Im zweiten Kapitel der Apostelgeschichte wird das Pfingstwunder beschrieben und die Vielzahl der Sprachen, Nationen und Religionen des Nahen Ostens werden aufgezählt. Die Kulturreferentin des Augustinum Überlingen, Olivia Schnepf, zitierte dieses Kapitel in ihrer Begrüßung der zahlreichen Zuhörer bei der Vortragsveranstaltung mit Simon Jacob, dem Vorsitzenden des Zentralrats der Orientalischen Christen in Deutschland.
Genau diese derzeit gefährlichste Krisenregion vor den Toren Europas hat Simon Jacob in den vergangenen drei Jahren mehrmals bereist und dabei zwischen Istanbul, Mosul, Bagdad, Teheran, Georgien und Armenien 40 000 Kilometer für das Projekt „Peacemaker – Meine Suche nach Frieden“ zurückgelegt. Es ist eine Reise voller Schrecken über die drohende Vernichtung der uralten orientalischen Christengemeinden. Mit seinem 2018 erschienenen Buch „Peacemaker – Mein Krieg, Mein Friede, Unsere Zukunft“ will er aber auch Mut machen und die Hoffnung nicht aufgeben.
Jacob kann aus unerreichbaren Gebieten berichten
Simon Jacob wurde 1978 in dem syrisch-orthodoxen Dorf Tur Abdin im Südosten der Türkei geboren, kam als Kind mit seinen Eltern nach Deutschland und ist in Augsburg aufgewachsen. Nach seiner Ausbildung bei der Luftwaffe der Bundeswehr arbeitete er als IT-Experte. Er ist ein eloquenter und gefragter Redner, der seine Zuhörer mit Video-Einspielungen und Lesungen aus seinem Buch fesseln kann. Um seinen Hals hat er ein dunkelbraunes Kreuz hängen. Die Botschaft auf seinem T-Shirt lautet „Menschenrechte sind nicht verhandelbar“. Sein Aussehen und seine Zugehörigkeit zu einem Clan geben ihm die Möglichkeit, für die ARD, den Bayerischen Rundfunk und Printmedien aus Gebieten zu berichten, die anderen nicht zugänglich sind. Sein Ziel: Er will mit den Interviews Verfolgten eine Stimme geben.
Je mehr Interviews mit Opfern des IS-Terrors er machte, desto stärker wuchsen sein Hass und seine Wut auf die Dschihadisten. In der Ninive-Region sah er die Massengräber der ermordeten jesidischen Frauen und Kinder und die Bilder der Enthaupteten. „Wir fuhren immer tiefer in die Hölle“, schreibt er, „und es bestand die Gefahr, dass wir aus Rachsucht wie diese zu Monster werden." Ein Schlüsselerlebnis war für ihn der zufällige Fund eines Familienalbums eines getöteten IS-Kämpfers, der zweifellos ein Fanatiker war, aber auch ein Ehemann, ein Vater und ein Mensch. „Ich hatte meine Menschlichkeit verloren und vergessen, was meinen Glauben als Christ ausmachte“, berichtete er. Simon Jacob setzt seine Hoffnung auf ein starkes, vereintes Europa, um den Frieden zu sichern. In der islamischen Welt mit ihrer patriarchalischen Struktur sieht er den Schlüssel zum Frieden zuallererst in der Gleichberechtigung der Frau. Die europäischen Werte Menschenrechte, Freiheit, Demokratie und Rechtsstaat müssten offensiver gegen die herrschenden Autokraten vertreten werden.