100 Euro pro Bürger will die Stadt jedes Jahr ausgeben, um in Klimaschutz und Klimaanpassung zu investieren. Das sind stolze 6,3 Millionen Euro allein im Doppelhaushalt 2020/21 und „ein starkes Zeichen“, erklärte Oberbürgermeister Andreas Brand am Montagabend im Gemeinderat. Der gab mit nur einer Enthaltung der grünen Fraktionschefin Anna Hochmuth dem neuen Klimabudget seine Zustimmung. Doch so einmütig verlief die Diskussion bis dahin dann doch nicht.
Schon vor dem Graf-Zeppelin-Haus mahnten erneut drei Aktivisten von Fridays for Future. Bereits am Freitag hatten sich hier nach einem Protestzug vom Stadtbahnhof etwa 20 von ihnen mit Megafon, Plakat und Mundschutz versammelt, um die Pläne des Gemeinderats in Sachen Klimabudget als unzureichend zu kritisieren. Das Potenzial werde nicht ausgeschöpft.

Mit dabei war Elgin Raupach, die in der Bürgerfragestunde dem Rat sehr emotional ins Gewissen redete. Sie habe Angst vor der Zukunft. Die 17-Jährige stieß sich etwa daran, dass der Ausbau des Handyparkens mit 45.000 Euro keine Klimaschutzmaßnahme sei. Denn eine verbesserte Parkplatzsituation in der Innenstadt würde niemanden zum Umstieg auf Bus und Bahn oder das Fahrrad verleiten. Wichtiger sei stattdessen der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs oder überdachte Bus- und Bahnhaltestellen.
Grünen ist das Paket „viel zu mager“
Aber auch im Gemeinderat blieb das neue Klimabudget nicht ohne Gegenrede. Schon im Vorfeld erklärte die zweitstärkste Fraktion im Rat, die Vorschläge zur Verwendung der Mittel seien „viel zu mager“. Bei den Grünen hatte man sich mehr von den Projekten versprochen, für die es Geld geben soll. Felix Bohnacker erklärte in der vorberatenden Sitzung des Finanz- und Verwaltungsausschusses sogar, das Programm sei „als Tiger gestartet und als Bettvorleger gelandet“. Die Ideen der Verwaltung seien etwas einfallslos und wenig ambitioniert.
Ein Teil des Ärgers rührte daher, dass grüne Anträge vom Rathaus nicht in die To-do-Liste, sondern auf „Wiedervorlage“ gestellt wurden. Beispielsweise der Vorschlag, einen Teil der Parkplätze in der Stadt in Grüninseln umzuwandeln. „Es ist unverständlich, warum man nicht einfach anfängt“, ärgerte sich Regine Ankermann in der Ratssitzung gleich noch einmal darüber. Bürgermeister Fabian Müller beschwichtigte, dass man zunächst schauen müsse, welche drei von 100 Parkplätzen es sein sollen. Die Parkplätze am Schlosssteg in direkter Nachbarschaft zum frisch sanierten GZH-Parkhaus böten sich an, schob Regine Ankermann einen konkreten Vorschlag nach.

Noch unverständlicher fanden die Grünen, dass ihr Vorschlag eines Fahrradverleihsystems vom Rathaus abgelehnt wurde, weil es keine städtische Aufgabe sei. Dabei machten Ravensburg oder Lindau vor, dass es geht. Auch in diesem Punkt lenkte die Verwaltung ein. Jetzt soll der Vorschlag doch geprüft werden.
Heliosch: „Immer klimaneutral bauen“
Kritik übten die Grünen aber auch an der Vorgehensweise. Viele der geplanten Projekte im Klimabudget gehörten in den normalen Haushalt, erklärte Ulrich Heliosch. Als Beispiele nannte er Mehrkosten von 3 Millionen Euro für die Klimaneutralität des Neubaus Kinderhaus Habakuk. „Nach meinem Verständnis sollten zukünftig alle öffentlichen Gebäude standardmäßig klimaneutral gebaut werden und aus dem normalen Haushalt bezahlt werden“, erklärte er. Stattdessen sollte besser die Umgestaltung des Bahnhofsvorplatzes und der Ortsdurchfahrt Fischbach, die derzeit auf Eis liegen, mit Geldern aus diesem Topf bezahlt werden. Mit diesen Projekten ließe sich der Fuß- und Radverkehr stärken und so das Klima schützen.
Friedrichshafen gehe bereits mit gutem Beispiel voran, hieß es aus den anderen Fraktionen. Die „gut gelungene“ Vorlage zum Klimabudget als Bettvorlage zu bezeichnen, sei nicht angebracht, erklärte Martin Eble. Aber auch die CDU sieht noch Verbesserungspotenzial. Mit der Projektgruppe Klimastadt werde man diesen Weg gemeinsam weitergehen.
Tautkus: Nicht nörgeln, sondern mit Schwung angehen
Nicht mit Nörgelei, sondern mit Elan müsse man Neues anfangen, mahnte Heinz Tautkus (SPD). Die Stadt sei in der richtigen Richtung unterwegs und „meint es ernst mit dem Klimaschutz“, ergänzte Achim Baumeister (Freie Wähler). Beide verwiesen beispielsweise darauf, dass die Stadt gerade erst zum dritten Mal mit dem „European Energie Award“ in Gold ausgezeichnet wurde. Bei zu viel Beweihräucherung könne man aber auch leicht das Ziel aus den Augen verlieren, mahnte Simon Wolpold vom Netzwerk. Konstanz beispielsweise habe schon eine Klimaschutz-Strategie. Er wünsche sich, dass Friedrichshafen „ein bisschen mehr Klimaschutz und etwas weniger Klimaanpassung hinbekommt“, wenn es um die Verteilung der Mittel geht. Besser wären zwei entsprechend unterschiedlich gefüllte Töpfe.

Dass auch beim Klimabudget die Bäume letztlich nicht in den Himmel wachsen, brachte OB Brand am Ende der Debatte an. Drei große Vorhaben stünden in Fischbach an: die energetische Sanierung der Festhalle, die Umgestaltung der Ortsdurchfahrt und die Unterführung der Bahngleise. „Welches bringt den größten, schnellsten oder besten Effekt?“, fragte Brand, um darauf zu verweisen, dass alles mit einmal wohl auch bei Klimaschutz nicht gehen wird. Deshalb werde es eine Kernaufgabe sein, Projekte zu priorisieren.