„Wir nehmen nun die fünfte Halle im Landkreis in Betrieb – und auch die größte.“ Mit diesen Worten hat Landrat Lothar Wölfle am Montagvormittag die neue Notunterkunft für Geflüchtete in Friedrichshafen eröffnet. Sie ist in der Sporteinrichtung des örtlichen Berufsschulzentrums untergebracht. Fortan sollen hier bis zu 234 Menschen ein Dach über dem Kopf finden.

Vorbereitungen laufen seit den Herbstferien
Bereits im September vergangenen Jahres war bekannt geworden, dass die Anlage zur Unterkunft umfunktioniert werden soll. Seit den Herbstferien läuft der Umbau. Zunächst war noch ungeklärt, wohin die Jugendlichen aus den umliegenden drei Schulen sowie die Sportvereine, die dort ebenfalls trainieren, ausweichen sollen. Hierfür wurden inzwischen Lösungen gefunden. Sportlehrer unterrichten teils in Klassenräumen, auch andere Hallen in der Stadt werden genutzt. Vereine weichen ebenfalls aus. Zuletzt besichtigten vor gut zwei Wochen Vereinsmitglieder die fertig umgebaute Halle. Lothar Wölfle: „Der Austausch war konstruktiv.“ Dennoch wisse er, dass nicht alle zufrieden mit der Lage seien.
Aus Sicht der Verantwortlichen im Landratsamt schien es hingegen alternativlos, die Immobilie für Geflüchtete zu nutzen – die Liegenschaft gehört dem Landkreis. „Wir können nicht nur auf die Solidarität der Städte und Gemeinden warten“, begründete Lothar Wölfle nun erneut die Entscheidung. Zuletzt machte der Ortschaftsrat aus Tettnang-Kau, wo bislang noch Menschen in Not untergebracht sind, einen Schritt auf den Kreis zu: Die dortige Seldnerhalle wird nicht – wie vertraglich vereinbart – nur bis zum Jahresende 2022 genutzt. Das Abkommen wurde auf Ende April 2023 ausgeweitet. Dann sei aber Schluss, versprach der Landrat.

Dass weiterhin Bedarf an Unterbringungsmöglichkeiten herrscht, zeigt ein Blick auf die Zahlen: Seit Januar 2022 haben gut 1820 Menschen in der Bodenseeregion Schutz gesucht – im Schnitt 150 pro Monat. Real dürften es noch mehr sein, denn Ukrainer dürfen auch ohne das Stellen eines Asylantrags in Deutschland einreisen. Deren Anteil an der monatlichen Gesamtzahl Schutzsuchender hat im Jahresverlauf abgenommen: Im März waren unter 377 Personen 344 Ukrainer. Im November waren es von 150 Geflüchteten nur noch 39. Von den bislang für Januar 85 zugewiesenen Personen sollen nun 20 in der Halle in Friedrichshafen untergebracht werden – Ukrainer werden nicht unter ihnen sein.

Wichtig ist der Kontakt mit den Menschen zuhause
Dass die behelfsmäßigen Räume lediglich eine Unterkunft auf Zeit sein können, zeigt der Blick in die Quartiere. Stockbetten, Metallspinde, ein Kühlschrank: viel mehr ist nicht in den Räumen zu finden. Dennoch haben die Verantwortlichen im Landratsamt seit dem Jahr 2015, in dem etwa gleich viele Geflüchtete in die Region kamen wie 2022, dazugelernt. Landrat Wölfle: „Wir haben etwa WLAN für alle Bewohner.“ Die Möglichkeit, mit Angehörigen in den Heimatländern Kontakt aufzunehmen, sei für die Bewohner essenziell – und wirke präventiv gegen Konflikte.
Dennoch kann es zu Reibereien in der Unterkunft kommen. Wölfle: „Man stelle sich vor, hier wohnen 234 Deutsche. Das bringt auch soziale Spannungen mit sich.“ Dass Bewohner gestresst sein können, überrascht kaum. Das weiß auch Ignaz Wetzel, der leitende Kreisverwaltungsdirektor und Sozialreferent im Landratsamt. „Die Enge, die Lautstärke, Gerüche, Perspektivlosigkeit – man weiß nicht, wie es mit dem Asylantrag ausgeht.“ Michael Stratil, Leiter der Abteilung für Aufnahme und Unterbringung, bestätigt: „Es sind zwischenmenschliche Konflikte.“ Bis zu zwei Jahre warten Geflüchtete auf die Entscheidung über ihren Asylantrag, ergänzte noch Natascha Fuchs. Sie ist Leiterin des Amts für Migration und Integration – das ebenfalls nach den Erfahrungen seit 2015 gegründet wurde.
Sicherheitsleute rund um die Uhr vor Ort
Damit das Zusammenleben auf Zeit so gut wie möglich funktioniert, sollen permanent vier Sicherheitsleute vor Ort sein. Ein Hallenmanagement ist ansprechbar für alltägliche Fragen, ein Sozialarbeiter ist ebenfalls in der Unterkunft aktiv. Zudem wollen die Verantwortlichen auf eine gute Durchmischung der Bewohner achten. Es soll nicht dazu kommen, dass etwa nur alleinstehende Männer zusammen wohnen. Wie lange nun die Halle am Berufsschulzentrum genutzt wird, ist bislang noch offen.