Im Juni hatte der britische Triebwerkshersteller Rolls-Royce bekannt gegeben, bis Mitte 2020 weitere rund 4600 Stellen im Konzern abzubauen – den Großteil davon in Großbritannien. Das entspricht knapp zehn Prozent der Belegschaft von 50 000 Mitarbeitern weltweit. Da ging man beim Tochterunternehmen Rolls-Royce Power Systems (RRPS) in Friedrichshafen noch davon aus, von diesem Stellenabbau nicht betroffen zu sein. Bis April 2020 gilt schließlich ein Vertrag zur Standortsicherung, der weitere Jobverluste bei RRPS ausschließt. 400 Stellen wurden auf freiwilliger Basis in den vergangenen beiden Jahren abgebaut.

Nun könnte der angekündigte Sparkurs bei Rolls-Royce doch Auswirkungen auf die deutsche Tochterfirma haben. Der Betriebsrat hat am nächsten Donnerstag um 10.30 Uhr zu einer außerordentlichen Betriebsversammlung eingeladen. "Ganz sicher nicht aus Jux und Dollerei", erklärt Betriebsratschef Thomas Bittelmeyer. "Es soll unter anderem um einen möglichen Stellenabbau bei RRPS gehen", bestätigt er auf Anfrage dieser Zeitung. Zahlen könne er derzeit nicht nennen. Laut internen Spekulationen ist von 400 bis 500 Stellen die Rede.
Vereinbarungen zur Standortsicherung bis April 2020
Für die Unternehmensleitung gelten die Vereinbarungen mit Betriebsrat und IG Metall zur Standortsicherung bis April 2020, teilte ein Sprecher des Unternehmens auf Nachfrage mit. Zu Spekulationen über einen möglichen Stellenabbau möchte man keine Stellung nehmen. "Darüber hinaus sehen wir für Rolls-Royce Power Systems und MTU Friedrichshafen derzeit eine äußerst positive Auftragslage, sodass uns eher der bestmögliche Einsatz bestehender und der mögliche Aufbau weiterer Kapazitäten beschäftigt“, erklärt das Unternehmen.
Tatsächlich käme die im Raum stehende Forderung der Konzernmutter nach einem weiteren Stellenabbau bei RRPS zur Unzeit. Nach den im August veröffentlichten Zahlen stieg der bereinigte Umsatz im ersten Halbjahr 2018 um 13 Prozent im Vergleich zum Vorjahr an. 2017 gelang dem Unternehmen nach wirtschaftlich schwierigen Jahren die Trendwende, verbuchte dank gestiegener Umsätze am Ende einen um 61 Prozent höheren Gewinn als 2016 (375 Millionen Euro). Der Wachstumskurs hält an.
Betriebsbedingte Kündigungen sind binnen vier Jahren ausgeschlossen
So werden in der Produktion beispielsweise nach wie vor Facharbeiter gesucht. Weniger Mitarbeiter bei mehr Aufträgen bedeute eine Arbeitsverdichtung für die Beschäftigten, "was den Standort zukünftig gefährdet", sagt der Betriebsratschef. Dabei sollte die im April 2016 geschlossene Vereinbarung den Standort Friedrichshafen sichern. Betriebsbedingte Kündigungen sind damit binnen vier Jahren ausgeschlossen. Gut möglich, dass mit einem Stellenabbau erneut auf freiwilliger Basis diese Vereinbarung auf Geheiß der Konzernmutter unterlaufen werden soll.

Und dann ist da noch der Brexit
Ungemach von der Insel droht noch aus anderer Sicht. Welche Folgen der bevorstehende Austritt Großbritanniens aus der EU für das auch in Europa stark aufgestellte Unternehmen hat, soll nach Aussage von Thomas Bittelmeyer ebenfalls Thema bei der Betriebsversammlung sein. Hier gebe es von der Konzernmutter noch keine Ansagen, wie der Brexit gestaltet werden soll.
Standortsicherung
Nach monatelangen Verhandlungen zwischen Betriebsrat und Vorstand sowie der RRPS-Zentrale in London war am 1. April 2016 ein umfassendes Papier zur Standortsicherung in Friedrichshafen sowie in Duisburg und Hamburg verabschiedet worden. Darin wurden betriebsbedingte Kündigungen bis zum 31. März 2020 ausgeschlossen. Allerdings wurde auch vereinbart, dass am RRPS-Hauptsitz in Friedrichshafen wie an den beiden anderen Standorten bis zum Jahr 2020 jährlich insgesamt 10 Millionen Euro eingespart werden. Außerdem gab der Konzern bekannt, dass er deutschlandweit bis zu 550 Arbeitsplätze auf freiwilliger Basis oder durch Altersteilzeitregelungen abbauen will. In Friedrichshafen gingen bis zum Sommer rund 300 Mitarbeiter. (kck)