Ein 55-jähriger Landwirt hatte sich am Donnerstag wegen „vorsätzlicher Handlungen gegen naturschutzrechtliche Vorschriften“ vor dem Amtsgericht Tettnang zu verantworten. Hintergrund war die Rodung zweier Streuobstwiesen Ende Februar 2020 bei Friedrichshafen-Unterraderach. Das Urteil: eine Geldstrafe in Höhe von 7200 Euro.
Angeklagter spricht von Nachbarschaftshilfe
Der Landwirt ist nicht der Eigentümer des Geländes. „Ich habe im Rahmen der Nachbarschaftshilfe geholfen“, berichtete er vor Gericht von der Rodungsaktion, bei der weitere zehn bis 15 Personen mit schwerem Gerät im Einsatz waren. Seit Anfang des Jahres hat der 55-Jährige die Flächen von dem betagten Eigentümer gepachtet. Sein Plan sei es, dort Obstplantagen anzulegen.
Eine Zeugin sagte aus, dass die gefällten Bäume sofort geschreddert worden seien. „Ich war einfach nur geschockt.“ Vorher sei die Welt in Unterraderach mit dem alten Baumbestand noch in Ordnung gewesen. „Nach dieser Hauruck-Aktion war innerhalb eines Tages alles weg“, so die Zeugin. Einen Monat vor der Rodung sei er vom Angeklagten darum gebeten worden, den Zaun seiner Pferdekoppel zu entfernen, damit die Fahrzeuge auf die Wiese fahren können, berichtete ein weiterer Zeuge. „Er sagte, dass er die Anlage gepachtet hat und ich habe mir nichts dabei gedacht.“ Die Vogelarten könne er zwar nicht benennen, aber auf der Streuobstwiese sei richtig was los gewesen. „Seit die Bäume weg sind, sind auch Vögel und Fledermäuse komplett verschwunden“, sagte er und seine Betroffenheit war ihm anzumerken.
„Seit die Bäume weg sind, sind auch Vögel und Fledermäuse komplett verschwunden.“Ein Zeuge
„Mein Mandant hat nur Maschinen bedient und ist gefahren.“Martin Fischer, Verteidiger
Ein Biologe, der die Streuobstwiese samt ihrer Fauna seit 1999 kennt, habe im Juni vor der Rodung den Grünspecht sowie im September Zauneidechsen und eine ebenfalls streng geschützte Fledermausgruppe in einer Baumhöhle gesehen, so der Zeuge. Auf die Frage, ob die Landwirte im Zuge des neuen Paragrafen 33a im Naturschutzgesetz über den Schutzstatus von Streuobstwiesen informiert waren, entgegnete er, dass es in jedem Gemeindeblatt zu lesen gewesen sei. „Man braucht kein Biologe sein, um zu erkennen, dass dort Tiere leben und nisten.“
Verteidiger Martin Fischer plädierte auf Freispruch und erklärte, dass sein Mandant nicht am Fällen der Bäume beteiligt gewesen sei. „Er hat nur Maschinen bedient und ist gefahren.“ Außerdem könne ihm nicht nachgewiesen werden, dass er vorsätzlich gegen das Naturschutzrecht verstoßen habe.
Der Vertreter der Staatsanwaltschaft forderte eine Geldstrafe in Höhe von 7200 Euro. Ihm folgte Richterin Franziska Fischer-Missel in ihrem Urteil. Beide sahen das wirtschaftliche Interesse des Landwirts und die Aussicht, das Grundstück zu pachten, als Triebfeder. Das letzte Wort gehörte dem Angeklagten: „Nach heutigem Kenntnisstand würde ich nicht mehr helfen. Es tut mir leid, dass es so gekommen ist.“
Fischer-Missel begründete ihr Urteil damit, dass es dem Landwirt klar gewesen sein muss, dass im Baumbestand Tiere leben. Sie gehe jedoch davon aus, dass er nicht gewusst habe, dass es sich um streng geschützte Arten handelte. „Sonst wäre die Strafe höher ausgefallen.“