Über das Abo-Programm der im Herbst beginnenden Spielzeit 2016/17 in Friedrichshafen haben wir bereits berichtet – allerdings nicht über die drei Klassik-Ringe Meisterkonzerte, Sinfoniekonzerte und Kammerkonzerte. Dabei ist in jedem der Ringe, die jeweils vier Konzerte umfassen, Aufsehenerregendes geboten.

Der Nigel Kennedy der Orgel

So etwa Augustin Hadelich, der den Ring der Meisterkonzerte am 26. Oktober eröffnet, gemeinsam mit dem Orquesta de Cadaqués unter der Leitung des inzwischen über 90-jährigen Sir Neville Marriner. Die Süddeutsche Zeitung nannte Hadelich den „Geiger, der durchs Feuer ging“ – denn 1999, bei einem Brand im Elternhaus, wurde der damals 15-Jährige so schwer verletzt, dass eine Fortsetzung seiner erst begonnenen Karriere aussichtslos erschien. Durch seinen zähen Wille und viele Operationen steht Hadelich heute allerdings mit den international größten Orchestern auf der Bühne. Im GZH stehen Werke von Beethoven, Mendelssohn und Fernando Sor auf dem Programm.

Die von Neville Marriner gegründete Academy of St. Martin in the Fields ist der Klangkörper, der am 14. Mai 2017 den schillernden amerikanischen Organisten Cameron Carpenter begleitet. Carpenter ist „Artist in Residence“ des Bodenseefestivals 2017. Er ist so etwas wie der Nigel Kennedy unter den Geigern, denn der 35-Jährige trägt Irokesenschnitt und mischt den Konzertbetrieb auf. Das Spektakel beruht auf seiner selbstbewussten Person wie auch auf seinem Instrument: eine von ihm selbst konzipierte Computer-Orgel, in die die Klangspektren vieler Kirchenorgeln der ganzen Welt einprogrammiert sind.

Carpenter ersetzt die Orgelpfeifen durch die Festplatte, und die Musik, die er so erzeugt, wird von den einen Kritikern als wegweisend gefeiert, während ihm die anderen sinnlose Effekthascherei und eine aggressive Spielweise vorwerfen. Fest steht: Carpenter macht die Orgel transportabel, und damit holt er sie aus den Kirchen heraus und bringt sie weltweit in die Konzertsäle. Auch zum Konzert in Friedrichshafen wird er seine „International Touring Organ“ dabei haben. Über seine Emanzipation der Orgel sagte Carpenter dem Magazin „Concerti“: „Es ist Zeit für eine Revolution. Allein die Tatsache, dass der Organist für Hunderte von Jahren im Verborgenen saß, im Rücken der Kirchenbesucher und von seinem Instrument verdeckt – das hat sich nicht zufällig so entwickelt. Die Kirche wusste, dass das, was sie den Menschen bot, nicht mithalten konnte mit dem visuellen Ereignis, einen Organisten spielen zu sehen.“

Berechenbarer ist am 20. Dezember die Aufführung von Teilen des Bachschen Weihnachtsoratoriums durch das Kammerorchester Basel und den Windsbacher Knabenchor. Das Orchestre Philharmonique de Strasbourg ist dann am 12. Februar 2017 zu Gast, mit dem Klaviersolisten Nobu Tsuji. Der 28-jährige japanische Pianist ist von Geburt an blind. Er sagt: Ich spüre, wie der Dirigent atmet, ich muss den Taktstock nicht sehen können, um den Einsatz zu bekommen. Ich spüre auch, was die Orchestermusiker wollen, das ist wie eine Welle, die zu mir fließt und der ich folgen muss.“

Orchestermusik aus Mexiko

Das Abonnement „Sinfoniekonzerte“ beginnt am 16. November mit dem Orquesta Sinfónica Nacional de México und dem Solotrompeter Pacho Flores. Es ist das erste Engagement eines Orchesters aus Mexiko in Friedrichshafen, und es präsentiert im GZH auch keine europäische Klassik, sondern lateinamerikanische Klänge, mit Werken von Carlos Chávez, Efrain Oscher oder Silvestre Revuieltas. Ein Programm für Entdecker!

Nach seiner umstrittenen Fusion wird am 28. Januar erstmals das SWR Symphonieorchester in Friedrichshafen zu Gast sein, zusammen mit dem großen Pianisten Arcadi Volodos. Volodis galt erst als Nachfolger von Horowitz, wurde dann als „Klavier-Schwarzenegger“ bezeichnet und hat danach zu den leisen Klängen gefunden. Stetig hat er sich gewandelt, und über seine heutige Spielweise sagt er: „Der Volodos von vor zehn Jahren ist tot“. Wie Volodos heute klingt, zeigt er mit Beethovens 3. Klavierkonzert.

