Die neuen Mitfahrbänke sollen vor allem ein "Angebot von Taisersdorfern für Taiserdorfer" sein, so formuliert es Ortsvorsteherin Angelika Thiel.
Die Bänke wurden kurz nach Pfingsten im Owinger Teilort installiert. Eine Alternative für den fehlenden öffentlichen Personennahverkehr könnte dies möglicherweise werden, denn nur an Schultagen hält hier zweimal täglich ein Bus.
Fahrzeugfrequenz im 300-Seelen-Dorf ist überschaubar
Wer nicht dringend zu einem festen Termin in Owingen, Überlingen oder Pfullendorf sein muss, kann hier auf farbigen Klappsitzen seinen Mitfahrwunsch signalisieren – und hoffen, dass jemand anhält.
Denn die Fahrzeugfrequenz in dem 300-Seelen-Dorf ist überschaubar. Ob es funktionieren wird, kann Ortsvorsteherin Thiel daher noch nicht abschätzen. Wobei, als sie sich mit Bürgermeister Henrik Wengert und den Initiatoren zum Ortstermin niedergelassen hatte, prompt eine Taisersdorferin anhielt und fragte, wo es denn nun hingehen soll.
"Trampen für Senioren"
Es kommt drauf an, was man draus macht. Dass an dem einstigen Werbeslogan für Beton durchaus etwas dran ist, belegten die Taisersdorfer Bürger mit ihrer Aktion ganz eindrucksvoll.
Das Projekt "Mitfahrbänke" ist keineswegs ganz neu. Schon vor mehr als drei Jahren geisterte es unter der Überschrift "Trampen für Senioren" durch die Medien. Im Februar 2018 veranstaltete das Demographie-Kompetenzzentrum Oberfranken in Kronach schon das vierte Fachforum Mitfahrbänke, bei dem Erfahrungsberichte aus der Praxis zeigen sollten, "was eine Mitfahrbank ist, wie sie angenommen wird und wie das Thema auch in anderen Kommunen und Orten umgesetzt werden kann".
Auch rechtliche Fragen wurden hier behandelt und bekräftigt, dass Mitfahrer durch die Autohaftpflicht des Fahrers versichert sind.

Den Anstoß in Taisersdorf hatte Ortschaftsrätin Helena Papadakis-Jamrog schon vor mehr als zwei Jahren gegeben. "Ich hatte damals ein Beispiel im Fernsehen gesehen und gedacht, das könnte doch etwas für uns sein", sagt Papadakis-Jamrog beim Testsitzen für die Tageszeitung. Doch bis zur Realisierung sollte es noch dauern. "Am 11. April 2016 hatten wir das Thema erstmals auf der Tagesordnung", erinnert sich Ortsvorsteherin Angelika Thiel: "Dann haben wir mehrfach beraten, wie wir es am besten umsetzen könnten."
Standort im Dorfzentrum bei der Bushaltestelle
Was lange währt, wird endlich gut, könnte man den Prozess überschreiben. Konzept, Standort und Ausführung mussten geklärt werden.
Bei der Suche nach attraktiven und zugleich praktischen Sitzgelegenheiten wurden die Taisersdorfer mit bunten Klappsitzen aus Metall fündig, die ansprechenden Hinweisschilder wurden gestaltet und von einem Owinger Laserspezialisten hergestellt. Nicht lange diskutieren musste der Ortschaftsrat über den idealen Standort, der im Dorfzentrum bei der Bushaltestelle gefunden wurde.
Buntes Angebot wird zu einem echten Blickfang
Bürgermeister Henrik Wengert war sofort angetan von der Initiative und die Gemeinde steuerte die notwendigen 3000 Euro bei. Der Werkhof schraubte Klappsitze und Hinweisschilder Ende Mai an und machte das bunte Angebot zu einem echten Blickfang.
Kaum hatte der Bürgermeister seiner Freude über die neue Errungenschaft in den sozialen Medien Ausdruck verliehen, machte das Taisersdorfer Angebot eine bundesweite Karriere. "Die Ortsmitte von Taisersdorf hat einen weiteren wunderschönen, freundlichen Farbtupfer, erhalten. Dieser wird hoffentlich als Möglichkeit des unkomplizierten Öffentlichen Personennahverkehr rege wahrgenommen", hatte Wengert erklärt und gerade Farbtupfer schienen der Kick zu sein.
Utopia, Stern und ze.tt berichten
Die Internetplattform "Utopia" meldete sich im Owinger Rathaus und die Kollegen des "Stern" erkundigten sich nach den Kosten.
"Mitfahrgelegenheit mal anders: Stehen solche Bänke bald in ganz Deutschland?" titelte das Online-Magazin "ze.tt" und berichtete über die Alternative zum ausgestreckten Daumen. Es kommt eben oft auf die Ästhetik an, ob eine Einrichtung wahrgenommen wird.
Vier Farben, vier Richtungen
Die vier Farben stehen für die vier wichtigsten Zielrichtungen: Überlingen/Owingen und Herdwangen/Schwende in Richtung Süden, Altheim/Lippertsreute und Schönach/Pfullendorf in Richtung Norden. "Wir sind jetzt mal gespannt, ob es funktionierte", sagt der Bürgermeister, der ungeachtet dieser Initiative die Möglichkeit prüfen will, für die Teilorte auch ein Anruf-Sammel-Taxi (AST) einzurichten. Bisher gibt es dies in Taisersdorf lediglich als Zubringer zu der Regiobuslinie 500, die zwischen Überlingen und Sigmaringen verkehrt.
Die Idee
Schon seit 2014 gibt es laut der Internetplattform "www.mobil-bleiben.de" das Prinzip der Mitfahrerbänke in Deutschland. Die erste Tramper-Bank sei damals nach Angaben der Plattform in der 3000-Seelen-Gemeinde Speicher in der Westeifel eingeführt worden. Seither steht die türkisfarbene Bank vor dem Rathaus und ist ein beliebter Treffpunkt für spontane, kostenlose Fahrgemeinschaften, heißt es dort: "Die Idee kam damals von der Verkehrspsychologin Ursula Berrens, die sie zusammen mit der Caritas in die Tat umsetzte. Das Projekt wurde mit mehreren Preisen ausgezeichnet. Schnell kamen weitere Bänke in und um Speicher hinzu und animierte auch andere Gemeinden in Deutschland zur Nachahmung. Mit unterschiedlichem Erfolg. In der Eifel müssen Tramper maximal zehn Minuten warten, bis jemand anhält und sie mitnimmt. Vielleicht liegt dies an der Mentalität der Bewohner."
Quelle: www.mobil-bleiben.de