesprecher und letzte Bundestagskandidat Christian Steffen-Stiehl den Hut in den Ring.
Der Salemer Zwick tritt nun in die Fußstapfen von Hans-Peter Wetzel, der sich aus der ersten Reihe zurückzieht. Welche Aufgabe war für ihn am spannendsten? „Das war schon die Zeit als Landtagsabgeordneter von 2006 bis 2011“, erinnert er sich. Nach dem Salemer und späteren Minister Ulrich Goll Ende der 1980er Jahre war Wetzel der zweite liberale Repräsentant in Stuttgart. Inzwischen vertritt Klaus Hoher seit rund sechs Jahren die FDP vom See im Parlament.

Kriegsbeginn gegen Ukraine setzt ihm zu
Weit mehr als seine knapp gescheiterte Wiederwahl 2011 hat Hans-Peter Wetzel der 24. Februar 2022 zugesetzt mit dem russische Kriegsbeginn gegen die Ukraine. „Ich war den ganzen Tag über von der Rolle und konnte keinen einzigen vernünftigen Gedanken mehr fassen“, sagt der FDP-Politiker. Gute Ratschläge hat auch er nicht. Trotz allem müssten die Bemühungen um Deeskalation des Konflikts im Vordergrund stehen, sagt er und diagnostiziert: „Putin hat vor allem Angst vor der Freiheit.“ Um so mehr lohne es sich auch, auf politischer Ebene „täglich für die Freiheit und die Liberalen zu kämpfen“.