Während vor dem Dorfgemeinschaftshaus "Prinz Max" mit einer Böllerkanone Salut auf das 100-jährige Bestehen des Musikvereins Neufrach geschossen wurde, stießen drinnen rund 150 zum Festbankett geladene Gäste – aktive Mitglieder, Ehrenmitglieder, ehemalige Vereinsfunktionäre, Repräsentanten aus Gemeinde und Kirche sowie Gönner – auf das Geburtstagskind an und ließen es hochleben. Hochleben für eine stolze Geschichte und eine gute Zukunft. Mit Adolf Kamuf und Andreas Kretz wurden auch zwei Urgesteine des Vereins geehrt.
Das Festbankett fand auf den Tag genau 100 Jahre nach der Gründung des Musikvereins Neufrach statt und dazu auch noch aus Sicht des Geburtstagskindes auf historischem Grund und Boden. Der Verein wurde am 9. März 1919 im ehemaligen Gasthaus "Prinz Max", das dem heutigen Dorfgemeinschaftshaus gewichen ist, aus der Taufe gehoben. Erster Vorsitzender und zugleich auch Dirigent war der markgräfliche Revierförster Wilhelm Münzer. Eine Musikkapelle hat es in Neufrach, wie der heutige Vorsitzende Magnus Wächter in Erinnerung rief, aber schon ab 1850 gegeben.
"Die Musiker erfüllen die Kernaufgabe – das Musizieren, der Verein ist für das Organisatorische zuständig", erklärte Magnus Wächter. Auf diesem Gebiet stehe man in jüngerer Zeit ständig vor neuen Herausforderungen. Als jüngstes Beispiel verwies Wächter auf die komplizierte Datenschutzverordnung. Aber auch die Nachwuchsgewinnung gestalte sich immer schwieriger. "Wir müssen heute mit einer Vielzahl anderer Freizeitangebote konkurrieren", sagte Wächter. Und schwieriger sei es auch geworden, Vorstandsfunktionen zu besetzen.
Amüsantes aus den Annalen
Nichts geändert hat sich an dem lebendigen Vereinsleben. Dies machte Marcel Rothmund in seinem Rückblick auf die zurückliegenden 100 Jahre deutlich. Von den Anfängen bis heute sei in den Protokollbüchern davon die Rede. Schlaglichtartig listete Marcel Rothmund einiges aus den Annalen auf und förderte auch einige amüsante Begebenheiten zutage. Beispielsweise, wie sich die Musikkapelle Neufrach am Sonntag, den 22. Mai 1921, mit ihren Instrumenten auf einen Ausflug zur Insel Mainau begab, in Meersburg ein kleines Platzkonzert gab und, so das Zitat aus dem Protokollbuch, "wir daraufhin von einigen musikfreundlichen Kurgästen in den Gasthof zum Schiff geleitet und dort mit einem köstlichen Nass unsere trockenen 13 Kehlen erquickt wurden." Anschließend ging es dann noch in den "Wilder-Mann-Garten".
Demografischer Wandel eine Herausforderung
"Der Musikverein Neufrach ist ein starker Motor im Gemeindeleben geblieben", führte Marcel Rothmund Vergangenheit und Gegenwart zusammen. Walter Stegmaier, Präsident des Kreis-Blasmusikverbandes und Ehrenvorsitzender des Musikvereins Neufrach, zeigte sich überzeugt davon, dass die Blasmusik eine gute Zukunft haben werde. Wenngleich der demografische Wandel eine nicht unerhebliche Herausforderung darstelle. Blasmusik stehe für gemeinsames Musizieren, aber auch für ehrenamtliches Engagement, betonte Stegmaier. Salems Bürgermeister-Stellvertreter Peter Frick bezeichnete die Musikvereine als Institutionen für Frohsinn, Geselligkeit und Lebensqualität.
Ehrungen
Für aktive Blasmusik: Marcell Normann und Manuel Lenski (30 Jahre), Christian Notheis (20 Jahre), Jannik Löhle und Jan Senger (zehn Jahre). Adolf Kamuf wurde zum Ehrenmitglied ernannt. Langjährige Funktionsträger: Andreas Kretz (25 Jahre), Klaus Löhle, Martin Gutsch, Verena Stötzle, Jürgen Amann und Nadine Kugler (10 Jahre).
Vereinsgeschichte
Anlässlich des 100-jährigen Bestehens des Musikvereins Neufrach hat Marcel Rothmund die Vereinsannalen durchstöbert. Hier einige Auszüge:
- Der Musikverein Neufrach veranstaltete in den ersten Jahren eine sogenannte "Christbaumfeier", bestehend aus einem kurzen Theaterstück und einem Konzert. Die Christbaumfeier fand abwechselnd im Gasthof "Prinz Max" und der damaligen Bahnhofswirtschaft, dem heutigen Restaurant Reck, statt. Weitere Veranstaltungen waren der Vereinsabend am Schmotzigen Dunschdig und Musikfeste im damaligen Seegau-Musikverband.
- Im Jahr 1934 wurde der Musikverein Neufrach unter den Nationalsozialisten aufgelöst und mit dem Männergesangverein zur sogenannten Kulturgemeinde zusammengeschlossen. Am 22. Februar 1947 wurde der Musikverein neu gegründet.
- Anlässlich des 100-Jährigen der Musikkapelle fand 1950 ein großer Festumzug mit 5000 Besuchern statt.
- In den folgenden Jahrzehnten blühte die Festkultur des Musikvereins auf. Eine der größten Veranstaltungen, die der Musikverein von 1958 bis 1987 stemmte, war die Bewirtung und Gestaltung des Abendprogramms bei dem alle zwei Jahre bei der Obstmarkthalle am Bahnhof stattfindenden Bezirksbauerntags. 1965 besuchte Kurt-Georg Kiesinger, damaliger Ministerpräsident von Baden-Württemberg, die dreitägige Veranstaltung, 1972 war der Bundeslandwirtschaftsminister Josef Ertl zu Gast.
- Als die Bezirksbauerntage zu Ende gingen, bestritt der Musikverein Neufrach zusammen mit dem Musikverein Mimmenhausen das von Bürgermeister Werner Kesenheimer im Jahr 1980 ins Leben gerufene Schlossseefest, das heute von allen Salemer Musikvereinen getragen wird. 1980 bis 1984 veranstaltete der Musikverein Neufrach das Frühlingsfest in der Obstmarkthalle, von 1986 bis 1990 das Bahnhofsfest und 1992 bis 2001 das Straßenfest in der Riedlestraße. Zum 160-jährigen Bestehen der Musikkapelle wurde im Jahr 2010 das dreitägige Prinz-Max-Fescht ins Leben gerufen, das bis heute großen Anklang findet.
- Als 1966 die Neufracher Hardtwieble-Zunft gegründet wurde, stellte sich die Musikkapelle als musikalische Begleitung bei Umzügen an deren Seite. 1985 entstand unter der Regie von Andreas Kretz und Elmar Notheis die Lumpenkapelle "Wikinger". (as)
