Goethe? Schiller? Kennt man beide, keine Frage. Aber Uhland? Da stößt selbst mancher Literaturwissenschaftler heutzutage an die Grenzen seines Wissenshorizonts. Die Uhlandhöhe dürfte den meisten Überlingern zwar ein Begriff sein, ihr Namensgeber jedoch, dem auch der dortige Gedenkstein gewidmet ist, hat seit dem 19. Jahrhundert eher an Bekanntheit eingebüßt. Die Werke Ludwig Uhlands (1787-1862) fristen heute ein fast stiefmütterliches Dasein, dabei zählte er zu Lebzeiten zu den Bedeutendsten seines Fachs und erfreute sich großer Popularität. Neben seinen sprachlich weniger gewandten, meist politisch ausgerichteten Balladen sind es vor allem seine Gedichtbände, die in zahlreichen Auflagen erscheinen und elementarer Bestandteil jedes gutbürgerlichen Bücherschranks sind.
Zugegeben, besonders weltgewandt ist Ludwig Uhland, seines Zeichens Dichter, Literaturwissenschaftler, Jurist und Politiker, nicht. Die Distanz zwischen seinem Geburtshaus und seinem Sterbebett, beides in Tübingen, beträgt gerade einmal einen Kilometer. Doch der als wortkarg, zurückhaltend und bescheiden geltende Uhland hinterlässt trotzdem Spuren, denn er reist viel und ist ein begeisterter Spaziergänger und Wanderer. Fast jeden Tag unternimmt er Spaziergänge und dokumentiert diese in seinem Tagebuch, wie Gudrun M. Königs Buch "Eine Kulturgeschichte des Spazierganges" zu entnehmen ist.
Auf der Durchreise in die Schweiz kommt Uhland im Herbst 1806 erstmals nach Überlingen. In den nächsten Jahren folgen zahlreiche weitere Abstecher an den Bodensee, unter anderem führt ihn seine Hochzeitsreise hierher. Ein weiterer Grund für Uhlands Verbundenheit zu Überlingen ist seine Bekanntschaft mit Joseph von Laßberg, ab 1837 Besitzer der Meersburg. Mit ihm teilt Uhland die Leidenschaft für mittelalterliche Handschriften. Außerdem ist aus Uhlands Briefen ersichtlich, dass ihn der literarische Bestand der Überlinger Leopold-Sophien-Bibliothek sehr interessierte. Aber auch als Erholungsort weiß er die Stadt bis ins hohe Alter zu schätzen. In "Überlingen – Stadtgeschichte in Straßennamen" von Eugen Schnering ist nachzulesen, dass Uhland "zu den treuen Gästen des hiesigen Bades zählte" und "die erquickenden Gefilde Überlingens und der Bodenseelandschaft" sehr zu schätzen wusste. Vermutlich residierte er während seiner Urlaubsaufenthalte im Bad-Hotel.

Nachdem Uhland einige Jahre als Jurist gearbeitet und als Schriftsteller großen Erfolg hatte, widmete er sich als Landtagsabgeordneter der Politik und machte sich in der Opposition stark. Nach dieser Periode befasste er sich wieder mit der Literatur, dieses Mal jedoch aus wissenschaftlicher Sicht. Eine besondere Vorliebe hegte er für die Literatur des Mittelalters. Für drei Jahre ist Uhland an der Tübinger Universität als Professor für germanistische Mediävistik tätig, eine damals gerade im Entstehen begriffene Disziplin, bevor er in die Politik zurückkehrte. 1848 ist er bei der Frankfurter Nationalversammlung auf der Seite der Linken dabei und setzt sich für die badischen Revolutionäre ein.
Mit der monarchischen Herrschaft kann Uhland sich aufgrund der staatlichen Repression, die mit ihr einhergeht und die dem Dichter gänzlich zuwider ist, nicht so recht anfreunden. Daher lehnt er 1853 auch die Verleihung eines Ordens aus der Hand des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV. (1795-1861) ab.
Nicht nur in Überlingen, auch in anderen Innenstädten ist heute noch Uhlands Konterfei auf dem Logo einer Buchhandlung zu sehen. Der Scherenschnitt zeigt den in ein Buch versunkenen Mann. Wer erkennt ihn?
Adventskalender
In unserem diesjährigen Adventskalender widmen wir uns Menschen, die Überlingen zu dem gemacht haben, was es heute ist. Menschen, die auf die eine oder andere Weise Spuren hinterlassen, die die Stadt geprägt haben. Bisher erschienen: Hermann Hoch, Jörg Zürn, Andreas Reichlin von Meldegg, Wilhelm Levi, Herzog Gunzo, Ursula Bubo, Theodor Lachmann, Lili Walther, Maurus Betz, Adolf Seubert, Franz Sales Wocheler, Constantin Vanotti, Werner Haberland, Fred Raymond.