Die Zahlen sind gut: Mit mehr als 700 000 Gästeübernachtungen verzeichnete Überlingen bereits im Jahr 2017 einen neuen Rekord. Nimmt man die Zahlen bis Ende Juli zum Vergleich, sind die Chancen hoch, dass dieser Wert im Jahr 2018 nochmals getoppt wird. Die Bodenseeregion boomt. Und dennoch sieht eine von der Überlingen Marketing und Tourismus GmbH (ÜMT) in Auftrag gegebene Studie deutlichen Verbesserungsbedarf im Überlinger Gastgewerbe.

In den vergangenen Monaten nahm die Münchner Agentur "Projekt M" die Überlinger Beherbergungs- und Gastronomiebetriebe unter die Lupe und überprüfte diese auf Quantität, Qualität, Modernität, Marktfähigkeit und Erfüllung der Bedürfnisse der Gäste. Heraus kam ein solides Ergebnis – aber auch die Erkenntnis, dass es in vielen Bereichen deutlichen Verbesserungsbedarf gibt. Das wird kritisiert:

  • Hotels: Zwar steige die Zahl der Übernachtungen, aber bei weitem nicht in einem solchen Maße wie etwa Konstanz, Friedrichshafen oder Lindau. Das liege auch an der verbesserungswürdigen Bettenzahl, sagte Detlef Jarosch von der Agentur "Projekt M", der die Ergebnisse der Studie den Vermietern präsentierte. Während in anderen Städten das Angebot stets ausgebaut werde, sei die Bettenzahl in Überlingen in den vergangenen zehn Jahren sogar leicht zurückgegangen. Zudem sei das Hotelangebot sehr ähnlich. Es gebe vorrangig kleinere, familiengeführte Betriebe mit weniger als 30 Zimmern. Hingegen gebe es kaum Häuser im gehobenen oder im Budget-Segment. Nur wenige Betriebe böten zugleich eine ansprechende Gastronomie an. Das größte Problem sei jedoch die Ausstattung der Zimmer. "Da schneidet Überlingen deutlich unterdurchschnittlich ab", sagte Jarosch und appellierte an die Hoteliers, zu investieren. Auf dem Online-Portal "Trivago" erhielten die Überlinger Hotels im Schnitt eine Bewertung von 8,1. Da gelte es aufzupassen, das man nicht noch weiter abrutsche. "Ich kenne Menschen, für die kommen Häuser mit einer Wertung unter 8 von vornherein gar nicht infrage."
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  • Ferienwohnungen: Auch bei den Ferienwohnungen machte die Agentur einen deutlichen Investitionsstau aus. "Diesen gilt es dringend aufzulösen", so Jarosch, der auch die einheitliche Größe der Angebote kritisierte. So gebe es in Überlingen vorrangig Ein- bis Zwei-Zimmer Wohnungen, jedoch kaum größere Wohnungen für Familien. Ein weiteres Problem vieler Ferienwohnungen sei zudem die vorgegebene Belegungsdauer. Viele Wohnung könnten nur wochenweise angemietet werden. Dadurch schließe mal viele potenzielle Kunden wie Radfahrer oder Geschäftskunden aus. "Zur Saisonverlängerung ist eine Mindestaufenthaltsdauer auf ein bis drei Tage erforderlich", so Jarosch.
  • Gastronomie: Auch bei den Restaurants sieht die Studie deutlichen Verbesserungsbedarf. Auf dem Bewertungsportal "Tripadvisor" erhalten die Restaurants in Überlingen im Schnitt 3,9 von fünf Punkten. Das sei im Vergleich mit anderen Städten am Bodensee leicht schlechter. Vor allem aber schneide die Überlinger Gastronomie in der Kategorie "Qualität" verhältnismäßig schlecht ab. "Hier gibt es Nachholbedarf", sagte Detlef Jarosch, der zudem ein Problem der Vielfalt ausmachte. So gebe es etwa verhältnismäßig wenig Lokale, die regionale Spezialitäten anbieten. Jarosch kritisierte zudem, das das einzige Fischlokal, das ein sehr gutes Angebot habe, sehr früh schließe und am Abend nicht geöffnet habe. Vor allem aber bemängelte er die Situation an der Promenade. Dort gebe es ein "sehr austauschbares Gastronomieangebot", so Jarosch. "Wo finden Sie dort Regionalität?" Ähnlich argumentierte auch Oberbürgermeister Jan Zeitler im Gespräch mit dem SÜDKURIER: "Ich sage es Ihnen ganz ehrlich: Wenn ich die Promenade entlang laufe, lädt nicht gerade jedes Restaurant ein, dort Platz zu nehmen."
Harrsche Kritik gab es am "austauschbaren Angebot" an der Uferpromenade. OB Jan Zeitler: "Ich sage es Ihnen ganz ehrlich: Wenn ich die ...
Harrsche Kritik gab es am "austauschbaren Angebot" an der Uferpromenade. OB Jan Zeitler: "Ich sage es Ihnen ganz ehrlich: Wenn ich die Promenade entlang laufe, lädt nicht gerade jedes Restaurant ein, dort Platz zu nehmen." | Bild: Deck, Martin
  • Als weitere Kritikpunkte führte Detlef Jarosch das Verkehrsaufkommen zwischen Promenade und Altstadt, das die Aufenthaltsqualität stark mindere, und die Vernachlässigung des Prädikats Kneippheilbad auf. Außerdem hätten viele Betriebe noch Nachholbedarf bei der Online-Vermarktung.

Zeitler begrüßt die klaren Worte

"Ich finde es wichtig, dass diese Punkte endlich einmal angesprochen wurden", sagte Oberbürgermeister Jan Zeitler nach der Präsentation der Ergebnisse. Wie er hofft auch ÜMT Geschäftsführer Jürgen Jankowiak, dass bei dem ein oder anderen Gastgeber nun ein Umdenken einsetzt. Bislang habe er bei den Versuchen, die Gastronomen und Vermieter von Investitionen zu überzeugen häufig auf Granit gebissen, so Jankowiak. "Wenn der Druck nicht da ist, ist es schwierig, den Bedarf aufzuzeigen." Dadurch, dass er die Bewertungen nun schwarz auf weiß habe hoffe er auf eine erfolgreichere Argumentation. "Wir wollen nicht in die unternehmerischen Überlegungen eingreifen aber Vorschläge zur Verbesserung machen."

Weit weniger angetan von den Ergebnissen der Studie war Lukas Waldschütz. Der Wirt des Hotels Ochsen ist zugleich Vorstandsmitglied im Hotel- und Gaststättenverband Dehoga. Zwar könne er einige der bemängelten Punkte durchaus nachvollziehen, in vielen Punkten fiel ihm die Kritik aber zu überzogen aus – vor allem in Hinblick auf die Gastronomie. "Das widerspricht den Bewertungen im Internet." Außerdem seien die Einschätzungen der Prüfer nur Momentaufnahmen. "Ich weiß von vielen Kollegen, dass sie schon dabei sind, zu investieren." Dennoch möchte er die Verbesserungsvorschläge der Agentur bei den Mitgliedsbetrieben des Dehoga ansprechen. Zugleich warnt er aber auch davor, zu sehr auf Wachstum zu setzen: "Ich finde, wir dürfen im Sommer nicht noch weiter aufstocken. Die Infrastruktur ist jetzt schon am Rande des Möglichen."