Norbert Graf aus Neufrach hat bei Forschungen im Generallandesarchiv in Karlsruhe ein glückliches Händchen bewiesen: In einer Akte aus dem Kloster Salem stieß er auf die Überlieferung einer frühen Fasnetsveranstaltung in Neufrach. Sie fand laut Graf vor fast 400 Jahren, während des 30-jährigen Krieges, statt. Graf berichtet: "Das Kloster übte viele Jahrhunderte die Dorfherrschaft über Neufrach und die umliegenden Orte aus. Im Rahmen dieser Herrschaft wurden Verhörtage abgehalten. Hier konnten die Untertanen Anliegen vorbringen, die von einem mehrköpfigen Gremium aus höheren Klosterbeamten beschieden wurden." Graf zufolge ging es meist um Käufe und Verkäufe, Hochzeiten, Erbschaften und kleinere Vergehen. "Über diese, etwa alle 14 Tage stattfindenden Anhörungen wurden gewissenhaft Protokolle angefertigt, zu Büchern gebunden und verwahrt", so der Neufracher.
Protokoll vom 1. Februar 1624
Und das Protokoll vom 1. Februar 1624 enthalte unter Neufrach folgenden Eintrag: "Die Erbar Gemeind zue Neufrach lässt unterthänig anhalten, dass sie der Zeit wieder zusammenkommen und ein Fasnachtszuch miteinander thun dörffen." Von dem Gremium erging schließlich der Bescheid: "Soll ihnen, [...], einen zimblichen Zuch zu thun, gnädig erlaubt sein." Entnommen sind diese Passagen aus der Akte, die im Karlsruher Generallandesarchiv die Signatur 61 Nr. 13373 trägt. Laut Archiv wurden hier Protokolle von 1621 bis 1629 gebündelt. Der betreffende Abschnitt findet sich hinten auf Blatt 494. Die Protokoll-Bücher seien Mikro-verfilmt worden und "nur diese Filme können, zum Schutz der Originale, eingesehen werden", erläutert Graf.
Viele Zeitzeugnisse im Generallandesarchiv sind heute digital einsehbar. Bei der Signatur 61 war dies bislang nicht möglich. Es handelt sich um sehr dünne oder dicke Bände, die nur unter großem zeitlichem Aufwand digitalisiert werden könnten, wie das Archiv erklärt. So muss jeder, der zumindest mal einen Blick in die Mikro-Filme werfen möchte, sich in Karlsruhe anmelden und hinfahren. Norbert Graf macht dies einmal im Jahr. Besonderes Augenmerk legt er bei seinen Forschungen auf die ehemalige Pfarrgemeinde Leutkirch – unter anderem mit Neufrach, Oberstenweiler, Mittelstenweiler und Buggensegel.
Vielleicht eine Fastnachtsvereinigung?
Die jetzt entdeckten Passagen versucht er zu deuten: "Die Bezeichnung ehrbar ist in den damaligen Protokollen weder für die Gemeinden noch für Personen üblich." Graf stellt Überlegungen an, ob die "Erbar Gemeind" ein Spaß oder sogar eine Fastnachtsvereinigung gewesen sei – das müsse offenbleiben. Erkennbar ist nach Ansicht des Neufrachers, dass es diese Züge schon in den Jahren davor gegeben haben muss. Denn es ist die Rede von "wieder zusammenkommen". Graf: "Der Zug sollte geziemt, also ordentlich sein. Möglicherweise liegt auch hier eine Doppeldeutigkeit vor." Wie solch ein Zug aussah, ist nicht überliefert. "Sicherlich anders als der am Samstag geplante Umzug, vermutlich aber nicht weniger närrisch", vermutet Graf.
Narren feiern heute
- Bei der Hardtwieble-ZunftNeufrach wird am heutigen Samstag, 16. Februar, gefeiert. Die Gruppe Zimmermänner feiert das 40-jährige und die Klufenmichel das 50-jährige Bestehen. Um 13.30 Uhr laden die Narren zum Narrenbaumstellen ein. Der Umzugsweg verläuft von der Molke, über die Leutkircherstraße zum Prinz Max. Um 16.33 Uhr startet der Dämmerungsumzug. Dieser beginnt an der Molke und verläuft dann über die Nüffernstraße, die Riedlerstraße, die Weildorferstraße und die Markdorferstraße zum Rathaus. Der Umzugspin ist für 2 Euro zu haben. Anschließend gibt es einen Zeltbetrieb.
- Vereinshistorie: "Die erste schriftliche Aufzeichnung über die Fasnet in Neufrach stammt aus dem Jahr 1757, es soll jedoch schon früher ein Mummenschanz stattgefunden haben", schreibt die Hardtwieble-Zunft auf ihrer Internetseite. Im Überlinger Archiv sei eine Aufzeichnung zu finden, in der stehe, dass die Neufracher Narren 1860 den Überlingern einen Besuch abgestattet hätten. "Bald nach dem 1. Weltkrieg fanden sich Fasnetsbegeisterte im 'Bräu-Richard' zusammen und gründeten den Narrenverein Neufrach als eine lose Gemeinschaft der Narren", heißt es weiter. Im Jahr 1947 tagte nach dem zweiten Weltkrieg wieder der Narrenrat – unter Narrenpräsident Karl Haug. Und weiter: "In der Fasnet 1952 kam Maria Zweiel auf die Idee, sich als Hardtwieble zu verkleiden." Haug sei von der Idee so angetan gewesen, dass er den Entwurf des Hardtwieble-Häs beauftragt habe. Doch erst 1964 wurde, unter Herbert Keller, die Anfertigung von Häs und Maske beschlossen. "Dieser verwandelte im Januar 1965 den Verein in die Hardtwieble-Zunft, mit der er 1969 an der Gründung des ANR maßgeblich beteiligt war."