Jürgen Kroeker klingt deprimiert. „Etwas Sinnvolles“ habe er tun wollen. „Gesucht habe ich etwas, womit ich anderen helfen kann.“ Er hat es auch gefunden. Jürgen Kroeker engagiert sich in der Markdorfer Tafel. Mittwochs sortiert der Rentner Obst, Gemüse, Milchprodukte. Gespendete Lebensmittel, die die Fahrer der Tafel in den Geschäften in Markdorf, aber auch in den Nachbarorten abholen.

Sortieren ist leichter als verteilen – insbesondere wenn nach der Hälfte der Zeit die Lebensmittel knapp werden, aber noch sehr ...
Sortieren ist leichter als verteilen – insbesondere wenn nach der Hälfte der Zeit die Lebensmittel knapp werden, aber noch sehr viele Tafelkunden vor der Tür warten, erklärt Jürgen Kroeker. | Bild: Jörg Büsche

Donnerstags macht der hochgewachsene Mann „den Türsteher“, wie er sagt. Kroeker steht dann am Eingang des Tafelladens – und regelt den Zutritt. „Zum Glück muss ich keine Lebensmittel ausgeben.“ Denn das sei inzwischen eine Katastrophe, weil es an Zwiebeln, Mohrrüben und anderem Gemüse fehle. Gleiches gelte für Milchprodukte und Fleisch – sowie Wurstwaren. „Es ist traurig“, sagt Kroeker.

Große Spendenbereitschaft in Markdorf

Die Armut ist längst angekommen – auch in den Köpfen der Menschen. Ob die Sängerinnen und Sänger des Gospelchores die Konzerteinnahmen spenden oder es die Schüler des Markdorfer Bildungszentrums sind, die überreichen, was ihnen der letzte Weihnachtsbasar einbrachte. Oder ob es die Narrenzunft ist, die aufs Verleihen von Fasnetsorden verzichtete, stattdessen Geld für Bedürftige gibt.

Die Liste ließe sich noch sehr viel länger fortschreiben. Und die Spender kommen aus allen Bereichen – Wirtschaftsunternehmen spenden ebenso wie Privatleute, erklärt Günther Wieth. Der Leiter der Markdorfer Tafel führt aus, „dass wir unendlich dankbar sind.“ Dieser Dank richte sich an alle, die etwas gegeben haben, um die Not, in der die Tafel steckt, etwas zu überwinden.

Der Dank an alle Spender liegt Christel und Günther Wieth ganz besonders am Herzen.
Der Dank an alle Spender liegt Christel und Günther Wieth ganz besonders am Herzen. | Bild: Jörg Büsche

Froh über jeden Betrag

„Es zählt jeder noch so kleine Betrag – die fünf Euro, die wir von der Rentnerin bekommen ebenso wie die erhebliche Summe, die uns eines der lokalen Unternehmen zukommen lässt“, betont Wieth. Schließlich sei der Bedarf ganz erheblich gewachsen. Inflation, Coronakrise und Ukrainekrieg wirken sich aus. Wobei die Kunden der Tafel auch schon vor dem Überfall auf die Ukraine vor einem Jahr mit hohe Mieten und steigende Energiekosten zu kämpfen hatten.

Doch nun erweitert sich der Kreis der Lebensmittelempfänger, weil die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine hinzugekommen sind. Sodass nicht mehr ausreicht, was Bäcker, was Lebensmittelhändler oder Landwirte an Brot, Molkereiprodukten oder Gemüse an die Tafel abgeben. „Im vergangenen Jahr mussten wir Lebensmittel im Wert von rund 40.000 Euro hinzukaufen, damit unsere Kunden nicht vor leeren Regalen stehen“, berichtet Tafel-Chef With.

Früher war mehr Gemüse – und zwar ganz entschieden.
Früher war mehr Gemüse – und zwar ganz entschieden. | Bild: Jörg Büsche

Die Bedürftigen werden immer mehr

Und Wieth macht keinen Hehl daraus, dass ihm dieser Zukauf gründlich gegen den Strich geht. Gehörte doch das „Retten“ von Lebensmitteln von Anfang an zu den Grundprinzipien der Tafeln. Retten heißt, dass Milch, Joghurt oder Konfitüre nach Erreichen des Mindesthaltbarkeitsdatums nicht entsorgt wird. Gleiches gilt für Obst, für Gemüse mit Druckstellen oder anderen Schönheitsfehlern. „Wir kämpfen mit allen Mitteln gegen die Lebensmittelverschwendung“, betont Wieth, der immer wieder Vorträge hält, in denen er für einen nachhaltigeren Umgang mit den Ressourcen plädiert.

Dass insbesondere die Lebensmitteldiscounter inzwischen knapper kalkulieren, dass kaum noch viel geordert wird, immer weniger Ware das Mindesthaltbarkeitsdatum erreicht, kann den Tafelchef jedoch nicht recht freuen. Sei er doch mehr denn je auf möglichst hohe Lebensmittelspenden angewiesen. „Im Januar 2022 kamen noch 70 Familien am Donnerstag in die Tafel – derzeit sind es 170, die Lebensmittel abholen wollen“, berichtet Wieth. Im gleichen Zeitraum aber habe sich die Menge der Lebensmittelspenden halbiert.

Die Läden geben viel weniger

Für Wolf Manes und Dieter Boucec bedeutet das, dass sie immer öfter mit erheblich weniger vollen Kisten zurück zur Tafel kommen, als ihnen lieb ist. Die beiden gehören zum Helferkreis der Markdorfer Tafel. Beide berichten aber, dass sie kaum noch so viel abholen dürfen, wie dies noch vor Beginn der Krisen der Fall war. „Man steckt nicht drin“, sagt Wolf Manes, „mal gibt es ganz wenig, mal ist es deutlich mehr.“

Wolf Manes und Dieter Boucec holen gespendete Lebensmittel ab.
Wolf Manes und Dieter Boucec holen gespendete Lebensmittel ab. | Bild: Jörg Büsche

Insgesamt aber scheinen die Zeiten der alten Üppigkeit vorbei zu sein. „Darum sind wir ja so dankbar, dem Hagnauer Stricktreff wie dem Gospelchor, dem Imkerverein, dem FDP-Ortsverband wie den Markdorfer Malerinnen und Malern, den Mitarbeitern von Airbus, den Auszubildenden von Borg Warner oder den Schülern vom BZM – ohne deren Spenden wären wir im vergangenen Jahr nicht über die Runden gekommen, erklärt Günther Wieth.