Wo hört der Spaß auf? Ist das ein netter Flirt oder eine blöde Anmache? Wo beginnt eigentlich eine sexuelle Grenzverletzung? Im Jugendzentrum Molke waren am Montag rund 100 Interessierte, Lehrer, Schulsozialarbeiter und Eltern bei der Auftaktveranstaltung zum Präventionsparcours „Echt krass!“.

In einer Art Umkleidekabine ragen wabbelige Hände in roten Gummihandschuhen aus den Wänden. Ein richtig unangenehmes Gefühl, wenn man hineingeht und den Vorhang zuzieht. In einer anderen Kabine starren viele Augen auf den Körper. Sexuelle Grenzverletzungen reichen von sexistischen Sprüchen über unangemessene Berührungen bis hin zu einer Vergewaltigung.

Der Präventionsparcours mit fünf interaktiven Stationen richtet sich insbesondere an Jugendliche zwischen 14 und 16 Jahren. Gehören sexuelle Grenzverletzungen doch leider zum Alltag von Mädchen und Jungen. Mithilfe von „Echt krass!“ sollen sie sensibilisiert werden, diese wahrzunehmen, sich gegen Übergriffe zu wehren und sich frühzeitig Hilfe zu holen. 43 Schulklassen der Klassenstufe 8 aus dem ganzen Bodenseekreis werden die Ausstellung bis zum 25. Januar im Jugendzentrum Molke besuchen. „Wir erreichen also rund 1000 Schüler“, erklärte Iris Gester, Leiterin der Morgenrot-Beratungsstelle gegen sexuellen Missbrauch.

Veronika Wäscher-Göggerle, Frauen- und Familienbeauftragte des Bodenseekreises, unterstrich, wie wichtig ihr die Prävention sexualisierter Gewalt und sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen ist. „Das Thema sexuelle Gewalt an Kindern ist immer noch ein Tabu. Dabei sitzen in jeder Schulklasse statistisch ein bis zwei Kinder, die sexuelle Gewalt erfahren“, so Wäscher-Göggerle.

48 Prozent der Jugendlichen hätten in ihrem jungen Leben bereits sogenannte Sexting-Mitteilungen (sexting = Sex und texting) erhalten. „Kinder und Jugendliche haben einen Anspruch darauf, vor Gewalt und Missbrauch geschützt zu werden,“ so die Frauen- und Familienbeauftragte.
Bürgermeister Andreas Köster lobte die gute Zusammenarbeit der Stadt Friedrichshafen mit dem Bodenseekreis, wenn es um die Verhinderung sexualisierter Gewalt gehe. Als Beispiel nannte er die Einrichtung der Beratungsstelle Morgenrot als Anlaufstelle für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. „Es gibt viel mehr Fälle, als uns lieb ist und die Dunkelziffer ist sehr hoch“, sagte Köster. Die Ausstellung trage dazu bei, ein Bewusstsein für die Problematik zu schaffen und Missstände aufzuzeigen.
Was ist unter sexualisierter Gewalt zu verstehen?
Iris Gerster zeigte auf, was unter sexualisierter Gewalt zu verstehen ist, nämlich alle Formen sexueller Äußerungen und Handlungen gegen den Willen einer anderen Person. „Dies können intime Fotos oder Filme gegen meinen Willen im Internet sein oder direkter Körperkontakt vom Begrapschen bis hin zur Vergewaltigung. Viele werden auch Zeuge von sexualisierter Gewalt“, berichtete Gerster.
81 Prozent der Jugendlichen Erfahrung mit sexualisierter Gewalt
Laut einer Studie hätten 81 Prozent der Jugendlichen Erfahrung mit sexualisierter Gewalt. Mithilfe des Präventionsparcours des Petze-Instituts für Gewaltprävention in Kiel könnten sie Strategien entwickeln, um sich gegen Übergriffe zu wehren.