Unter dem Motto „Bassissimo“ steht am 1. April 2017 das Konzert der Stuttgarter Philharmoniker, die, was ungewöhnlich ist, zwei Gesangssolisten in tiefen Lagen mitbringen: Bassbariton Luca Pisaroni und Kontrabass Ödön Rácz. Auf dem Programm stehen Lieder von Schubert, Ouvertüren und Arien von Mozart sowie das Konzert für Kontrabass und Orchester op.3 von Serge Koussevitzky.

Der Organist Cameron Carpenter ist am 6. Mai 2017 auch im Abo Sinfoniekonzerte zu erleben, mit einem der führenden Orchester Frankreichs, dem Orchestre National de Lyon. Die Auswahl der Werke zeigt an, dass Carpenter nicht vor hat, mit seinem kraftvoll-virtuosen Orgelspiel hinterm Berg zu halten, denn er wird eine eigene Transkription von Rachmaninovs „Rhapsodie über ein Thema von Paganini“ spielen. Zudem stehen die „Symphonie fantastique“ von Berlioz und César Francks „Der wilde Jäger“ auf dem Programm.

Orchester mit chinesischer Laute

Das Abo „Kammerkonzerte“ bringt am 18. März 2017 ein Wiedersehen mit einem Publikumsliebling der letzten Spielzeit: dem Geiger Nemanja Radulovic, mit dem von ihm gegründeten Streicherensemble „Les Trilles du Diable“. Bei diesem Namen ahnt man, dass es an feurigem Virtuosentum nicht fehlen wird – zumal Radulivoc seine Mitspieler gern zu mitreißenden Höchstleistungen herausfordert. Berührungsängste kennt der 1985 geborene Serbe nicht – in Zugaben hat er auch schon Abba-Songs gespielt. Auf dem offiziellen Programm stehen Stücke von Paganini, Monti, Mozart, Bach, Kreisler, Sarasate und anderen.

Unkonventionell verspricht auch ein Konzert mit dem Kammerorchester „The Knights“ aus den USA zu werden, denn die Solistin ist die Chinesin Wu Man. Sie spielt die Pipa, die chinesische Variante der Laute, im „Konzert für Pipa und Streichorchester“ von Ta Dun, einem zeitgenössischen Komponisten. Darüber hinaus reicht das Programm von Bachs 3. Brandenburgischem Konzert bis hin zur Minimal Music von Steve Reich.

Keineswegs streng klassisch verspricht das Konzert von Chanticleer zu werden, der „Allzweckwaffe“ unter den Kammerchören: das Programm „My secret heart“ des zwölfköpfigen Chors reicht bis zu Liedern von Henry Mancini und Paul Simon. Quer durch die Jahrhunderte erkundet der 1978 gegründete Chor aus San Francisco die Facetten der Liebe – von zärtlich bis derb.

Grigory Sokolov gilt als einer der ernsthaftesten Pianisten der Gegenwart. Über sich selbst gibt er in Interviews am liebsten überhaupt keine Auskunft, sondern nur über die Musik – was Gespräche zumindest für den Leser zu einem vergnüglichen Katz und Maus-Spiel macht. Sokolov wurde als „Wiedergeburt eines Sviatoslav Richter oder Emil Gilels“ bezeichnet, als „Zauberer“ und „Mystiker“ des zeitgenössischen Klavierspiels. Zum Glück sind dem 1950 geborenen Russen diese Attribute gleichgültig – „Erfolge feiern nicht die Künstler, sondern die Zuhörer, die den Künstler mehr und mehr verstehen“, sagt er. Nach Friedrichshafen kommt er mit Werken von Robert Schumann.

Abo-Verkauf

Das Abo „Meisterkonzerte“ gibt es in den Preisklassen 156, 117, 85 und 54 Euro. Das Abo „Sinfoniekonzerte“ ist erhältlich für 140, 100, 70 und 48 Euro. Das Abo „Internationale Kammerkonzerte“ wird für 98, 78, 54 und 38 Euro angeboten. Erhältlich sind die Abos beim Kulturbüro Friedrichshafen, Olgastraße 21, unter Telefon 0¦75¦41/2¦03¦33¦00 (Montag bis Freitag 8 bis 12 Uhr sowie Montag bis Donnerstag 14 bis 16 Uhr). (rup)