Organisator Uwe Petersen hatte die Mahnwache gegen den Krieg in der Ukraine ganz kurzfristig organisiert. Ziel war eine „überparteiliche Initiative“. Petersen zeigte sich von der starken Resonanz in dem rund 6000 Einwohner zählenden Städtchen „total überrascht und sehr froh. Ich hätte nie damit gerechnet, dass mehr als 100 Leute kommen. Unter zehn, das hätte mich deprimiert, aber alles über 100 hätte ich für utopisch gehalten.“
Menschen vieler Altersgruppen und politischer Couleur aus Meersburg und der Umgebung folgten seinem Aufruf. Auf Reden wollte er dieses Mal bewusst verzichten, betonte Petersen eingangs. Dem SÜDKURIER sagte er später, eine Fortsetzung der Mahnwachen, dann eventuell auch mit Beiträgen, halte er für wahrscheinlich, auch wenn er derzeit noch nichts geplant habe. Dann würde er aber bereits im Vorfeld auch offiziell alle im Meersburger Gemeinderat vertretenen politischen Gruppierungen ins Boot holen, so Petersen, der Sprecher des Ortsverbands Meersburg von Bündnis 90/Die Grünen ist.

„Ich hätte nie damit gerechnet, dass ich das miterleben werde, dass so was im 21. Jahrhundert passiert.“Hannah Schöning
Die 19-jährige Abiturientin Hannah Schöning hatte wenige Stunden vor der Mahnwache dafür extra noch ein Schild gemalt: eine Friedenstaube vor der ukrainischen Fahne. Wie viele hier nennt Schöning als Grund für ihre Teilnahme, das sie ihre Solidarität mit der Ukraine kundtun wolle. Die junge Frau sagt: „Ich hätte nie damit gerechnet, dass ich das miterleben werde, dass so was im 21. Jahrhundert passiert.“
Wilfried Goes, obwohl viel älter, geht es ähnlich: „Ich bin noch im Krieg geboren, habe die Nachkriegszeit miterlebt.“ Er sei auch da, weil er zwei Söhne habe, die in der Bundeswehr gedient hätten, einer davon sei in Bosnien im Einsatz gewesen und habe dort Schlimmes miterlebt. Goes‘ Partnerin Dorothee Wiedmann sagt: „Wir denken an die Ukrainer und die Russen, die russische Bevölkerung.“

Brigitte Jahn aus Daisendorf hat auf die Schnelle eine Meersburger Stadtfahne mitgenommen, denn die hat die gleichen Farben wir die ukrainische Flagge. Sie sei da, um „gemeinsam zusammenzustehen, die Solidarität der Welt zu zeigen“. Und zwar unpolitisch. Doch Sarah Schneider, die neben ihr steht, schüttelt den Kopf. „Krieg ist immer Politik“, meint sie. „Man muss aber für Schwächere einstehen“, sagt die junge Frau. Sie ist mit ihrem Mann Ingo gekommen. In der kommenden Woche werden die beiden heiraten. Die Freude auf die Hochzeit lassen sie sich nicht verderben, denn es passierten ja ständig schlimme Dinge auf der Welt, sagt die junge Frau und betont: „Es sollte einem aber nicht egal sein.“

Auch Monja Endress ist das nicht gleichgültig. Die gebürtige Meersburgerin wohnt seit Jahren in München, verbringt aber jede Fastnacht in ihrer Heimatstadt und gehört in normalen Jahren auch zu den originellsten Akteurinnen auf der Narrenbühne. Sie steht mit ihrem Freund Tobias Weigert und ihrer Tante Bärbel Endress im Kreis auf dem Marktplatz, vor Häusern, die mit bunten Bändeln geschmückt sind. Monja Endress meint: „Man kann sich ja nicht nur um die Fasnet kümmern, es gibt Wichtigeres.“ Allerdings mache sie auch „ganz normal Fasnet, natürlich mit einem kleinen Zwiespalt“. Doch im gleichen Atemzug unterstreicht sie: „Wir Narren machen ja nicht nur Jux und Dollerei, das Eine schließt das andere nicht aus.“ Das weiß keine besser als Monja Endress: Im Sommer 2019 initiierte sie mit der Narrenzunft eine Knochenmarkspendeaktion, um einem erkrankten Mitglied und anderen Krebsleidenden zu helfen. Endress hält es für wichtig, Solidarität zu zeigen, „auch wenn‘s vielleicht niemanden interessiert, wenn wir hier am Marktplatz stehen.“

Organisator Petersen räumt ein: „Das ist ein hilfloser Versuch, etwas zu tun, aber nichts zu tun, ist schlechter.“ Das findet auch CDU-Stadtrat Martin Brugger, der sich auf Petersens Bitte spontan bereit erklärt hatte, als Ordner zu fungieren. „Man kann nichts machen, als Flagge zu zeigen.“ Und das Thema beschäftige einem ja sowieso den ganzen Tag, so Brugger.
Carin Walther, wie Petersen Mitglied der Grünen, sagt: „Ich zeige hier auch Solidarität mit unserer Regierung. Keiner von uns ist glücklich, dass wir Waffen liefern, aber es bleibt nichts anderes übrig. Ich muss Robert Habeck im Nachhinein Recht geben.“

Von „Hilflosigkeit und Ohnmacht“ sprechen auch Jörg und Christine Fitzner aus Uhldingen-Mühlhofen, die mit einem Schild auffallen, das Putin als „Teiggesicht“ apostrophiert und Jörg Fitzner hat sogar ein Rührgerät dabei. Sie wollten gegen die Angst und die Unerträglichkeit des Krieges, für den „der wahnsinnige“ Putin hanebüchene und imperialistische Gründe ins Feld führe, „mit etwas Absurdem reagieren“, erklärt das Paar den außergewöhnlichen Aufzug.